„Der digitale Zwilling ist ein echter Meilenstein auf dem Weg zu Wasser 4.0“, erklärte Prof. Paul-Uwe Thamsen, der das Fachgebiet Fluidsystemdynamik am Institut für Strömungsmechanik und Technische Akustik der TU Berlin leitet. In seiner Laborhalle auf dem Campus der Universität steht die Versuchsanlage einer Pumpstation, an der sein Team in verschiedenen Projekten digitale Möglichkeiten in Betrieb und Wartung, Datenanalysen und Vernetzung solcher Infrastrukturen erforschen.
Hitzeperioden und Starkregen machen den Abwassersystemen zu schaffen
„Allein Berlin ist in den vergangenen 20 Jahren um 300.000 Menschen gewachsen“, so Thamsen. „Lange Trocken- und Hitzeperioden nehmen zu, ebenso Starkregenereignisse. Das macht insbesondere unseren Abwassersystemen sehr zu schaffen.“ Geruchsbelästigungen aus dem Abwassernetz sind die Folge, Einbauteile korrodieren, Starkregenfälle überlasten das Kanalnetz, was dazu führt, dass die Mischwasserkanäle mit Oberflächen- und Abwässern überlaufen und belastetes Abwasser freisetzen, skizziert die Hochschule aktuelle Herausforderungen im Kanalbetrieb.
Als Forschungspartner der TU Berlin habe die Siemens AG rund 500.000 Euro investiert, um die Pumpenversuchsanlage der TU-Forscher mit Technologie auszustatten, die die Anlage Schritt für Schritt um einen digitalen Anlagenzwilling erweitert, hieß es weiter. Schließlich sollen alle Informationen des Versuchsstandes in einer digitalen Umgebung vorliegen: Planungsunterlagen, technische Daten, Einstellparameter, Betriebs- und Wartungsinformationen bis hin zur Fehlerdiagnose mit selbstständiger Reaktion zur Fehlerbehebung.
Energetische Einsparungen für Berliner Wasserbetriebe interessant
Für die Berliner Wasserbetriebe als zweiten Forschungspartner sei ein weiterer Aspekt des digitalen Anlagenzwillings interessant, teilte die TU Berlin weiter mit. „Durch die intelligente Vernetzung von vorhandenen Wasser- und Abwasserrückhalteeinrichtungen und die vorausschauende Betriebsweise von Abwasserpumpstationen werden Niederschlagsereignisse besser beherrschbar und energetische Einsparungen gegenüber dem regulären Betrieb möglich“, so Thamsen. „Das kann auch den Bau neuer Anlagen ersparen, der oft mit Millionen-Investitionen verbunden ist. Die Digitalisierung des Systems unterstützt also eine effiziente und ökonomische Wasserwirtschaft.“
Gefahr von Verzopfungen sollen frühzeitig erkannt werden
In der Bekämpfung von Verzopfungen sieht die Hochschule einen weiteren Vorteil des digitalen Zwillings. Mit ihm könne man die Gefahr von Verzopfungen frühzeitig erkennen und Abwasserpumpen rückwärts laufen lassen, um sie zu reinigen, sagte Thamsen. „Alles in allem hilft uns die Digitalisierung, unsere Infrastrukturen optimal zu verstehen und zu nutzen“, betonte er.
Mit der neuen Versuchsanlage der „quasi realen Pumpstation“ plus dem digitalen Zwilling steht der TU Berlin eine experimentelle Grundausstattung zur Verfügung, an der zahlreiche innovative Lösungen für „intelligente Pumpstationen“ entwickelt werden. Diese können auf beliebige Abwassernetzstrukturen unterschiedlichster Städte angewandt werden, stellte die Hochschule in Aussicht.