Die Kläger, Miteigentümer eines Grundstücks, wollten feststellen lassen, dass sie nicht verpflichtet sind, die Hausanschlussleitung ihres Grundstücks auf Dichtheit überprüfen zu lassen. Das seit 1972 mit einem Wohnhaus bebaute Grundstück ist an die im Trennsystem betriebene öffentliche Abwasseranlage angeschlossen, heißt es in dem Urteil zum Sachverhalt. Nachdem die beklagte Stadt eine erhebliche hydraulische Überlastung der Pumpwerke durch einen hohen Fremdwasseranfall im öffentlichen Schmutzwasserkanalsystem festgestellt hatte, stellte sie 2012/13 auf Veranlassung der Bezirksregierung Detmold ein Fremdwassersanierungskonzept auf. Ergänzend und um die Beantragung von Fördermittel des Landes NRW für die Sanierung der privaten Abwasserleitungen zu ermöglichen, beschloss die Stadt eine Satzung zur Festlegung von Fristen für die Zustands- und Funktionsprüfung bei privaten Abwasserleitungen (FS).
Stadt legt Frist zur Prüfung durch den Eigentümer fest
Danach hatte der Grundstückseigentümer die Abwasserleitungen seines Grundstücks auf ihren Zustand und ihre Funktionstüchtigkeit zu prüfen, und zwar bei bestehenden privaten Abwasserleitungen erstmals spätestens bis zum 31.03.2016 durchzuführen. Das Ergebnis der Prüfung ist in einer Bescheinigung zu dokumentieren, die der Gemeinde vorzulegen ist. Werde die Bescheinigung nicht vorgelegt, stellt das der Satzung zufolge eine Ordnungswidrigkeit dar.
Mit ihrer im März 2016 erhobenen Klage begehren die Eigentümer die Feststellung, dass sie nicht zur Prüfung und Vorlage einer Bescheinigung verpflichtet sind. Zur Begründung trugen sie vor, weder die Fristensatzung noch die zugrundeliegende Selbstüberwachungsverordnung enthielten Regelungen zur Durchsetzung der Verpflichtung. Es sei ihnen nicht zumutbar, es erst auf ein Ordnungswidrigkeitsverfahren ankommen zu lassen und sich dann zur Wehr zu setzen.
Eigentümer werfen der Stadt Nachlässigkeit vor
Die mit der FS festgesetzte Verpflichtung verstoße gegen höherrangiges Recht und sei daher rechtswidrig. Nach dem Grundgesetz (Art. 74 Abs. 1 Nr. 32 GG) komme dem Bund die konkurrierende Gesetzgebung für das Gebiet „Wasserhaushalt“ zu. Die Länder hätten gemäß Art. 72 Abs. 1 GG nur die Befugnis zur Gesetzgebung, soweit der Bund von seiner Gesetzgebungskompetenz nicht durch Gesetz Gebrauch gemacht habe, argumentierten die Kläger.
Die von der Stadt angeführte Fremdwasserproblematik könne den Erlass einer Fristensatzung nicht rechtfertigen, weil sie allein auf ihrer eigenen Nachlässigkeit beruhe. Bereits bei Einrichtung des Trennsystem und nochmals durch die Fremdwasseruntersuchungen sei ihr bekannt gewesen, dass von zahlreichen Grundstücken das Niederschlagswasser weiter in den Schmutzwasserkanal eingeleitet werde, ohne dass die Stadt die erforderlichen Maßnahmen zur Beseitigung der bestehenden Fehlanschlüsse eingeleitet habe.
Die angeführte Überlastung des Pumpwerks beruhe auf einem Planungsfehler in Form einer zu geringen Dimensionierung. Die Beklagte habe das ihr bei Erlass einer Fristensatzung eingeräumte Ermessen fehlerhaft ausgeübt, indem sie den Grundstückseigentümern die Durchführung einer Dichtheitsprüfung auferlegt habe, obwohl die Ursache in einer verfehlten Erfüllung ihrer Abwasserbeseitigungspflicht liege.
Bund hat keine Verordnung zur Selbstüberwachung geschaffen
Dem Verwaltungsgericht Minden zufolge greifen die von den Klägern gegen die Wirksamkeit der landesrechtlichen Ermächtigungsgrundlage vorgetragenen Bedenken nicht durch. Im vorliegenden Fall habe der Bund von seiner Gesetzgebungskompetenz für den hier fraglichen Bereich nur insoweit Gebrauch gemacht, als er in § 61 Abs. 1 und 2 des Wasserhaushaltsgesetzes (WHG) die grundsätzliche Verpflichtung des Betreibers einer Abwasseranlage zur Selbstüberwachung festgelegt hat. Von der Möglichkeit, hierzu auf der Ermächtigungsgrundlage des § 61 Abs. 3 WHG eine konkretisierende Bundesrechtsverordnung zu erlassen, sei aber bislang ebenso wenig Gebrauch gemacht worden wie von der Befugnis, auf der Basis des § 23 Abs. 1 WHG eine Rechtsverordnung mit ergänzenden Vorschriften für den hier fraglichen Bereich zu schaffen, heißt es in dem Urteil.
