Dem Beschluss zufolge ist eine Maßstabsregelung für den unbeplanten Innenbereich, die auf die Zahl der tatsächlich vorhandenen Vollgeschosse bzw. bei unbebauten Grundstücken auf die Zahl der in der näheren Umgebung überwiegend vorhandenen Vollgeschosse abstellt, rechtlich vertretbar. Soweit in anderen Beitragssatzungen für die Fälle des § 34 BauGB, der die Zulässigkeit von Vorhaben innerhalb der im Zusammenhang bebauten Ortsteile regelt, auf das höchstzulässige Maß der baulichen Nutzung abgestellt wird, wäre auch das eine rechtlich vertretbare Satzungsregelung. Der Ortsgesetzgeber könne sich frei für die eine oder die andere vertretbare Lösung entscheiden.
Eigentümer beruft sich auf Festsetzungsverjährung
Im August 2010 zog der beklagte Zweckverband Wismar den klagenden Grundstückseigentümer zu einem Anschaffungs- und Herstellungsbeitrag für die Schmutzwasserentsorgung für das Grundstück in Höhe von 1.550 € auf Grundlage eines Beitragssatzes von 3,10 €/m² heran, heißt es in dem Beschluss zum Sachverhalt. Dagegen erhob der Eigentümer Klage unter anderem mit der Begründung, zum Zeitpunkt der Festsetzung des Beitrages sei Festsetzungsverjährung eingetreten gewesen. Die Beitragssatzung des beklagten Verbandes vom 22. Dezember 1995 komme als „erste“ Abgabensatzung im Sinne des Kommunalabgabengesetzes Mecklenburg-Vorpommern (KAG M-V) in Betracht. Auch die Beitragssatzungen vom 1. März 1992 und vom 1. Juli 1993 bildeten eine wirksame Ermächtigungsgrundlage. Auch bestünden Zweifel an der wirksamen Beschlussfassung über die Beitragssatzung in der Fassung vom 3. März 2010 (BSSW 2010).
Beitragsanspruch nicht verjährt
Das Verwaltungsgericht Schwerin wies die Klage ab (Aktenzeichen: 8 A 594/11 vom 15.03.2012). Weder die Verbandssatzung des Zweckverbandes hinsichtlich der Weisungsrechte an die Mitglieder der Verbandsversammlung und der Veröffentlichungsbestimmung noch die Abgabensatzung, die den angegriffenen Beitragsbescheiden zugrunde liegt, seien in formeller und materieller Hinsicht zu beanstanden. Dem Beitragsanspruch stehe weder das BauGB entgegen, noch sei er verjährt oder verwirkt. Den angegriffenen Bescheiden selbst hafteten keine Fehler an.
Im Übrigen komme es im vorliegenden Fall auch deshalb nicht darauf an, ob der Zweckverband mit Wirkung für die Vergangenheit rechtswirksam gegründet worden sei, weil es vorliegend um Bescheide aus dem Jahre 2010 gehe. Die danach beschlossene Verbandssatzung vom 26. Januar 1999 sei in der Ostsee-Zeitung veröffentlicht worden.
Ortgesetzgeberisches Ermessen gewahrt
Das OVG hat den Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil abgelehnt. Der beklagte Verband habe bei der Wahl seines Beitragsmaßstabes ein ortgesetzgeberisches Ermessen. Dieses sei im vorliegenden Fall gewahrt. Zur Ermittlung der Vollgeschosszahl werde im Rahmen der Beitragssatzung in der Fassung vom 3. März 2010 (BSSW 2010) vorrangig auf den Bebauungsplan abgestellt, hilfsweise auf die höchstzulässige Höhe der baulichen Anlagen oder auf die Baumassenzahl.
Beitragsmaßstab vollständig und nicht willkürlich
Die Satzung enthalte aber noch weitere Ziffern, die letztlich dazu dienten, den entscheidenden Nutzungsfaktor, d. h. die Zahl der Vollgeschosse, zu ermitteln. So werde als Auffangregelung normiert, dass – wenn weder die Zahl der Vollgeschosse, noch die höchstzulässige Gebäudehöhe noch die höchstzulässige Baumassenzahl angegeben wird – auf einen in diesen Ausnahmefällen „gröberen“ Maßstab zurückzugreifen ist. In einem solchen Fall soll die Zahl der Vollgeschosse bei bebauten Grundstücken nach den tatsächlich vorhandenen Vollgeschossen bestimmt werden und bei unbebauten Grundstücken nach der Zahl der in der näheren Umgebung überwiegend vorhanden Vollgeschosse. Diese Auffangregelung führt dem OVG zufolge dazu, dass von einer Maßstabslücke nicht die Rede sein könne. Der Beitragsmaßstab sei damit vollständig. Der vorliegende Maßstab sei hinreichend vorteilsgerecht und nicht willkürlich.
