Das „ZeroTrace“-Verfahren nutze selbstentwickelte Komposit-Aktivkohlen und ein neues dezentrales elektrisches Regenerationsverfahren, teilte die Fraunhofer-Gesellschaft mit.
In der vierten Reinigungsstufe einer Kläranlage kommen häufig Aktivkohlen zum Einsatz. Diese hätten wegen ihrer porösen Grundstruktur eine enorm große innere Oberfläche – schon bei vier Gramm Aktivkohle entspreche sie in etwa der Fläche eines Fußballfeldes – und könnten andere Stoffe in Abhängigkeit von deren Ladung adsorbieren, erklärte die Fraunhofer-Gesellschaft.
In der Praxis habe das Verfahren jedoch häufig einen Haken, sagte Ilka Gehrke, Abteilungsleiterin Umwelt und Ressourcennutzung am Fraunhofer Umsicht. „Bisher wird meist pulvrige Aktivkohle eingesetzt. Sobald diese voll beladen ist und keine Stoffe mehr adsorbieren kann, wird sie schlichtweg verbrannt. Unter Nachhaltigkeitsaspekten ist das sehr problematisch, zumal Aktivkohle häufig aus nicht-nachwachsenden Rohstoffen, nämlich ganz normaler Steinkohle, hergestellt wird“, machte sie deutlich.
Forschende des Fraunhofer Umsicht haben es sich daher in Zusammenarbeit mit mehreren Industriepartnern im vom Bundesministerium für Bildung und Forschung geförderten Projekt „ZeroTrace“ zum Ziel gesetzt, den Einsatz von Aktivkohlen zur Beseitigung von Spurenstoffen im Abwasser zu optimieren (EUWID 11.2017). Begleitet wurde der Prozess durch Forschung im Innovations- und Ressourcenmanagement, die es ermöglichte, sozio-ökonomische sowie ökologische Innovationstreiber und -bremser von Anfang an mit zu berücksichtigen.
Aktivkohlen aus nachwachsenden Materialien
Als Ausgangsstoff für ihr Verfahren setzen Gehrke und ihr Team auf Aktivkohlen aus nachwachsenden Materialien wie Holz oder Kokosnuss in granulierter Form, berichtete die Fraunhofer-Gesellschaft. Derartige Pellets könnten im Gegensatz zu Aktivkohlepulver bei sehr hohen Temperaturen reaktiviert, dadurch von den adsorbierten Stoffen befreit und wiederverwendet werden. Derzeit müssten die Aktivkohlen hierfür jedoch meist erst weit transportiert werden. Hinzu kämen hohe Materialverluste, weil sich die Kohlen beim Durchmischen im Wirbelbett gegenseitig abreiben.
Ziel der Forschenden war es daher, ein Regenerationsverfahren zu entwickeln, das direkt vor Ort am jeweiligen Kläranlagengelände durchgeführt werden kann, hieß es weiter. „Hierfür nutzen wir die physikalische Wirkung von elektrischen Feldern aus“, sagte Gehrke. „Diesen Gedanken hatten vor uns bereits andere für den Bereich der Gasreinigung, und viele dieser Grundlagen konnten wir für unser Vorhaben auf den Flüssigbereich übertragen.“ Zu der Zeit seien elektrisch betriebene Verfahren aber sehr teuer gewesen, sodass derartige Forschungsprojekte nicht weiter verfolgt worden seien. Heute dagegen könne der fluktuierende Stromanfall von regenerativen Energien genutzt werden. „Hier wird in Zukunft erwartet, dass bei Stromspitzen Strom zu niedrigen Kosten verfügbar ist“, so Gehrke.
Die Idee hinter dem neuen Verfahren, basierend auf der sogenannten Electric Field Swing Adsorption (EFSA), ist es, die Kohlen elektrisch so zu erhitzen, dass die Schadstoffe auf den Kohlen desorbieren oder schlichtweg verbrennen, führte die Fraunhofer-Gesellschaft weiter aus. Damit dies funktioniere, müssten sowohl die Aktivkohlen als auch der Reaktor bestimmte Voraussetzungen erfüllen. So müssten die verwendeten Aktivkohlen eine hohe elektrische Leitfähigkeit aufweisen, damit genug Strom durch sie hindurchfließen kann. Trotzdem müsse der Materialwiderstand groß genug sein, dass sie sich dabei ausreichend erhitzen.
Gehrke und ihr Team entwickelten laut Fraunhofer-Gesellschaft hierfür eigene Komposit-Aktivkohlen. Dem Grundmaterial Holzkohlenmehl mischten sie Grafit bei und erzielten dadurch eine elektrische Leitfähigkeit, die bei gleichbleibender Adsorptionsfähigkeit dreimal so hoch ist wie bei herkömmlichen Aktivkohlen. Bei der Reaktorkonstruktion habe die Schwierigkeit darin bestanden, diesen so zu bauen, dass er auch hohen Temperaturen von bis zu 650 Grad standhält.
Kontinuierliche Regeneration in einem kleinen dezentralen Reaktor
In Bezug auf die Funktionsweise setzten Gehrke und ihre Kollegen auf eine kontinuierliche Regeneration. „Die Idee ist, dem Becken laufend über ein Förderband kleine Aktivkohlemengen zu entnehmen, diese zu regenerieren und wieder zurückzuführen. Dazu reicht dann ein verhältnismäßig kleiner Reaktor aus, weil sich nie alle Aktivkohlen gleichzeitig darin befinden und der Regenerationsprozess nur ein paar Minuten dauert.“ Da sich die Aktivkohlen im Reaktor selbst nicht bewegten, sei der Verschleiß gering. „Wir rechnen damit, dass wir pro Durchgang mit maximal zehn Prozent neuen Aktivkohlen auffrischen müssen“, sagte Gehrke.
Die selbst hergestellten Komposit-Aktivkohlen konnten bei Tests auf der Partnerkläranlage Wuppertal-Buchenhofen bereits erfolgreich mit Spurenstoffen beladen werden, berichtete die Fraunhofer-Gesellschaft weiter. Das Regenerationsverfahren führten die Forschenden an einem Prototypenreaktor mit einem Fassungsvermögen von 40 bis 50 Litern außerhalb des Kläranlagengeländes durch. Nach einer fast dreijährigen Projektphase zieht Gehrke ein positives Fazit: „Unsere Tests haben gezeigt, dass unser Verfahren ressourcenschonend und dabei gleichzeitig wirtschaftlich und konkurrenzfähig ist“, erklärte sie. Aktuell diskutierten die Beteiligten über mögliche Nachfolgeprojekte mit Umsetzungen im größeren Maßstab direkt vor Ort.