Gemeinde muss Akteneinsicht über Abwasserbeseitigung gewähren


Der klagende Grundstückeigentümer will Einsicht in die bei der Gemeinde geführten Bauakten zu der benachbarten Liegenschaft erhalten, so das Gericht zum Sachverhalt. Die auf diesem Grundstück aufstehenden Gebäude werden u.a. zu Wohnzwecken genutzt. Auf dem Grundstück betreibt außerdem eine GmbH, deren Geschäftsführer der Nachbar ist, einen Garten- und Landschaftsbau.

Der Nachbar wandte sich gegen die Akteneinsicht, und die Gemeinde lehnte den Antrag auf Einsichtnahme in die bei ihrem Bauaufsichtsamt vorhandenen Bauakten für das Grundstück ab. Die Informationen seien nicht offenkundig und unterlägen dem Geheimhaltungswillen des Beigeladenen.


Der Kläger brachte vor, er habe er aufgrund der regelmäßigen Überflutung seiner landwirtschaftlichen Flächen infolge wild abfließenden Wassers des Nachbargrundstücks ein legitimes Interesse daran, Einblick in die Rechtmäßigkeit der Entwässerungssituation zu erhalten, um auf eine ordnungsgemäße, den Anforderungen des Wasserhaushaltsgesetzes (WHG) und des Landeswassergesetzes (LWG NRW) und des Gewässerschutzes genügende Ableitung von Niederschlagswasser und Abwasser im Bereich des Nachbargrundstücks hinwirken zu können.


Kläger: Kleinkläranlage vermutlich nicht ausreichend dimensioniert


Bis heute bestehe kein öffentlicher Kanalanschluss für Schmutzwasser sowie Gebäude- und Dachentwässerung. Er – der Kläger – vermute, dass die genehmigte Kleinkläranlage nicht ausreichend dimensioniert sei. Im Übrigen verfüge der mittelständische gewerbliche Betrieb des Beigeladenen weder über eine Hofentwässerung noch über eine Ölabscheidung. In der Folge würde bei Regenereignissen in erheblichem Maße Oberflächenwasser vom Nachbargrundstück über die nicht kanalisierte und über keinen Graben verfügende Straße auf die Flächen des klägerischen Grundstücks fließen. Er vermute, dass das abfließende Oberflächenwasser schadstoffbelastet sein könne, brachte der Kläger weiter vor.


Ablauf darf nicht zum Nachteil des tiefer liegenden Grundstücks verstärkt werden


Das Verwaltungsgericht hat in seinem Urteil festgestellt, dass dem Antragsteller in Bezug auf die Entwässerungssituation des Nachbargrundstücks ein Anspruch auf Zugang zu den begehrten Informationen nach dem IFG NRW zusteht. Abwehransprüche aus unter anderem § 1004 BGB zum Beseitigungs- und Unterlassungsanspruch oder § 4 WHG zum Thema Eigentum an Gewässern gegen die vom Nachbargrundstück in der Gestalt von „Überschwemmungen“ ausgehenden Störungen scheinen jedenfalls nicht von Vornherein ausgeschlossen zu sein, heißt es in dem Urteil.

Zwar müsse ein tiefer liegendes Grundstück den natürlichen Verlauf des Niederschlagswassers dulden. Der natürliche Ablauf wild abfließenden Wassers dürfe indes nicht zum Nachteil eines tiefer liegenden Grundstücks verstärkt oder auf andere Weise verändert werden. Auch dürften bauliche Anlagen nicht so errichtet werden, dass Niederschlagwasser auf das Nachbargrundstück tropft, auf dieses abgeleitet wird oder übertritt.


Auch soweit der Kläger behauptet, er sei intervallmäßig einem erheblichen Fäkaliengestank ausgesetzt, der offensichtlich von der biologischen Abwasserbehandlungsanlage des Nachbargrundstücks herrühre, die möglicherweise nicht ausreichend dimensioniert sei, um die Abwässer des Wohnhauses und des durch die Umnutzung erweiterten Garten- und Landschaftsbaubetriebs nebst erforderlicher Sozialräume und Toiletten aufzunehmen, seien entsprechende zivilrechtliche Abwehr- oder Entschädigungsansprüche jedenfalls dem Grunde nach denkbar.