Willkürliche Ungleichbehandlung liegt nicht vor
Auch eine willkürliche Ungleichbehandlung enthält die Maßstabsregelung dem OVG zufolge nicht. Es sei zwangsläufig, dass die Regelungen durch einen weiteren Maßstab für die Bereiche des ungeplanten Innenbereiches nach § 34 BauGB bzw. für Bereiche eines einfachen Bebauungsplanes, der gerade wesentliche Festsetzungen nicht enthält, zu ergänzen sind.
Wegen der Natur der Sache, d. h. der unterschiedlichen baurechtlichen Regelungstiefen, müsse der Satzungsgeber einer Abgabensatzung an diese bestehenden Ungleichheiten anknüpfen und versuchen, eine vorteilsgerechte Veranlagung auch in den Fällen des § 34 BauGB oder eines einfachen Bebauungsplans entsprechend der dortigen örtlichen Verhältnissen zu ermöglichen. Das habe der Satzungsgeber im vorliegenden Fall auch hinreichend getan. Die Satzungsregelungen führen nicht zu einer willkürlichen Veranlagung.
Der in der BSSW 2010 enthaltenen Maßstab sei auch im Übrigen nicht zu beanstanden. Zudem bestehe in unbeplanten Innenbereichen ein nicht in gleicher Weise gesicherter und auf Planungsrecht fußender Dauervorteil wie in einem Bebauungsplan. Daher sei es durchaus sachgerecht, wenn die Veranlagung im unbeplanten Innenbereich tendenziell etwas niedriger ausfalle.
Ortsgesetzgeber kann sich frei für eine Lösung entscheiden
Zulässigerweise werde auf die Zahl der tatsächlich vorhandenen Vollgeschosse bzw. - bei unbebauten Grundstücken - auf die Zahl der in der näheren Umgebung überwiegend vorhandenen Vollgeschosse abgestellt. Auch gegen diese Regelung für die unbebauten Grundstücke sei rechtlich nichts einzuwenden, weil die Zahl der überwiegend vorhandenen Vollgeschosse sich jedenfalls in dem nach § 34 BauGB vorgegebenen Rahmen halte. Soweit in anderen Beitragssatzungen für die Fälle des § 34 BauGB auf das höchstzulässige Maß der baulichen Nutzung abgestellt werde, wäre auch das eine rechtlich vertretbare Satzungsregelung, heißt es in dem Beschluss.
Zum einen sei der Ortsgesetzgeber frei, sich für die eine oder die andere vertretbare Lösung zu entscheiden. Zum anderen dürften beide Satzungsregelungen in der Regel zu dem gleichen Ergebnis gelangen. In vielen Fällen wird die überwiegend vorhandene Vollgeschosszahl auch die höchstzulässige Vollgeschosszahl sein, stellt das OVG fest.
Beitragssatzung von 2010 ist erste wirksame Satzung
Des Weiteren folgt das OVG der Auffassung des Verwaltungsgerichts, dass die BSSW 2010 die erste wirksame Beitragssatzung des Zweckverbandes ist. Erst diese Satzung habe das Entstehen der sachlichen Beitragspflicht auslösen können. So sei die Satzung vom 1. März 1992 sowohl unwirksam veröffentlicht worden, da der Wismarer Kreisanzeiger sei lediglich für den Landkreis Wismar das amtliche öffentliche Organ sei, als auch materiell-rechtlich wegen des pauschalen Anschlussbeitrages unwirksam. Diese Beitrags- und Gebührensatzung über die Höhe der Beiträge, Gebühren und Preise in der Trinkwasserver- und Abwasserentsorgung im Verbandsgebiet differenziere bereits in ihrem Vorspann nicht deutlich, ob es sich um einen öffentlich-rechtlichen Beitrag oder einen privatrechtlichen Baukostenzuschuss handeln soll, stellt das OVG fest.
Die Satzung vom 22. Dezember 1993 sei unter anderem deshalb unwirksam, da sie, weil sie einen pauschalen Anschlusskostenbeitrag von 3.000 DM vorsieht, und die Beitragssatzung vom 20. Dezember 1995 enthalte einen unwirksamen Außenbereichsmaßstab.