In dem behandelten Fall wandte sich die klagende Grundstückseigentümerin gegen die Erhebung von Abwassergebühren durch die beklagte Stadt für das Abrechnungsjahr 2016, schreibt das Gericht zum Sachverhalt. Die kreisangehörige Stadt betreibt zwei selbstständige Entwässerungsanlagen für einen Ortsteil und für ihr übriges Gemeindegebiet. Dafür erhebt sie unter anderem Schmutzwassergebühren auf der Grundlage ihrer Abwasser-Abgabensatzung.
Für die Nutzung der Kläranlage für den Ortsteil erteilte der Wasserverband Dannenberg/Hitzacker der Stadt jährliche Rechnungen. Die an die Abwasserentsorgung GmbH und den Wasserverband Dannenberg/Hitzacker zu zahlenden Entgelte fließen in die jeweilige Kalkulation der durch die Stadt erhobenen Abwassergebühren ein. Auch für den Ortsteil erteilt der Wasserverband der Stadt jährliche Rechnungen. Die an die Abwasserentsorgung GmbH und den Wasserverband Dannenberg/Hitzacker zu zahlenden Entgelte fließen in die jeweilige Kalkulation der durch die Stadt erhobenen Abwassergebühren ein.
VG Lüneburg: Gebührenbescheid ist rechtswidrig
Das Verwaltungsgericht Lüneburg hat auf die Klage der Grundstückseigentümerin hin geurteilt, dass der Schmutzwassergebührenbescheid für das Jahr 2016 rechtswidrig ist, da er nicht auf einer den Anforderungen des im Kommunalabgabengesetzes (KAG) entsprechenden Gebührensatzung mit einem wirksam festgelegten Gebührensatz beruht. Denn dem vom Rat der Stadt für den Ortsteil beschlossenen Gebührensatz liege keine ordnungsgemäße Kalkulation zugrunde.
Nähere Aufschlüsselungen müssen verfügbar sein
Auf Grundlage der Anlage zur Beschlussvorlage hat der Rat am 10. Dezember 2015 die Änderung der Gebührensatzung beschlossen. Wie sich die in der Anlage aufgelisteten einzelnen Kostenpositionen weiter zusammensetzen und welchen Bezug sie zu tatsächlichen Abrechnungen der Abwasserentsorgung GmbH haben, insbesondere wie Kapitalkosten, Zinsen und kalkulatorische Abschreibungen konkret ermittelt worden sind, könne jedenfalls der Beschlussvorlage nicht entnommen werden, stellt das Gericht fest. Nähere Aufschlüsselungen der zentralen Positionen müssten aber entweder im Rechenwerk ausdrücklich enthalten oder aber auf Nachfrage ohne weiteres verfügbar sein.
Dem Protokoll der Ratssitzung vom 10. Dezember 2015 sei zwar zu entnehmen, dass der Bürgermeister in der Ratssitzung die Position „Korrektur Kapitalkostenrechnung“ erläutert hat, also offensichtlich eine in vorhergehenden Jahren fehlerhaft vorgenommene anteilige Verteilung der Kapitalkosten und Abschreibungen auf die beiden Entsorgungsgebiete. Der gewählte Schlüssel der Verteilung und Ausgangspunkt der Kapitalkosten und Abschreibungen sei jedoch weder der Anlage zur Beschlussvorlage noch dem Protokoll der Ratssitzung näher zu entnehmen, stellt das Gericht fest.
Entgegen der Auffassung der Stadt seien die Einzelpositionen der Gebührenkalkulation nicht deshalb der näheren inhaltlichen Überprüfung entzogen, weil die Stadt die Schmutzwasserbeseitigung nicht selbst durchführt, sondern hierfür Dritten Entgelte zahlt und diese Entgelte bzw. deren Einzelbestandteile als Kostenpositionen in die Gebührenkalkulation einstellt.
Körperschaften können sich den gebührenrechtlichen Anforderungen nicht entziehen
Der Ansatz privater Entgelte auf der Kostenseite der Gebührenkalkulation dürfe aber nicht ungeprüft in die Gebührenkalkulation übernommen werden, sondern sei am kostenbezogenen Erforderlichkeitsprinzip zu messen. Die Körperschaften könnten sich den gebührenrechtlichen Anforderungen, die bestehen würden, wenn sie selbst die öffentliche Aufgabe in Eigenregie ausführten, nicht dadurch entziehen, dass sie nicht ansatzfähige Kosten bei einem Dritten, dem Privatunternehmer, entstehen lassen und auf diesem Umweg dann doch in die Gebührenkalkulation einstellen. Es unterliege der gerichtlichen Überprüfung, ob die bei der Ermittlung der ansatzfähigen Kosten angestellten Wertungen und Prognosen auf begründeten Annahmen beruhen und der Satzungsgeber den ihm zustehenden Einschätzungsspielraum gewahrt hat.
