Bei einer Ablesung Ende 2008 stellte der beklagte Zweckverband fest, dass eine Wasser-Eigenversorgungsanlage des klagenden Eigentümers mit dem Hausnetz verbunden war, heißt es in dem Beschluss zum Sachverhalt. Der Verband ordnete an, dass die Anlage innerhalb eines Monats vom Hausnetz zu trennen sei, was auch erfolgte.
Mit einem Bescheid vom 26. Januar 2009 setzte der Zweckverband zunächst wegen der Inanspruchnahme der zentralen Schmutzwasserentsorgung für das Jahr 2008 Schmutzwasser-mengengebühren nach dem Stand des Frischwasserzählers fest: für 9 Kubikmeter 25,20 Euro. Darüber hinaus verlangte der Wasserversorger wegen der Inanspruchnahme der zentralen Schmutzwasserentsorgung in der Zeit von 2006 bis 2008 noch zusätzliche Schmutzwassermengengebühren von insgesamt 330,40 Euro auf Basis einer Schätzung.
Den dagegen erhobenen Widerspruch wies der Zweckverband im März 2009 zurück. Der Kläger habe mit seiner Eigenversorgungsanlage Sozialeinrichtungen des Hauses mit Wasser versorgt und damit Abwasser ungemessen dem zentralen Abwasserkanal zugeführt. Es erfolge eine rückwirkende Festsetzung von Abwassergebühren. Berücksichtigt worden sei das durchschnittliche Abwasseraufkommen für einen Zwei-Personen-Haushalt von 60 Kubikmeter pro Jahr.
Bescheid von Verwaltungsgericht aufgehoben
Mit Urteil vom 10. Oktober 2012 hat das Verwaltungsgericht Frankfurt (Oder) den Gebührenbescheid hinsichtlich der für 2006 bis 2008 zusätzlich festgesetzten Abwassergebühren von 330,40 Euro aufgehoben. Es könne nicht mit hinreichender Sicherheit festgestellt werden, dass der Kläger Wasser aus der Regenwasser-/Schichtenwasserzisterne in sein Haus - und damit in die Abwasseranlage - geleitet habe, argumentierte das Verwaltungsgericht. Der Kläger behaupte, die Verbindung der häuslichen Wasseranlage mit der Eigenversorgungsanlage habe dazu gedient, im Sommer auch außen Wasser aus der öffentlichen Wasserversorgungsanlage nutzen zu können. Ein Rückschlagventil habe eine umgekehrte Fließrichtung verhindert. Darüber gebe es aber gegenteilige Angaben des Klägers und eines Mitarbeiters des Versorgers. Eine eindeutige Feststellung sei vorliegend nicht möglich. Das gehe zu Lasten des Versorgers, der die Beweislast für die gebührenpflichtige Einleitung von Abwasser trage, so das Verwaltungsgericht.
Der Zweckverband argumentierte, die Klage sei unbegründet. Er habe erstmals im November 2008 eine nicht angemeldete Eigenversorgungsanlage des Klägers auf dessen Grundstück bemerkt, die hinter dem Wasserzähler mit der Hauswasseranlage verbunden gewesen sei. Nachfolgend habe der Kläger die Verbindung ohne Dokumentation zurückgebaut. Für die Existenz des vom Kläger behaupteten Rückschlagventils gebe es keine Belege. Schon angesichts dieser Umstände sei die Beweislastentscheidung des Verwaltungsgerichts unzutreffend gewesen.
OVG: „Nachberechnete“ Gebühren nicht zu beanstanden
Das OVG Berlin-Brandenburg hat das Urteil des Verwaltungsgerichts abgeändert und die Klage abgewiesen. Die „nachberechneten“, auf der Grundlage einer Mengenschätzung zusätzlich festgesetzten Schmutzwassergebühren für die Zeit von 2006 bis 2008 seien rechtlich nicht zu beanstanden. Zu Unrecht habe das Verwaltungsgericht angenommen, es gehe zu Lasten des Versorgers, dass sich der von diesem angenommene zusätzliche Umfang der Inanspruchnahme der öffentlichen Schmutzwasserentsorgung nicht beweisen lasse.
Allein der Umfang der Inanspruchnahme strittig
Zwar trage der Versorger die materielle Beweislast für die Erfüllung des Gebührentatbestandes. Im vorliegenden Fall sei aber allein der Umfang der Inanspruchnahme strittig. Damit könne nicht gleichsam direkt auf allgemeine Beweislastregeln zurückgegriffen werden, stellt das OVG fest. Vielmehr bildeten die satzungsrechtlichen Regelungen zum modifizierten Frischwassermaßstab und die in diesem Rahmen vorgesehene Beweislastverteilung den Ausgangspunkt der rechtlichen Bewertung.
Mit dem modifizierten Frischwassermaßstab treffe der Satzungsgeber dem OVG zufolge aus Gründen der Verwaltungsvereinfachung und -praktikabilität eine typisierende Regelung, die von der Überlegung getragen sei, dass die Menge des auf dem Grundstück bezogenen Frischwassers geeignet ist, den Umfang der Inanspruchnahme der Schmutzwasserentsorgung im Sinne eines hinreichenden Wahrscheinlichkeitsmaßstabes angemessen abzubilden. Der modifizierte Frischwassermaßstab sei prinzipiell zulässig.
