Anlass ist eine für September 2019 anberaumte Sitzung der Steuerabteilungsleiter der Finanzministerien von Bund und Ländern, die darüber entscheiden, ob privatrechtliche Abwasserpreise künftig nach § 2b des Umsatzsteuergesetzes (UStG) umsatzsteuerpflichtig sind.
Im schwarz-roten Koalitionsvertrag sei ausdrücklich vereinbart, dass es nicht zu einer Erhöhung der Steuerbelastung der Bürgerinnen und Bürger kommen soll, betont die AöW in einem Schreiben an Scholz. Eine Umsatzsteuer auf Abwasserpreise würde durch die Hintertür genau dies bewirken. Die Bürgerinnen und Bürger würden diese indirekte Steuerbelastung allerdings nicht als solche wahrnehmen und die dadurch resultierende Erhöhung des Abwasserpreises in der Verantwortung der jeweiligen Unternehmen und Betriebe sehen sowie Kommunen und Gemeinden zuschreiben. „Wir erachten dies als politisch nicht vertretbar“, so die Interessenvertretung der öffentlichen Wasserwirtschaft.
Die AöW weist darauf hin, dass die Tätigkeit der Abwasserbeseitigung laut Wasserhaushaltsgesetz (WHG) juristischen Personen des öffentlichen Rechts (jPöR) vorbehalten ist. Zudem gebe es für die Schmutzwasserbeseitigung einen Anschluss- und Benutzungszwang. Insoweit bestehe zu den Nutzern eine rechtliche Grundlage, die im Rahmen der „öffentlichen Gewalt“ im Sinne des § 2b S. 1 UStG erfolgt. Dies sei auch die Position der Finanzministerkonferenz am 22. Juni 2017 gewesen, ohne dass es auf die Entgeltbeziehung ankam.
Fehlt bei privatrechtlichen Entgeltbeziehungen eine öffentlich-rechtliche Grundlage?
Das Thema sei wieder unter dem Aspekt aufgegriffen worden, dass bei privatrechtlichen Entgeltbeziehungen die Voraussetzung des § 2b UStG über eine öffentlich-rechtliche Grundlage fehle. Aus rein umsatzsteuerrechtlichen, formalen Gründen der Entgeltbeziehung würden Nutzerinnen und Nutzer für dieselbe Tätigkeit letztlich unterschiedlich belastet. Zur Rechtfertigung der unterschiedlichen Belastung der gleichen Tätigkeit „öffentliche Gewalt“ reiche die Begründung mit der Entgeltbeziehung jedenfalls nicht aus, unterstreicht die AöW.
Die Abwasserentsorgung ist öffentliche Daseinsvorsorge und dient den Bürgerinnen und Bürgern, stellt die AöW fest. Klimawandel, demografische Entwicklung, Digitalisierung und die zukünftige personelle und finanzielle Ausstattung forderten von der öffentlichen Abwasserwirtschaft besondere Anstrengungen, die in der Verantwortung der kommunalen Betriebe und Verbände vor Ort lägen. Sie erbrächten damit auch einen wichtigen Beitrag zu gleichwertigen Lebensverhältnissen. Dabei hätten die jPöR im Rahmen der Landesgesetze ein Wahlrecht, welche Organisationsform sie für eine Tätigkeit wählen und wie die Entgeltbeziehung zum Nutzer ausgestaltet ist. Eine Umsatzsteuerpflicht auf Abwasserpreise schränke dieses Wahlrecht ein. Insofern würde dies auch tief in das kommunale Selbstverwaltungsrecht eingreifen und die bewährten vielfältigen Strukturen der Abwasserwirtschaft und womöglich auch anderer Bereiche der kommunalen Daseinsvorsorge nachteilig treffen, warnt die AöW.