Dies bedeutet dem Urteil zufolge, dass private Entgelte – ebenso wie sonstige Kosten der Gemeinde – nur eingestellt werden dürfen, soweit sie angemessen, erforderlich und vertretbar sind. Hiervon könne regelmäßig nur ausgegangen werden, wenn das Zustandekommen und die Höhe des Entgelts den gesetzlichen Vorschriften entsprechen.
Private Entgelte müssen angemessen, erforderlich und vertretbar sein
Insbesondere dann, wenn sich die Kommune zwar zur Erledigung der Aufgabe der Schmutzwasserbeseitigung in ihrem Gemeindegebiet eines Dritten bedient, aber gebührenrechtlich zwei selbständige öffentliche Einrichtungen betreibt, seien in der Kalkulation für die Schmutzwassergebühr die grundsätzlich als Fremdleistungen nach dem KAG gebührenpflichtigen Betriebsführungskosten für jede öffentliche Einrichtung separat auszuweisen und nachvollziehbar aufzuschlüsseln.
Dies gelte auch dann, wenn sich die Betriebsführung auf die Abwasserbeseitigung insgesamt, also auf den Betrieb beider öffentlichen Einrichtungen, erstreckt. Zwar ist es bei der Inanspruchnahme von Fremdleistungen im Allgemeinen üblich und zulässig, den in Rechnung gestellten Aufwand des Dritten nicht näher zu überprüfen, sondern pauschal in Ansatz zu bringen.
Nimmt die Kommune allerdings nicht Fremdleistungen eines sonstigen, mit ihr nicht verflochtenen Dritten, sondern eines unter ihrer vollständigen Kontrolle stehenden Tochterunternehmens in Anspruch, auf das sie die Wahrnehmung verschiedener öffentlicher Aufgaben übertragen hat, ist es dem Urteil zufolge erforderlich, dass die veranschlagten Kosten einrichtungsbezogen derart aufgeschlüsselt werden.
Kalkulation wird Anforderungen an Plausibilität nicht gerecht
Den Anforderungen an die Plausibilität der Kostenkalkulation beim Betrieb unterschiedlicher öffentlicher Einrichtungen durch den beauftragten Dritten wird die Gebührenkalkulation der Stadt nicht gerecht, stellt das Gericht fest. Die Klägerin habe konkrete Einwände gegen die Gebührenkalkulation erhoben, welche insbesondere die in der Ratsvorlage aufgeführte grundlegende Berechtigung als auch die Höhe der in der Kalkulation eingestellten Kapitalkosten sowie die Abgrenzung der Kosten für den Ortsteil von denen des übrigen Entsorgungsgebietes der Stadt betreffen.
Sachgerechte Umlageschlüssel erforderlich
Immer dann, wenn Anlagen oder Einrichtungen unterschiedlichen Teilleistungsbereichen dienen, sind die hierdurch angefallenen Kosten nach dem KAG nach den Grundsätzen der Kostenverursachung über sachgerechte Umlageschlüssel auf die jeweiligen Teilleistungsbereiche aufzuteilen Nachdem die Stadt ausweislich des Protokolls der Ratssitzung selbst eingeräumt habe, dass in der Vergangenheit von der Abwasserentsorgung GmbH über Jahre hinweg Abschreibungswerte für Altanlagen den Entsorgungsräumen fehlerhaft zugeordnet worden seien, was hinsichtlich des Ortsteils zu überhöhten Entgeltabrechnungen der Abwasserentsorgung GmbH geführt hatte, hätte zu einer ordnungsgemäßen Gebührenkalkulation ein Rechenwerk gehört, aus dem sich die Grundlagen der aktuellen Korrekturberechnung und die Kalkulation der den künftigen Rechnungen der Abwasserentsorgung GmbH als Kostenposition zugrundeliegenden Abschreibungen und Zinsen zumindest in den Grundzügen ergeben hätte.
Der Verwaltungsvorgang enthalte zur Frage der zwischen den Entsorgungsgebieten Stadt und Ortsteil gewählten Verteilung von Abschreibungen für gemeinsam genutzte Anlagen keinerlei Erläuterungen. Eine Herleitung der Höhe der in der Gebührenkalkulation veranschlagten Kapitalkosten (Abschreibungen und Zinsen) finde sich dort ebenfalls nicht. Es gebe keine Unterlagen, die nur ansatzweise darüber Aufschluss geben könnten, nach welcher Methode die Stadt die für den Gebührenzeitraum 2016 bis 2018 zu erwartenden einzelnen Kosten aus Fremdleistungsentgelten prognostiziert habe.
Da die Gebührenkalkulation bereits in einem erheblichen Teil fehlerhaft sei, kann dem Gericht zufolge offenbleiben, ob der festgesetzte Gebührensatz hinsichtlich der übrigen von der Klägerin gerügten Positionen, insbesondere der Höhe der Betriebsführungspauschale und der Höhe des an den Wasserverband voraussichtlich zu entrichtenden Entgeltes auf einer nachvollziehbaren Prognose beruht. Weder dem Verwaltungsvorgang noch dem Vortrag der Stadt im Prozess sei allerdings zu entnehmen, nach welcher Methode diese die künftig erwarteten Kosten geschätzt habe.