Der Kläger, Eigentümer eines im Außenbereich gelegenen Grundstücks, wandte sich dagegen, dass er durch die Gemeinde zu einem Abwasserbeitrag herangezogen werden sollte, heißt es in dem Urteil zum Sachverhalt. Das Grundstück ist mit einem Gebäude, das eine Wohnung enthält, sowie mit einer Kleinkläranlage und weiteren Gebäuden und baulichen Anlagen bebaut.
Bereits 1971 hatte das Landratsamt Ravensburg der früheren Eigentümerin des Veranlagungsgrundstücks, einer AG, die dort eine Pumpstation betrieb, die bis Ende 2000 befristete wasserrechtliche Erlaubnis erteilt, anfallendes häusliches Abwasser in eine Hauskläranlage einzuleiten.
2009 wurde dem Kläger eine Baugenehmigung zur Umnutzung, zum Umbau und zur baulichen Erweiterung der ehemaligen Pumpstation zu einem Gewerbebetrieb zur Lagerung, Reparatur und zum Vertrieb von Geräten sowie zum Neubau eines Gebäudes mit Büro und Betriebsleiterwohnung erteilt. Gleichzeitig erhielt der Kläger die bis zum 30.10.2019 befristete wasserrechtliche Erlaubnis, das in einer Kleinkläranlage gereinigte häusliche Abwasser aus den auf dem Grundstück befindlichen Gebäuden über eine Rohrleitung in den Vorfluter einzuleiten. Die Anlage darf den Bestimmungen zufolge nur im Rahmen ihrer Ausbaugröße von sechs Personen genutzt werden. Der anfallende Schlamm sei der Gemeinde im Rahmen ihrer Entsorgungssatzung zur Entnahme zu überlassen.
Gemeinde setzt Abwasserbeitrag für Schlammentnahme fest
Im Jahr 2013 nahm der Kläger eine vollbiologische Kleinkläranlage für sechs Einwohnerwerte in Betrieb und ließ die bisher betriebene Drei-Kammer-Grube stilllegen und verfüllen. Aus dieser Kleinkläranlage entnahm die Gemeinde nach Beauftragung durch den Kläger am im Dezember 2016 einen Kubikmeter Schlamm, wofür sie gegenüber dem Kläger Abwasserteilbeitrag von 7.552,50 Euro festsetzte.
Nachdem das Landratsamt Ravensburg den Widerspruch dagegen zurückgewiesen hatte, erhob der Eigentümer Klage mit der Begründung, das Grundstück sei nicht an die öffentliche Abwasseranlage angeschlossen und dieser Anschluss werde auch in Zukunft nicht erfolgen. Denn das Schmutzwasser werde über eine Kleinkläranlage entsorgt. Das Niederschlagswasser werde in einen Löschteich geleitet. Endprodukt der Kleinkläranlage sei lediglich Wasser, das im Boden versickere. Die Entsorgung des Schlamms im Dezember 2016 habe nur deshalb erfolgen müssen, weil es in der Anlage zu einem technischen Defekt gekommen sei.
VG Sigmaringen: Beitragspflicht nicht entstanden
Das Verwaltungsgericht Sigmaringen hob den Bescheid mit einem Urteil auf (Aktenzeichen 4 K 5729/17 vom 12.04.2019). Zur Begründung führte es im Wesentlichen aus, die Beitragspflicht sei mangels eines tatsächlichen Anschlusses an die öffentliche Abwasserbeseitigung nicht entstanden. Bei der dezentralen Abwasserbeseitigung, die nach der Abwassersatzung auch die Abfuhr und die Beseitigung des Schlamms aus Kleinkläranlagen umfasse, entstehe die Beitragsschuld erst mit dem tatsächlichen Anschluss an die dezentrale Abwasserbeseitigung.
VGH: Abwasserteilbeitragsbescheid ist rechtmäßig
Der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg, bei dem der Landkreis Berufung eingelegt hat, hat den Abwasserteilbeitragsbescheid dagegen für rechtmäßig erklärt. Das Veranlagungsgrundstück sei beitragspflichtig, und die Beitragsschuld sei mit der erstmaligen Schlammabfuhr und –beseitigung Ende 2016 entstanden, heißt es in dem Urteil. Entgegen der Auffassung des Klägers sei mit den angegriffenen Bescheiden keine Nachveranlagung, sondern eine erstmalige Beitragserhebung erfolgt.
Zwar fehle es einem im Außenbereich gelegenen Grundstück an der geordneten baulichen Entwicklung als Voraussetzung der Beitragspflicht auch dann, wenn sich auf diesem eine ausnahmsweise zulässige Bebauung befinde. Die Beitragspflicht des Veranlagungsgrundstücks ergebe sich allerdings aus, da das Grundstück mit der erstmaligen Schlammabfuhr und -beseitigung im Dezember 2016 im Sinne der Vorschrift § 23 Abs. 2 AbwS an die öffentlichen Abwasseranlagen tatsächlich angeschlossen worden sei. Mit diesem Anschluss an die dezentrale Abwasserbeseitigung sei die Beitragsschuld entstanden.
Nach dem Kommunalabgabengesetz (KAG) können die Gemeinden zur teilweisen Deckung der Kosten für die Anschaffung, die Herstellung und den Ausbau öffentlicher Einrichtungen Anschlussbeiträge von den Grundstückseigentümern erheben, denen durch die Möglichkeit des Anschlusses ihres Grundstücks an die Einrichtung „nicht nur vorübergehende Vorteile“ geboten werden, führt der VGH aus. Die Schaffung von Abwasserbeseitigungsanlagen durch die Gemeinden ist mit Gebrauchsvorteilen verbunden, die darin bestehen, dass das auf den Grundstücken anfallende Abwasser beseitigt wird.
