Urteil: Grenzwerte für PFT im Trinkwasser nicht auf Abwasser zu übertragen


Der beklagte Galvanik-Betrieb leitet in die vom Herzberger Wasser- und Abwasserzweckverband (HWAZ) betriebene zentrale Abwasserentsorgungsanlage Schmutzwässer ein, darunter auch die Abwässer aus der galvanischen Produktion. Mit einer im Oktober 2008 beschlossenen Änderung der Entwässerungssatzung (EWS) wurde für die Summe der perfluorierten Tenside (PFT) ein Grenzwert von 0,3 Mikrogramm je Liter (µg/l) eingefügt, so das Gericht zum Sachverhalt. Zuvor – im Juli 2008 – war der Verband vom Landkreis Elbe-Elster darauf hingewiesen worden, dass bei der Verwertung des Klärschlamms zukünftig der Problematik von perfluorierten Tensiden Rechnung zu tragen sei. Der Verband untersagte dem Unternehmen ab dem März 2010 die Einleitung von Abwasser, bei dem die Summe der Stoffe der Stoffgruppe der perfluorierten Tenside den neuen Grenzwert an der Übergabestelle überschreitet, und verklagte es im März 2011 auf Schadensersatz. Das Unternehmen  müsse einen Betrag in Höhe von rund 110.000 Euro bezahlen.


Zur Begründung verwies der Verband darauf, dass ihm ein Schadensersatzanspruch zustehe, der die Mehrkosten für die thermische Entsorgung von Klärschlamm, der bislang durch die Einleitung von den Grenzwert für PFT überschreitende Abwässer entstanden sei, umfasse. Des Weiteren seien die Kosten für Abwasseruntersuchungen zu begleichen. Der Verband gab an, dass er bis Ende November 2008 den Klärschlamm einer landbaulichen bzw. landschaftsbaulichen Verwertung zugeführt habe. Dazu habe er Abnahmeverträge mit einer Agrargenossenschaft abgeschlossen und einen Preis von 10,71 Euro brutto bzw. 9,00 Euro netto entrichtet.  Im Juli 2008 habe der Verband dann das Unternehmen darauf hingewiesen, dass die Klärschlämme und Abwässer auf PFT untersucht worden seien und im Abwasser des Betriebs eine Konzentration von 480 Mikrogramm je Liter festgestellt worden sei. Die Grenzwerte für PFT seien fortgesetzt und deutlich überschritten worden. Durch die notwendige thermische Entsorgung der Klärschlämme seien bis zur Klageerhebung insgesamt Kosten in Höhe von rund 254.000 Euro entstanden, was Mehrkosten in Höhe von rund 89.000 entspreche. Für Sielhaut- und Abwasserbeprobungen seien bislang Kosten von rund 4.500 Euro entstanden. Durch die Einleitung von Abwasser mit einer Verschmutzung oberhalb des neuen Grenzwerts habe das Unternehmen seine Pflicht aus dem Kanalbenutzungsverhältnis verletzt.


Das Gericht hat die Klage des Verbandes abgewiesen, da es nach seiner Auffassung für den geltend gemachten Zahlungsanspruch keine rechtliche Grundlage gibt. Wie es in dem Urteil heißt, setzt der vom Kläger geltend gemachten Anspruch auf Schadensersatz voraus, dass die durch eine kostenintensivere Entsorgung von Klärschlamm – als dem Schaden - entstandenen Mehrkosten durch das Unternehmen verursacht worden sind und das Unternehmen durch die Einleitung von Abwasser seine Pflichten, die sich aus dem Kanalbenutzungsverhältnis ergeben, schuldhaft verletzt hat. Eine derartige Pflichtverletzung sei hier aber nicht festzustellen.


Zwar könne der Zweckverband die Einleitung von Abwasser, das nach Art und Menge den Gesamtbetrieb stören kann, durchaus von einer Vorbehandlung abhängig machen oder an besondere Bedingungen knüpfen, stellt das Gericht fest. Sollten diese Auflagen nach den allgemein anerkannten Regeln der Technik oder dem Stand der Technik nicht eingehalten werden können, könne der Zweckverband die Einleitung des Schmutzwassers versagen.

Diese Norm greift aber dem Verwaltungsgericht zufolge hier bereits von ihrem Wortlaut nicht, da sie sich nur auf Abwasser beziehe, das nach Art und Menge den Gesamtbetrieb stören könnte. Dies sei bei einer Überschreitung von Grenzwerten im Abwasser, die nicht die Abwasserentsorgung bzw. die Aufbereitung in den Kläreinrichtungen beeinträchtigt, nicht der Fall. Die Grenzwertüberschreitung verursache lediglich eine kostenintensivere Entsorgung des Klärschlamms, ohne dass dadurch der Betrieb der Anlage gestört werde.


