Betrieb einer Regenwasser-Versickerung hebt Anschluss- und Benutzungszwang nicht auf


Die Kläger sind Eigentümer eines mit einem Wohnhaus bebauten Grundstücks. Für das Haus hatte die beklagte Gemeinde der Voreigentümerin im Jahr 1986 eine Baugenehmigung erteilt, so das OVG zum Sachverhalt. Die Baugenehmigung war, da das Grundstück damals noch nicht an den öffentlichen Regenwasserkanal angeschlossen war, war mit der Auflage verbunden, das anfallende Regenwasser auf dem Grundstück zu versickern. Dazu war 1986 eine wasserrechtliche Versickerungs-Genehmigung erteilt worden, und 1988 waren dementsprechend Sickerschächte auf dem Grundstück errichtet worden. Darüber hinaus war aber eine Leitung für einen späteren Anschluss an einen Regenwasserkanal verlegt worden.


Gemeinde stellt Regenwasser-Kanalisation her


Im Mai 2015 stellte die Gemeinde in  der Straße eine betriebsfertige Regenwasser-Kanalisation her und forderte zu Anfang des kommenden Jahres die Eigentümer auf, sich an die öffentliche Regenwasserkanalisation in der Straße anzuschließen, so dass sämtliches auf dem Grundstück anfallende Regenwasser - mit Ausnahme des als Brauchwasser verwendeten Niederschlagswassers - in den öffentlichen Regenwasserkanal eingeleitet wird. Für den Fall, dass die Eigentümer dieser Verfügung nicht nachkommen, drohte die Kommune ihnen ein Zwangsgeld in Höhe von 5.000 Euro an.


Eigentümer: Anschluss kann nicht verlangt werden


Ihre dagegen gerichtete Klage begründeten die Eigentümer damit, dass kein Anschluss- und Benutzungszwang bestehe. Nach der Baugenehmigung und der wasserrechtlichen Genehmigung aus dem Jahr 1986 verfüge ihr Grundstück über eine Regenwasserversickerungsanlage. Diese Genehmigungen seien unbefristet erteilt worden. Aufgrund dessen könne der Anschluss an den öffentlichen Regenwasserkanal von ihnen nunmehr nicht verlangt werden.


Das Verwaltungsgericht wies die Klage - mit Urteil vom 9. März 2017 - ab. Nach Verlegung des öffentlichen Kanals lägen die Voraussetzungen, die nach der Entwässerungssatzung der Gemeinde und dem Landeswassergesetz (LWG) zu erfüllen sind, für einen weiteren Betrieb der Versickerungsanlage nicht mehr vor. Ein atypischer Sonderfall sei nicht gegeben, und ein Anschluss des Grundstücks der Kläger an den Regenwasserkanal sei bereits in der Entwässerungsplanung von 1986 vorgesehen.


Anschluss- und Benutzungszwang gilt auch für Niederschlagswasser


Das OVG hat die Entscheidung des Verwaltungsgerichts Minden, die  Klage abzuweisen, bestätigt. Nach dem Landeswassergesetz (LWG) NRW ist Abwasser von dem Nutzungsberechtigten des Grundstücks, auf dem das Abwasser anfällt, der Gemeinde zu überlassen, soweit nicht der Nutzungsberechtigte selbst oder andere zur Abwasserbeseitigung verpflichtet sind. Dementsprechend regle die  Entwässerungssatzung (EWS) der Kommune, dass jeder Anschlussberechtigte verpflichtet ist, sein Grundstück in Erfüllung der Abwasserüberlassungspflicht nach dem LWG NRW an die öffentliche Abwasseranlage anzuschließen, sobald Abwasser auf dem Grundstück anfällt.


Der Anschlussnehmer sei nach der EWS - vorbehaltlich der Einschränkungen in dieser Satzung - verpflichtet, das gesamte auf dem Grundstück anfallende Schmutzwasser und Niederschlagswasser in die öffentliche Abwasseranlage einzuleiten, um seine Abwasserüberlassungspflicht nach dem LWG NRW zu erfüllen. Der Anschluss- und Benutzungszwang bestehe auch für das Niederschlagswasser, heißt es in dem Urteil.


Kein Anspruch auf Freistellung von der Überlassungspflicht


Die in der EWS verlangten Voraussetzungen sind dem OVG zufolge hier auch gegeben. Die Eigentümer treffe im Hinblick auf das Niederschlagswasser, das auf ihrem Grundstück anfällt, eine Abwasserüberlassungspflicht gegenüber der Gemeinde. Damit sind sie dem Urteil zufolge verpflichtet, ihr Grundstück an den im Jahr 2015 betriebsfertig hergestellten öffentlichen Regenwasserkanal anzuschließen. Ein Anspruch auf Freistellung der Niederschlagswasserüberlassungspflicht stehe ihnen nicht zu.


Wie das OVG ausführt, hat die Gemeinde bei der Bestimmung der Art und Weise der Niederschlagswasserbeseitigung ein grundsätzlich weitreichendes, nur eingeschränkt überprüfbares Planungs-Ermessen. Hat sie sich für eine getrennte Entsorgung des Schmutz- und Niederschlagswassers entschieden, sei die Ablehnung der Freistellung von der Niederschlagswasserüberlassungspflicht in aller Regel bereits aus diesem Grund ermessensfehlerfrei. Damit bleibe nur noch in atypischen Fallkonstellationen Raum für eine Freistellung von der Überlassungspflicht.


Regelung zur Versickerung nicht mehr wirksam


Dass die Baugenehmigung von 1986 den Grundstückseigentümer verpflichtet, auf dem Grundstück eine einer Entwässerungs- bzw. Versickerungsanlage zu errichten und zu betreiben, ist dem Urteil zufolge nicht mehr wirksam. Sie habe sich erledigt, da sie sich mit der Herstellung eines öffentlichen Regenwasserkanals inhaltlich überholt habe.


Bau eines Regenwasserkanals war bereits vorgesehen


Bereits im Zeitpunkt des Erlasses der Baugenehmigung habe zwischen der Rechtsvorgängerin der Kläger als Genehmigungsadressatin und der Gemeinde Klarheit darüber bestanden, dass zu einem späteren Zeitpunkt - bis zum Jahr 2022 - ein öffentlicher Regenwasserkanal installiert werden sollte. Die Nebenbestimmung zur Errichtung und zum Betrieb einer Entwässerungseinrichtung auf dem Grundstück selbst diente lediglich dazu, der Rechtsvorgängerin der Klägerin bereits zuvor im Hinblick auf die Erschließung des Grundstücks ein Baurecht zu verschaffen. Deshalb wurde von vornherein eine Regenwasserleitung bis zur Grundstücksgrenze gebaut, die für einen späteren Kanalanschluss vorgesehen war.


Da sich die in Rede stehende Nebenbestimmung zur Baugenehmigung von 1986 damit erledigt habe, bedarf es dem OVG zufolge für ihren Widerruf nicht mehr, um ihre Wirksamkeit zu beseitigen. Erweise sich damit die Anschlussaufforderung als rechtmäßig, bestehen dem OVG zufolge schließlich auch gegen die Rechtmäßigkeit der Zwangsgeldandrohung keine Bedenken.