Zivilrechtlicher Anspruch schlüssig behauptet


Zwar bestreite der Nachbar die Behauptungen des Klägers; eine inzidente Prüfung dahingehend, ob ein zivilrechtlicher Anspruch insoweit tatsächlich gegeben ist, sei im Anwendungsbereich des IFG NRW durch das Verwaltungsgericht aber nicht vorzunehmen. Ausreichend, aber auch erforderlich, sei dass der Anspruch schlüssig behauptet ist, stellt das Gericht fest. Dies sei hier der Fall.

Schon in Anbetracht der örtlichen Gegebenheiten sei es nicht unplausibel, dass es zu den behaupteten „Überflutungen“ der landwirtschaftlichen Flächen des Klägers infolge wild abfließenden Niederschlagswassers des Nachbargrundstücks kommt und die hierdurch bedingte Staunässe bereits zu Aufwuchsschäden am Grünland und Schädigungen des Eichenbestandes geführt haben mag, heißt es in dem Urteil.


Versiegelung als Ursache für „Überschwemmungen“ nicht auszuschließen


Nach dem weiteren Vortrag des Klägers sei auch nicht auszuschließen, dass die seit 1984 bis in jüngste Zeit auf dem Nachbargrundstück nach seiner Wahrnehmung erfolgten Aufschüttungen und Boden-Versiegelungen für eine Häufung von „Überschwemmungen“ ursächlich sein können. Ebenso könnte der Umstand, dass die Kleinkläranlage nicht auseichend dimensioniert sein könnte, um das Schmutzwasser aufzunehmen, hierfür mitursächlich sein. Denn nach den Behauptungen des Klägers soll das Grundstück des Beigeladenen weder über einen öffentlichen Kanalanschluss für Schmutzwasser einschließlich Gebäude- und Dachentwässerung noch über eine Hofentwässerung verfügen.


Auch komme es zu einem nicht zu ertragenden Gestank aus der Kleinkläranlage des Beigeladenen. Sollten sich diese Behauptungen – also die Störungen, deren Erheblichkeit sowie deren Ursächlichkeit – in einem zivilgerichtlichen Verfahren als zutreffend herausstellen, dürfte der Beigeladene als Störer im Sinne des § 1004 BGB anzusehen sein.


Gemeinde hat Ergebnis von Prüfungen nicht offengelegt


Die Gemeinde halte dem im Wesentlichen nur entgegen, dass sich der Kläger bereits im Jahre 2016 hinsichtlich der Entwässerungsproblematik bezüglich seines Grundstücks bereits an ihren Fachbereich Tiefbau gewandt habe und dass die Entwässerungsverhältnisse im Bereich des klägerischen Grundstücks bereits geprüft und bewertet worden seien. Die Gemeinde habe jedoch die Ergebnisse dieser Prüfung weder offengelegt noch ihre diesbezügliche Bewertung im vorliegenden gerichtlichen Verfahren inhaltlich substantiiert, so das Gericht.


Ungeachtet dessen komme der Prüfung und Bewertung aus dem Jahre 2016 ohne Weiteres keine hinreichende Aussagekraft hinsichtlich der aktuellen Verhältnisse mehr zu, zumal nach den Behauptungen des Klägers auf dem Nachbargrundstück nach seiner Wahrnehmung Aufschüttungen und Boden-Versiegelungen „bis in die jüngste Zeit“ vorgenommen worden sein sollen. Soweit die Gemeinde auf die Bestandskraft der erteilten Baugenehmigungen verweise, bleibe anzumerken, dass eine bestandskräftige Baugenehmigung es nicht ausschließt, sich zivilrechtlich erfolgreich gegen etwaige Störungen zu wehren. Denn Baugenehmigungen ergingen unbeschadet privater Rechte Dritter.


Angaben unterliegen keinen Vertraulichkeitspflichten


Die Angaben, die für die Entwässerungssituation und etwaige Fäkalgerüche auf dem Nachbargrundstück relevant sind, berührten den Schutz personenbezogener Daten und das verfassungsrechtlich geschützte Persönlichkeitsrecht des Nachbarn nur am Rand, heißt es in dem Urteil. Die gegenüber dem Kläger offen zu legenden Angaben treffen nicht nur keine Aussage zu dem persönlichen Lebensbereich Einzelner, sie unterliegen auch keinen spezifischen Vertraulichkeitspflichten oder einem Geheimnisschutz, stellt das Gericht fest.