Eine Pflicht, einen Grenzwert von 0,3 Mikrogramm pro Liter (µg/l) Abwasser für die Stoffgruppe der perfluorierten Tenside (PFT) einzuhalten, besteht nicht, heißt es in dem Urteil. Selbst wenn den Gemeinden und Zweckverbänden grundsätzlich das Recht zugebilligt würde, aus Kostengründen Grenzwerte für bestimmte Stoffe und Stoffgruppen festzulegen, so sei der hier festgelegte Grenzwert für PFT von 0,3 µg/l  nicht gerechtfertigt.


Ein solch niedriger Grenzwert für PFT sei unter allen in Betracht kommenden Gesichtspunkten willkürlich und nicht sachgerecht, stellt das Gericht fest. Die Festsetzung der Höhe des Grenzwertes in der 1. Änderungssatzung zur EWS sei in Anlehnung an den von der Trinkwasserkommission vorgeschlagenen Vorsorgewert von 0,3 µg/l als lebenslang duldbarer Leitwert für Trinkwasser (EUWID 28.2009) erfolgt, der auch im Rahmen (ab)wasserrechtlicher Erlaubnisse und Genehmigungen des Landes Nordrhein-Westfalen im Ruhrgebiet zugrunde gelegt werde.


Es sei aber schon im Grundsatz äußerst fraglich, ob der für den Trinkwasserbereich vorgeschlagene Grenzwert  im Bereich der Abwassereinleitung von Indirekteinleitern überhaupt einen Anhaltspunkt bilden könne. Aufgabe des Zweckverbandes sei die Abwasserentsorgung. Naturgemäß könne Abwasser nicht die Qualität von Trinkwasser aufweisen. Es sei in seinen Eigenschaften so verändert, dass es für den Trinkwassergebrauch nicht geeignet  sei und naturgemäß höhere Schadstoffkonzentrationen aufweise, als sie im Bereich der Trinkwasserversorgung zulässig wären.


Auch sonst ist ein Grenzwert von 0,3 µg PFT pro Liter Abwasser dem Urteil zufolge nicht sachgerecht. So habe der Kläger habe keinerlei Anhaltspunkte dafür vorgebracht oder Berechnungen oder Nachweise vorgelegt, aus denen der Schluss gezogen werden könnte, dass erst bei einer Schadstoffkonzentration für PFT von gleich oder weniger als 0,3 µg/l im Abwasser eine umweltgerechte und kostengünstige Entsorgung des Klärschlammes im Wege der landbaulichen und landschaftsbaulichen Verwertung möglich ist und dieser Abwasser-Grenzwert für eine Einhaltung des ihm vom Landkreis aufgegebenen Wertes von 100 µg PFT/kg Trockensubstanz Klärschlamm erforderlich ist.


Zudem sieht das Gericht beim Handeln des Verbandes einen Verstoß gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Die Einführung eines Grenzwertes von 0,3 µg PFT/Liter Abwasser ohne Übergangsvorschrift habe zur Folge, dass der Betrieb sein bislang erlaubtes Verhalten, Abwasser, das diesen Grenzwert überschreitet, einzuleiten, unmittelbar einstellen müsste. Die weitere Folge sei es, dass das Unternehmen seine erlaubte gewerbliche Tätigkeit, nämlich die Ausübung eines Galvanik-Betriebs, nicht mehr ausüben könne und zumindest vorübergehend einstellen müsse. Dabei habe es gesicherte Erfahrungen und wissenschaftlich gesicherte Erkenntnisse, mit welchen Mitteln ein solcher Grenzwert in einem Galvanik-Betrieb sicher und vor allem in kürzester Zeit einzuhalten war, im Jahr 2008 noch gar nicht gegeben, stellt das Gericht fest.


Auch habe selbst nach dem Ende 2009 erfolgten Einbau einer Ionenaustauscher-Pilotanlage der Schadstoffeintrag zwar signifikant auf durchschnittlich 2,15 µg/l Abwasser im Jahr 2010 gesenkt werden können, eine Reduzierung der perfluorierten Tenside unterhalb des in der Satzung bestimmten Grenzwertes von 0,3 µg/Liter sei aber letztlich erst im Jahre 2013 durch weitere Maßnahmen erreicht worden. Dies seiht das Gericht als Beleg dafür an, dass allein durch Ergreifen kurzfristig möglicher und nach dem seinerzeitigen Stand der Technik verfügbarer Maßnahmen im Jahre 2008 eine Reduzierung des PFT-Eintrags auf den strengen Grenzwert von 0,3 µg/Liter nicht kurzfristig möglich gewesen sei und weitere Zeit und gegebenenfalls sogar Forschungsaufwand erforderlich gewesen wäre, dem eine Übergangsregelung Rechnung zu tragen hätte.


Demgegenüber seien die Interessen, die für ein sofortiges In-Kraft-Treten des Grenzwertes von 0,3 µg/l streiten, gering zu gewichten. Wie Sachverständigengutachten ergeben hätten, bedürfe es eines solch strengen Grenzwerts schon nicht, um das mit der Regelung verfolgte primäre Ziel zu erreichen, den PFT-Gehalt in der Trockensubstanz Klärschlamm unter 100 µg/kg zu halten. Gleiches gelte für die Frage der Einhaltung von eventuell angestrebten Werten an den Überläufen der Kläranlagen.