Landesregierungen können entsprechende Vorschriften erlassen
Das Bundesrecht enthält jedoch in § 23 Abs. 3 WHG die Ermächtigung der Landesregierungen, durch Rechtsverordnung entsprechende Vorschriften zu erlassen, solange und soweit die Bundesregierung von der Ermächtigung zum Erlass von Rechtsverordnungen keinen Gebrauch gemacht hat. Die Ermächtigung könne von der Landesregierung auf oberste Landesbehörden übertragen werden.
Angesichts dieser bundesgesetzlichen Regelungen könne der Vortrag der Kläger, dass bereits die Verordnungsermächtigung im Bundesgesetz die Sperrwirkung des Bundesrechts gegenüber landesrechtlichen Regelungen unabhängig vom Erlass einer konkreten Rechtsverordnung auslöse, nicht überzeugen.
Bund überlasst Regelung der Überwachung den Ländern
Aus dem dargestellten Inhalt des Wasserhaushaltsgesetzes ergibt sich dem Urteil zufolge eindeutig, dass der Bund keine abschließende Regelung treffen, sondern den Ländern die Regelung des Überwachungsverfahrens überlassen wollte. Ein Blick in die Gesetzesmaterialien bestätige diese Auslegung. Die zugelassene Weiterübertragung der Ermächtigung vom Land auf die oberste Landesbehörde erfolgte durch § 59 Abs. 4 LWG und bildet die Grundlage für den Erlass der Selbstüberwachungsverordnung Abwasser vom 17.10.2013. Die Rechtsgrundlage für den Erlass kommunaler Satzungen zur Ergänzung der Regelungen der Selbstüberwachungsverordnung Abwasser ergebe sich für den hier fraglichen Bereich aus § 46 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 und 2 LWG.
Gemeinde kann durch Satzung Fristen festlegen
Von dieser Ermächtigung habe die Stadt mit der Fristensatzung Gebrauch gemacht. Die hier entscheidungserheblichen Regelungen der Satzung seien auch materiell gültiges Ortsrecht, heißt es in dem Urteil. Gemäß § 46 Abs. 2 Satz 1 LWG kann die Gemeinde zur Erfüllung ihrer Abwasserbeseitigungspflicht durch Satzung Fristen für die Prüfung von Haus- und Grundstücksanschlüssen festlegen und eine Bescheinigung über das Ergebnis der Prüfung verlangen.
Die beklagte Stadt habe das ihr durch die gesetzliche Ermächtigungsgrundlage eingeräumte Satzungsermessen erkannt und ausgeübt. Sie habe im Aufstellungsverfahren schlüssig dargelegt, dass das Ergebnis der Voruntersuchungen und die dabei festgestellte Fremdwasserproblematik in dem konkret festgelegten Satzungsgebiet detailliertere Überprüfungen auch der privaten Abwasserleitungen notwendig machten, um sachgerecht ein Fremdwassersanierungskonzept aufstellen und die geplanten Sanierungsmaßnahmen umsetzen zu können. Diesem Ziel diene auch die in der Satzung festgelegte Pflicht zur Vorlage der Prüfbescheinigung mit der Zustandsdokumentation.
Das gelte unabhängig davon, ob die Stadt - wie von den Klägern vorgetragen - in der Vergangenheit die Beseitigung bekannter Fehlanschlüsse nicht konsequent durchgesetzt und die öffentliche Abwasseranlage nicht ausreichend dimensioniert habe. Dem Urteil zufolge ist es nicht zu beanstanden, dass die Stadt im Rahmen einer Gesamtsanierung allen möglichen Fremdeinleitungen nachgehen und auch Zuflüsse erfassen will, die bisher nicht bekannt waren, um einer Überlastung der öffentlichen Anlagen entgegenzuwirken.
Verweis auf Normen nach DIN zulässig
Die Fristensatzung verstoße entgegen der Ansicht der Kläger auch nicht dadurch gegen das sich aus dem Rechtsstaatsprinzip ergebende Publizitätsgebot, dass sie im Hinblick der Zustands- und Funktionsprüfung gemäß den allgemein anerkannten Regeln der Technik auf die Normen DIN 1986 Teil 30 und die DIN EN 1610 verwiesen wird. Der Verweis auf von nichtstaatlichen Normungsgremien geschaffene Regelwerke ist nach der Rechtsprechung nicht prinzipiell ausgeschlossen, stellt das Verwaltungsgericht Minden fest. Die Rechtsnorm müsse aber erkennbar zum Ausdruck bringen, dass sie die außen stehende Anordnung zu ihrem Bestandteil macht. Der Gegenstand der ergänzenden Anordnung müsse hinsichtlich des Gegenstandes hinreichend bestimmt bezeichnet und die Verlautbarung der ergänzenden Anordnung müsse für den Betroffenen zugänglich sein. Dies sei hier der Fall.