Mit der Frage eines vertraglichen Verzichts auf die Erhebung von Erschließungsbeiträgen hat sich das Verwaltungsgericht Greifswald in einem aktuellen Beschluss befasst. Eine Gemeinde, die die Aufgabe der Abwasserbeseitigung auf einen Abwasserzweckverband übertragen hat und Mitglied des Zweckverbandes ist, kann ohne Beteiligung des Zweckverbandes keine Vereinbarungen über einen Verzicht auf die Erhebung von Anschlussbeiträgen treffen, heißt es in dem Beschluss (Aktenzeichen 3 B 1085/18 HGW vom 15.08.2018). Ein so vereinbarter Verzicht auf die Erhebung von Anschlussbeiträgen ist dem Gericht zufolge unwirksam.
Mit dem Beschluss hat das Gericht den Antrag, die aufschiebende Wirkung der Klage gegen Beitragsbescheide des Abwasserzweckverbandes Marlow-Bad Sülze aus dem Januar 2018 anzuordnen, abgelehnt. Es bestünden keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Beitragsbescheide, die ihre Rechtsgrundlage in der Abwasserbeitragssatzung (ABS) des Abwasserzweckverbandes Marlow-Bad Sülze vom 23. Juni 2017 finden, heißt es in dem Beschluss.
Beitragspflicht entsteht frühestens
mit Inkrafttreten wirksamer Satzung
So seien die Beitragsansprüche nicht infolge Festsetzungsverjährung, die nach dem KAG für alle kommunalen Abgaben und damit auch für Anschlussbeiträge vier Jahre beträgt, erloschen. Die Beitragspflicht entstehe, sobald das Grundstück an die Einrichtung angeschlossen werden kann, frühestens aber mit dem Inkrafttreten der ersten wirksamen Satzung. Damit konnte die Beitragspflicht trotz des in den 1990er Jahren erfolgten Anschlusses der Grundstücke erst mit dem Inkrafttreten der Abwasserbeitragssatzung vom 23. Juni 2017 entstehen, stellt das Gericht fest.
Frühere Satzungen über Abwasserbeiträge seien alle unwirksam gewesen, weil die darin normierten Tiefenbegrenzungen nicht auf einer ordnungsgemäßen Ermittlung der ortsüblichen Bebauungstiefe im Verbandsgebiet beruhten und die Flächenseiten der Beitragskalkulationen fehlerhaft gewesen sei. Die Möglichkeit der Beitragserhebung habe sich weder „verflüchtigt“, noch verstoße sie gegen den verfassungsrechtlichen Grundsatz des Vertrauensschutzes, schreibt das Verwaltungsgericht.
Erschließungsverträge stehen
Beitragserhebung nicht entgegen
Wie das Gericht feststellt, stehen die von der Rechtsvorgängerin des Antragstellers, einer GmbH, mit der Stadt Marlow geschlossenen beiden Erschließungsverträge aus dem Jahr 1994 der Beitragserhebung nicht entgegen. Zwar sei vereinbart worden, dass „die Stadt auf die Erhebung von Erschließungsabgaben für die erstmalige Herstellung der Erschließungsanlagen bei den jetzigen oder späteren Eigentümern nach Abschluss der von dem (Vorhaben- und) Erschließungsträger nach diesem Vertrag durchzuführenden Maßnahmen“ verzichte. Diese Vereinbarungen sind dem Gericht zufolge für den Verband aber nicht bindend, zumal sie im Hinblick auf die Erhebung von Anschlussbeiträgen unwirksam seien.
Abwasserbeseitigungspflicht auf
Zweckverband übergegangen
So sei die Stadt Marlow bereits seit der Verbandsgründung im Jahre 1991 Gründungsmitglied des Abwasserzweckverbandes Marlow-Bad Sülze gewesen. Damit sei die ihr nach dem Landeswassergesetz Mecklenburg-Vorpommerns (LWaG) grundsätzlich obliegende Abwasserbeseitigungspflicht auf den Zweckverband übergegangen, womit die Stadt Marlow nicht mehr für die Abwasserbeseitigung zuständig sei. Als Folge davon konnte sie im Jahr 1994 ohne Zustimmung des Zweckverbandes keine Vereinbarungen mit Dritten wie der GmbH über die Herstellung oder Finanzierung von Abwasseranlagen oder Teilen davon treffen, stellt das Gericht fest. „Es liegt ein Fall der rechtlichen Unmöglichkeit vor“, heißt es in dem Beschluss. Solche Vereinbarungen seien für den Zweckverband nicht bindend.
Etwas anderes folge auch nicht aus dem Umstand, dass der Zweckverband im Hinblick auf die in den Erschließungsgebieten gelegenen Anlagenteile Rechtsnachfolger der Stadt Marlow sei. Insbesondere sei es nicht so, dass, wie der Antragsteller vorbringe, dass der Zweckverband die in den Erschließungsgebieten gelegenen Anlagenteile „mit den Erlassvereinbarungen belastet“ übernommen habe und daran gebunden sei. Dies wäre nur dann der Fall, wenn die Stadt Marlow erst nach dem Abschluss der Erschließungsverträge Verbandsmitglied geworden wäre. Das sei aber nicht der Fall.
Antragsteller kann sich auch nicht
auf Baugesetzbuch berufen
Auch soweit sich der Antragsteller zum Beleg seiner gegenteiligen Auffassung auf die zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses geltende Bestimmung des § 124 Abs. 2 Baugesetzbuch a.F. (BauGB a.F.) berufe, kann dem nach Auffassung des Gerichts nicht gefolgt werden. Zwar bestimme die Vorschrift, dass Gegenstand des Erschließungsvertrages nach Bundes- oder nach Landesrecht beitragsfähige sowie nicht beitragsfähige Erschließungsanlagen in einem bestimmten Erschließungsgebiet der Gemeinde sein können. Die Vorschrift setze aber voraus, dass die Gemeinde für die Herstellung der von der Vorschrift erfassten Erschließungsanlagen zuständig ist, was vor allem in § 123 Abs. 1 BauGB zum Ausdruck komme
„Andernfalls könnte die Gemeinde
das Abwasserbeseitigungskonzept des Zweckverbandes konterkarieren“
Danach ist die Erschließung Aufgabe der Gemeinde, soweit sie nicht nach anderen gesetzlichen Vorschriften oder öffentlich-rechtlichen Verpflichtungen einem anderen obliegt. Ist die Gemeinde für den Bereich der Abwasserbeseitigung nicht mehr zuständig, weil sie die Zuständigkeit auf einen Zweckverband übertragen hat, kann sie einen Erschließungsvertrag, der auch die Herstellung von Anlagen zur Abwasserbeseitigung umfasst, nur unter Beteiligung des insoweit zuständigen Zweckverbandes schließen, erläutert das Gericht. Andernfalls könnte die Mitgliedsgemeinde das Abwasserbeseitigungskonzept des Zweckverbandes und dessen Finanzplanung jederzeit konterkarieren, gibt das Gericht in seinem Beschluss zu bedenken.