Für erweiterte Straßenentwässerung sind Ausbaubeiträge zu entrichten


Die Klägerin wandte sich gegen ihre Heranziehung zu einem Erschließungsbeitrag für die erstmalige Herstellung der Straße Lüttmoor in der Gemeinde Nahe, heißt es seitens des Gerichts zum Sachverhalt. Sie ist Eigentümerin eines Grundstücks an der Straße, das die Gemeinde an die Voreigentümer veräußert hatte. Im Kaufvertrag heißt es, dass im Kaufpreis von 26 DM pro m² die Erschließungskosten mit Ausnahme der Ansiedlungskosten enthalten sind.


Die Straße Lüttmohr sei wohl in den 1950er Jahren als Wirtschaftsweg mit Asphaltdecke angelegt worden, so das Gericht. Gehwege, Entwässerung oder Beleuchtung seien nicht vorhanden gewesen. In dem 1984 beschlossenen Bebauungsplan sind die Grundstücke in dem Bereich als Baugebiete ausgewiesen; In diesem Zusammenhang wurden 1983 ein auch der Entwässerung der Straße dienender Regenwasserkanal sowie eine Straßenbeleuchtung hergestellt.


Im Jahr 2014 führte die Gemeinde aufgrund eines Beschlusses vom 08.05.2014 die von ihr sogenannte „Resterschließung“ der Straße Lüttmoor zwischen Stubbenbornweg und Klärwerk durch und schuf dabei erstmalig auf der Nordseite der Straße einen Gehweg. Darüber hinaus entfernte sie die bisherige vorhandene Fahrbahn und ersetzte diese durch einen frostsicheren Unterbau und eine gepflasterte Oberfläche. Im Juli 2015 wurde die Straße gewidmet.


Amt verlangt im Jahr 2016 Erschließungsbeitrag


Im November 2016 zog das beklagte Amt die Eigentümerin zu einem Erschließungsbeitrag in Höhe von 11.937 Euro heran. Mit der Fahrbahn und dem Gehweg auf der Nordseite seien nunmehr alle nach der Erschließungsbeitragssatzung der Gemeinde Nahe erforderlichen Merkmale der endgültigen Herstellung vorhanden, so dass das Teilstück der Straße Lüttmoor ab Stubbenbornweg bis zum Klärwerk jetzt als im Sinne des Baugesetzbuches (BauGB) erstmalig endgültig hergestellt gelte. Gleichzeitig liege eine Verbesserung der Straßenentwässerung vor; für die Straßenausbaubeiträge erhoben würden. Die sachliche Beitragspflicht für die Erschließungsmaßnahme sei mit Rechtskraft der Widmung am 15.08.2015 entstanden. In den umlagefähigen Erschließungsaufwand bezog die Gemeinde neben den Kosten für Fahrbahn und Gehweg auch die 1983 entstandenen Kosten der erstmaligen Herstellung der Regenentwässerungsleitung ein.


Klägerin: Grundstück wurde erschlossen verkauft


Gegen diesen Bescheid legte die Klägerin Widerspruch mit der Begründung ein, die Voreigentümer hätten das Grundstück erschlossen von der Gemeinde gekauft.  Das beklagte Amt wies den Widerspruch mit Bescheid vom 30.11.2016 zurück und führte aus, seinerzeit sei lediglich die leitungsmäßige Erschließung des Grundstücks im Kaufpreis enthalten gewesen. Damit sei seitens der Gemeinde zugesichert worden, dass keine grundstücksbezogenen Anschlussbeiträge für die Wasserver- und die Abwasserentsorgung des Grundstücks mehr erhoben werden würden. Eine doppelte Erhebung von Erschließungsbeiträgen liege nicht vor.


Eigentümerin verweist auf Lkw-Verkehr zum Klärwerk


Daraufhin erhob die Eigentümerin Ende 2016 Klage. Sie bestritt, dass der westliche Teil der Straße Lüttmoor früher ein reiner Wirtschaftsweg gewesen sei. Die Bebauung der Straße habe schon in den 1950er Jahren begonnen. Die Straße sei von Lkw benutzt worden, die das Klärwerk anfuhren. Bei Abschluss des Kaufvertrages im Jahre 1971 hätten die Käufer davon ausgehen dürfen, dass es sich bei der Straße Lüttmoor um eine Erschließungsanlage handele. Müsse sie als Eigentümerin den Erschließungsbeitrag zahlen, würden die Kosten für die Erschließungsmaßnahme doppelt in Ansatz gebracht werden, so die Klägerin.


Gemeinde: Bestimmung für Bebauung erst zehn Jahre später


Die Gemeinde entgegnete, erst mit der Aufstellung des Bebauungsplanes im Jahre 1981 sei die Straße vollständig für eine Bebauung bestimmt gewesen, also erst etwa zehn Jahre nach der Veräußerung des Grundstückes an die Vorgänger der Klägerin. Die Veräußerung dieses Grundstückes und zweier weiterer am westlichen Ende der Straße Lüttmoor habe nach einem Beschluss der Gemeindevertretung zur Finanzierung von geplanten Investitionen im östlichen Teil der Straße Lüttmoor sowie in weiteren Straßen dienen sollen. Die Herstellung der Erschließungsanlage im westlichen Teil der Straße Lüttmoor sei zu dieser Zeit weder geplant noch in Aussicht gestellt worden.


