Die Labore würden verstärkt an fotokatalytischen Lösungen arbeiten, doch das Wissen über die Wirkprinzipien sei lückenhaft. Forschende um Prof. Angelika Brückner und Jabor Rabeah am LIKAT hätten deshalb Fotokatalysatoren gewissermaßen live bei der Arbeit beobachtet und Grundlagen ihrer Funktionsweise aufgeklärt.
Die Bereichsleiterin am LIKAT, Prof. Brückner, erklärte, dass dies der Entwicklung von Fotokatalysatoren für die Abwasserbehandlung neue Wege eröffne. Kollegen aus China seien an sie mit der Bitte um Kooperation herangetreten. In bevölkerungsreichen Regionen Asiens seien organische Verunreinigungen, etwa durch stabile Abbauprodukte von Medikamenten, ein dringliches Problem.
Die chinesischen Kollegen hätten neue Katalysatoren entwickelt und brauchten die Expertise des LIKAT für spezielle Untersuchungen, um ihre Katalysatoren optimal präparieren zu können. Prof. Brückner und ihr Team seien Spezialisten auf dem Gebiet der sogenannten In-situ-Spektroskopie. Damit könnten sie die Funktion eines Katalysators während der chemischen Reaktion (in situ) verfolgen und seine molekulare Wirkweise dokumentieren.
Carbonitrid statt Titanoxid
Gängige Fotokatalysatoren, wie Titandioxid, mit dem beispielsweise selbstreinigende Fensterscheiben beschichtet werden, um Schmutzpartikel zu zersetzen, arbeiteten am effektivsten mit energiereicher UV-Strahlung. Allerdings betrage der UV-Anteil im Sonnenlicht nur fünf bis acht Prozent. Die chinesischen Chemiker nutzten deshalb eine neue Generation von Fotokatalysatoren. Es handle sich um Carbonitrid, das im sichtbarem Licht aktiviert werde. Es entstehe durch die thermische Behandlung von Melamin, das auch als Ausgangsstoff für farbenfrohes Geschirr aus Duroplast diene.
Die chinesischen Forscher hätten ihren Katalysator zwar erfolgreich getestet, mit verschiedenen Substanzen, die beim Abbau von Medikamenten entstehen und ins Abwasser gelangen können. Der pulverförmige Fotokatalysator werde dabei im Wasser verrührt und verrichte als Schwebeteilchen seine Arbeit. Als Oxidationsmittel testeten die Kollegen Sauerstoff und Ozon. „Ozon erwies sich als außergewöhnlich effektiv“, so Prof. Brückner: „Doch seine Aktivität schwankte, und das schien abhängig von den Präparationsbedingungen des Katalysators zu sein.“
Radikale einfangen und identifizieren
Warum das so ist und welches die optimalen Bedingungen für das Präparieren des Katalysators darstellten, sollte Jiadong Xiao, ein Chemiker von der Universität Peking, am LIKAT in seiner Dissertation erkunden. Diese Forschungen liefen unter der Ägide des LIKAT-Themenleiters Jabor Rabeah.
Die Messungen ergaben nach Angaben der Forscher, dass für die eigentliche Abbaureaktion eine Spezies von Radikalen verantwortlich sei. Laut Prof. Brückner sind das äußerst reaktionsfreudige Moleküle, die die Schadstoffe im Wasser sofort angreifen und abbauen. Und das Zusammenspiel von Sonnenlicht, Fotokatalysator und Ozon befördere diese Bildung von Radikalen. Tatsächlich seien die Radikale so kurzlebig gewesen, dass es zunächst selbst mit der modernen Analysentechnik am LIKAT nicht gelungen sei, sie zu identifizieren.
Für solche Fälle nutzten die Chemiker einen Trick, den sie Spin-Trap nennen. Dabei würden die Radikale mit einem neutralen Molekül eingefangen, das dadurch selbst zum Radikal werde, allerdings zu einem, dass kaum reaktiv sei und deshalb lange genug „lebe“, um analysiert zu werden. So war es den Angaben zufolge möglich, die hocheffektiven Teilchen als Hydroxyl-Radikale zu identifizieren, Moleküle, die aus einem Wasserstoff- und einem Sauerstoff-Atom bestehen. Die hohe Wirksamkeit der Kombination Fotokatalysator – Sonnenlicht – Ozon bei der Abwasserreinigung habe sich durch die extrem rasche Bildung enorm vieler reaktionsfreudiger Radikale erklären lassen.
Das Ergebnis der Forschungsarbeiten sei „ein neues mechanistisches Konzept“ für diese Art von Reaktionen, so Prof. Brückner. Die Forscher gingen davon aus, dass die Methode mit diesem Hintergrundwissen bald ihren Weg in die Praxis finde.