VGH hält frühere Auffassung nicht aufrecht
Soweit der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg früher entschieden habe, der die Beitragserhebung rechtfertigende Vorteil bestehe bei Grundstücken im Außenbereich - selbst wenn sie bebaut sind, anders als bei Innenbereichsgrundstücken - nicht in einer Erhöhung des Gebrauchs- und Nutzungswertes des Grundstücks, sondern in der Inanspruchnahme der Einrichtung selbst, hält der VGH nach eigenen Angaben an dieser Auffassung nicht mehr fest. Auch unbebauten Außenbereichsgrundstücken könne ein Gebrauchs- und Nutzungsvorteil zukommen, wenn der Anschluss für diese Grundstücke nützlich ist - wie etwa im Fall des Anschlusses landwirtschaftlicher Grundstücke an die Wasserversorgung. Dies sei im Fall eines tatsächlichen Anschlusses an die öffentliche Einrichtung zu vermuten, so der VGH.
Anschluss besteht mit „rollendem Kanal“
Der tatsächliche Anschluss an die öffentliche Abwasserbeseitigungseinrichtung setze voraus, dass eine betriebsfertige, auf Dauer angelegte Verbindung des Grundstücks mit der öffentlichen Einrichtung vorhanden ist. Bei der dezentralen, also nicht leitungsgebundenen Abwasserbeseitigung sei von einem die sachliche Beitragspflicht begründenden tatsächlichen Anschluss auszugehen, wenn tatsächlich eine Abwasser- bzw. Schlammabfuhr durch Spezialfahrzeuge als „rollender Kanal“ stattfinde, das Abwasser bzw. der Schlamm in die öffentliche Kläranlage eingebracht werde und dies auch in Zukunft regelmäßig zu erwarten sei.
Das sei bei einer notwendigen regelmäßigen Abwasser- bzw. Schlammentsorgung selbst dann begründet, wenn sie nicht dem Willen des Grundstückseigentümers entspricht, satzungsrechtlich aber ein Anschluss- und Benutzungszwang geregelt ist, heißt es in dem Urteil. Der beitragsrechtliche Vorteil besteht in diesem Fall in dem Gebrauchsvorteil, der sich aus der tatsächlichen und in Zukunft möglichen Inanspruchnahme der öffentlichen Abwasserbeseitigung ergibt, so der VGH.
Entsorgung des Schlamms 2016 kein einmaliges Ereignis
Von einer regelmäßigen Entsorgung des auf dem Grundstück anfallenden Abwassers bzw. Schlamms ist dem Urteil zufolge nicht nur dann auszugehen, wenn eine Entsorgung in gleichmäßigen zeitlichen Abständen oder sogar zu bestimmten Terminen erfolgt. Vielmehr sei grundsätzlich auch der Fall der bedarfsgerechten Schlammentsorgung erfasst, bei dem die Abfuhr flexibel nach Bedarf in kleineren oder größeren Zeitabständen erfolgt. Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts sei nicht davon auszugehen, dass es sich bei der Schlammentsorgung Ende 2016 um ein einmaliges Ereignis handelte, heißt es in dem Urteil.
Dass eine nutzungsabhängige Schlammentsorgung erforderlich sei, ergibt sich dem VGH zufolge auch aus einer von ihm eingeholten fachlichen Stellungnahme des Landratsamtes Ravensburg. Danach müsse bei Anlagen mit mechanischer Vorbehandlung zur Sicherstellung der Reinigungsleistung in der biologischen Reinigungsstufe eine ausreichende Feststoffrückhaltung in der Vorbehandlung erfolgen. Sie werde durch einen ordnungsgemäßen Betrieb und eine bedarfsgerechte Schlammentsorgung sichergestellt. Diese erfolge auf der Grundlage der im Rahmen der Wartung festgestellten Schlammspiegelmessung.
Bei Anschlussbeiträgen kommt es auf Umfang der Inanspruchnahme nicht an
Soweit der Kläger sich auf den nur geringen Abwasser- bzw. Schlammanfall auf dem Veranlagungsgrundstück beruft und insoweit einwendet, das Grundstück werde nur unregelmäßig zu Freizeitzwecken genutzt, kann das dem VGH zufolge nicht in Frage stellen, dass eine regelmäßigen Schlammentsorgung erforderlich ist. Denn der Kläger habe damit nicht die generelle Aussage in Frage gestellt, dass eine Schlammentsorgung beim Betrieb der Kleinkläranlage grundsätzlich erforderlich ist. Für die Erhebung von Anschlussbeiträgen komme es - anders als für Benutzungsgebühren - nicht auf den Umfang der tatsächlichen Inanspruchnahme der öffentlichen Einrichtung im konkreten Fall an, sondern nur auf die objektiv mögliche Inanspruchnahme. Diese ist nicht abhängig von der tatsächlichen, sondern von der rechtlich zulässigen Nutzung des Grundstücks.
Nutzung des Grundstücks und Abwasseranfall können sich ändern
Hintergrund dessen ist dem Urteil zufolge, dass sich die Intensität der tatsächlichen Nutzung des Grundstücks und der dadurch bedingte Abwasseranfall im Lauf der Zeit ändern können, ohne dass - wegen des Grundsatzes der Einmaligkeit der Beitragserhebung - entsprechende Beiträge nach veranlagt werden können. Eine Ermittlung und ständige Überwachung der konkreten Nutzung aller beitragspflichtigen Grundstücke wäre im Übrigen auch nicht mit vertretbarem Verwaltungsaufwand durchführbar, gibt der VGH zu bedenken.