Was hinter dem Wasserzähler passiert, geht zu Lasten des Grundstückseigentümers
Allerdings müsse die Gebührensatzung die Möglichkeit vorsehen, Wassermengen abzusetzen, die nachweisbar in erheblichem Umfang nicht in die Kanalisation eingeleitet worden sind. Die Frage, welche Beweisanforderungen insoweit satzungsmäßig im Einzelnen gestellt werden dürfen, sei letztlich in Abwägung der erhebungstechnischen Vorteile einer möglichst weitgehenden Gebührenbemessung nach dem Frischwasserbezug mit den Interessen des Grundstückseigentümers an einer möglichst „gerechten“ Erfassung seiner tatsächlichen Entsorgungsmenge zu beantworten. „Dabei geht zu Lasten des Grundstückseigentümers, dass das, was auf seinem Grundstück hinter dem Wasserzähler passiert, in seiner Sphäre liegt“, heißt es in dem Beschluss.
Vor diesem Hintergrund ist dem OVG zufolge festzustellen, dass die Schmutzwassermengengebühr nach der Schmutzwassermenge berechnet wird, die im Erhebungszeitraum in die Abwasserentsorgungsanlage gelangt. Als „in die Abwasserentsorgungsanlage gelangt“ gelte auch die in einer Eigenversorgungsanlage auf dem Grundstück gewonnene Wassermenge, die der Gebührenpflichtige innerhalb von zwei Monaten nach Ablauf des Kalenderjahres anzuzeigen und durch einen geeichten Mengenzähler nachzuweisen habe.
Zweckverband kann Wassermenge schätzen
Der Zweckverband könne darauf auch verzichten und stattdessen nachprüfbare Unterlagen verlangen. Er sei berechtigt, die Wassermenge zu schätzen, wenn diese auf andere Weise nicht ermittelt werden kann. Da die gewonnene Wassermenge ebenso wie die aus der öffentlichen Trinkwasserversorgung bezogene Wassermenge als in die öffentliche Abwasseranlage gelangt „gilt“, werde auch sie der Schmutzwassergebührenbemessung zu Grunde gelegt, stellt das OVG fest. Allerdings gelte für beide Wassermengen gleichermaßen, dass bei der Gebührenbemessung auf Antrag die Wassermengen abgezogen werden, die nachweislich nicht in die öffentliche Abwasserentsorgungsanlage gelangt sind, soweit sie durch eine geeichte Wassermengenmessung nachgewiesen werden. Der Antrag sei ebenfalls innerhalb von zwei Monaten nach Ablauf des Kalenderjahres zu stellen.
Gibt es auf einem Grundstück - wie üblich - eine häusliche Wasserleitungsanlage und daneben eine eigene Wassergewinnungsanlage, die klar von der häuslichen Wasserleitungsanlage und damit der Abwasserkanalisation getrennt ist, so mag es dem OVG zufolge unter Umständen überzogen sein, vom Grundstückseigentümer zu verlangen, die in seiner Wassergewinnungsanlage gewonnene Wassermenge durch einen geeichten Zähler zu messen und das Messergebnis binnen zwei Monaten nach Ende des Kalenderjahres anzuzeigen. In derartigen Fällen mag es aus Verhältnismäßigkeitsgründen möglicherweise naheliegen, das Wasser aus der eigenen Wassergewinnungsanlage bei der Schmutzwassergebührenbemessung von vornherein auszublenden, ohne erst die Installation einer Messeinrichtung zu verlangen, heißt es in dem Beschluss.
Keine klare Anlagentrennung
Anders liegt es dem OVG zufolge aber, wenn keine klare Anlagentrennung vorliegt, sondern es infolge einer leitungsmäßigen Verbindung möglich ist, dass Wasser aus der eigenen Wassergewinnungsanlage über eine leitungsmäßige Verbindung zu häuslichen Verbrauchsstellen in die Kanalisation gelangt. In diesem Fall könne die Satzung nur so verstanden werden, dass der Grundstückseigentümer sich entweder an die satzungsrechtlich geregelten Vorgaben halten oder den Nachweis einer klaren Trennung der eigenen Wassergewinnungsanlage von der öffentlichen Abwasseranlage führen muss. Andernfalls müsse er sich zumindest gefallen lassen, dass der Zweckverband schätzt, wieviel Wasser aus der Eigenversorgungsanlage in die Kanalisation gelangt ist.
Das sei hier der Fall. Ohne Zweifel habe es eine leitungsmäßige Verbindung der Wassergewinnungsanlage des Klägers mit dem häuslichen Wasserleitungsnetz und damit - über die Verbrauchsstellen im Haus - auch mit der Kanalisation gegeben. Dabei stehe Aussage gegen Aussage, was die „Trennung“ durch ein Rückschlagventil angeht, das nach Angaben des Klägers nur einen Wasserfluss aus dem Haus heraus, nicht aber in das Haus hinein ermöglicht haben soll. Hier hat es der Kläger es nach Auffassung des OVG versäumt, Klarheit zu schaffen. Er habe die Verbindung nicht einmal von sich aus angezeigt. Das gehe zu seinen Lasten, stellt das OVG fest.