Auch von einer weitergehenden Bebauung sei noch keine Rede gewesen. Um die Bebauung der drei Grundstücke zu ermöglichen, habe die grundstücksbezogene leitungsmäßige Erschließung mit Wasser und Abwasser zügig gesichert werden müssen, dafür seien die im Vertrag genannten Erschließungskosten - und nicht Erschließungsbeiträge - gedacht gewesen. Hätte der Kaufpreis auch die verkehrliche Erschließung umfassen sollen, wäre er insgesamt auch erheblich zu niedrig gewesen, brachte die Gemeinde vor.


Gericht: Straße erst 2014 endgültig hergestellt


Auch das Verwaltungsgericht sieht den Beitragsbescheid als rechtmäßig an. Die Gemeinde habe zu Recht Erschließungsbeitragsrecht angewandt, denn die Straße Lüttmoor sei mit den abgerechneten Maßnahmen im Jahr 2014 erstmalig endgültig hergestellt worden. Vorher habe sie zu keinem Zeitpunkt den Anforderungen an eine „fertige“ Straße entsprochen. 

Vor Inkrafttreten des Bundesbaugesetzes im Jahr 1961 handelte es sich zum einen noch nicht um eine zum Anbau bestimmte Straße, zum anderen fehlten die auch nach dem preußischen Anliegerbeitragsrecht erforderlichen Mindestvoraussetzungen für fertig gestellte Ortsstraßen, nämlich Entwässerung und Beleuchtung, heißt es in dem Urteil.


„Noch nicht alle Merkmale einer endgültig hergestellten Straße“


Die seit 1963 ergangenen Erschließungsbeitragssatzungen der Gemeinde hätten ebenfalls als Merkmale der endgültigen Herstellung eine Straßenentwässerung und -beleuchtung vorgesehen. Diese seien dann erst 1983 hergestellt worden; zu diesem Zeitpunkt habe es sich auch bereits um eine zum Anbau bestimmte Straße gehandelt. Die damals gültige Erschließungsbeitragssatzung der Gemeinde von 1978 habe jedoch als Merkmal der endgültigen Herstellung auch beiderseitige Gehwege vorgesehen. So lagen dem Urteil zufolge – unabhängig von der Frage, ob bereits eine ausreichende Fahrbahn vorhanden war – schon aufgrund der fehlenden Gehwege auch nach Herstellung von Entwässerung und Beleuchtung noch nicht alle Merkmale einer endgültig hergestellten Straße vor.


Sachliche Beitragspflicht entstand Ende 2015


Damit sei die Straße Lüttmoor erst mit den 2014 durchgeführten Maßnahmen erstmalig endgültig hergestellt worden, heißt es in dem Urteil. Zu diesem Zeitpunkt seien erstmals alle erforderlichen Teileinrichtungen vorhanden gewesen. Zwar wurde nur ein einseitiger Gehweg hergestellt, dies reiche aber für eine endgültige Herstellung aus. Die sachliche Beitragspflicht sei mit dem Eingang der letzten Unternehmerrechnung - auf diesen Zeitpunkt sei im Erschließungsbeitragsrecht abzustellen – Ende 2015 entstanden. Die erforderliche Widmung der Straße habe vorgelegen.


Keine Bedenken gegen Höhe des Aufwands


Bedenken gegen die Höhe des in die Abrechnung einbezogenen Aufwandes hat das Gericht nicht. Die Gemeinde habe zu Recht nur die Kosten für die 1983 hergestellte Entwässerung in den Erschließungsaufwand einbezogen, denn die Teileinrichtung Straßenentwässerung war bereits mit den damaligen Arbeiten endgültig hergestellt. Die jetzt durchgeführten Maßnahmen an der Straßenentwässerung und -beleuchtung dienten daher der Verbesserung bzw. Erweiterung dieser Teileinrichtung, wofür Ausbaubeiträge nach dem Kommunalabgabengesetz (KAG) auch dann zu erheben sind, wenn die Straße insgesamt erst mit dem jetzigen Ausbau erstmalig endgültig hergestellt wurde.


Zudem sei grundsätzlich davon auszugehen, dass eine Fahrbahnbreite von nur 3 bis 3,50 Metern nur in wenig befahrenen Anliegerstraßen ohne Lkw-Verkehr ausreicht. Bei der Straße Lüttmoor sei aber aufgrund des am Ende gelegenen Klärwerks von einem nicht unerheblichen Lkw-Verkehr auszugehen.


Wann und wie der Ausbau erfolgen würde, war völlig unklar


Das Gericht gibt zudem zu bedenken, dass bereits der Flächennutzungsplan von 1969 eine beiderseitige Bebauung vorgesehen habe, so dass davon ausgegangen werden konnte, dass dort irgendwann einmal eine Erschließungsstraße mit hinreichender Fahrbahn, Beleuchtung und Entwässerung gebaut werden würde. Es habe aber in keiner Weise festgestanden, wann und in welcher Form dies geschehen würde. Damit war auch nicht feststellbar, wie hoch ein Erschließungsbeitrag sein würde, so dass dieser auch nicht wirtschaftlich vereinnahmt worden sein konnte. Die Gemeinde war daher dem Urteil zufolge nicht daran gehindert, einen Erschließungsbeitrag zu erheben. Eine bereits erfolgte wirtschaftliche Vereinnahmung des Erschließungsbeitrages habe dem nicht entgegen gestanden.