In dem behandelten Fall wandten sich die klagenden Grundstückseigentümer gegen die Nachveranlagung von Wasserversorgungs- und Abwasseranschlussbeiträgen. Mit zwei Bescheiden der beklagten Gemeinde aus dem Jahr 1966 war der damalige Grundstückseigentümer zu einem einmaligen Wasserversorgungs- und einem einmaligen Kanalanschlussbeitrag herangezogen worden. Maßstab für die Bemessung der Beitragshöhe in diesen Bescheiden war die Grundstücksbreite und die Grundstücksfläche. Mit einem weiteren Bescheid aus dem Jahr 1973 setzte die Gemeinde gegenüber diesem Eigentümer einen weiteren einmaligen Entwässerungsbeitrag fest. Der Berechnung der Beitragshöhe in diesem Bescheid lag ein an die Grundstücksfläche anknüpfender Maßstab zugrunde.
Zulässige Geschossfläche als Maßstab
Im Jahr 1982 änderte die beklagte Gemeinde die Wasserversorgungssatzung (WVS) und die Abwassersatzung (AbwS) und legte als Beitragsmaßstab die Grundstücksfläche und die zulässige Geschossfläche fest. Zum 1. Januar 2017 änderte sie den Beitragsmaßstab ein weiteres Mal in ihren Satzungen. Maßstab für die Ermittlung der Beiträge ist seitdem die zulässige Geschossfläche.
Mit dem am 19. April 2018 ausgefertigten und am 4. Mai 2018 in Kraft getretenen Bebauungsplan hat die Gemeinde unter anderem die zulässige Geschossflächenzahl auf dem Grundstück der Kläger von 0,3 auf 0,4 erhöht. Zusätzlich wurde dort ein weiteres Baufenster mit einer Fläche von 340,4 m² festgesetzt.
Im August 2018 setzte die Gemeinde für das Grundstück der Kläger Beiträge für die Wasserversorgung in Höhe von 1.960,98 Euro und für die Entwässerung in Höhe von 2.302,61 Euro fest. Sie sei aufgrund der Wasserversorgungssatzung und der Abwassersatzung verpflichtet, die Beiträge nachzuerheben, sobald eine größere Geschossflächenzahl oder Geschossfläche zugelassen werde. Dies sei mit Inkrafttreten des Bebauungsplans eingetreten.
Kläger legen Widerspruch ein
Als Berechnungsgrundlage sei die Differenz zwischen der bisherigen Geschossflächenzahl von 0,3 und der neuen Geschossflächenzahl von 0,4 heranzuziehen. Diese Differenz von 0,1 ergebe multipliziert mit der Grundstücksfläche von 1.958 m² eine zulässige Geschossfläche von 195,80 m². Der Wasserversorgungsbeitrag betrage je Quadratmeter Geschossfläche 9,36 Euro. Der Abwasserbeitrag setze sich aus Teilbeiträgen von 5,82 Euro/m² für den öffentlichen Abwasserkanal beziehungsweise 5,94 Euro/m² für den mechanischen und biologischen Teil des Klärwerks je Quadratmeter Geschossfläche zusammen.
Gegen diese Bescheide legten die klagenden Eigentümer im September 2018 Widerspruch ein. Zur Begründung führten sie aus, für das Grundstück seien bereits ein einmaliger Wasserversorgungsbeitrag und einmalige Entwässerungsbeiträge erhoben worden.
Bei Überschreitung der zulässigen Geschossflächenzahl oder -fläche
sind weitere Beiträge zulässig
Das Verwaltungsgericht Karlsruhe hat die Klagen abgewiesen. Die Nachveranlagung der Kläger sowohl mit dem Wasserversorgungsbeitrag als auch mit dem Abwasserbeitrag finde ihre Rechtsgrundlage im KAG in Verbindung mit der WVS 2016 beziehungsweise der AbwS 2016, stellt das Gericht fest. Nach § 29 Abs. 3 Satz 1 KAG können von Grundstückseigentümern, für deren Grundstücke eine Beitragsschuld bereits entstanden ist oder deren Grundstücke beitragsfrei angeschlossen worden sind, weitere Anschlussbeiträge erhoben werden, soweit sich die bauliche Nutzbarkeit des Grundstücks erhöht, erläutert das Gericht.
Nach den wortlautidentischen § 36 Abs. 1 Nr. 1 WVS 2016 und § 34 Abs. 1 Nr. 1 AbwS 2016 werden von Grundstückseigentümern, für deren Grundstück eine Beitragsschuld bereits entstanden ist oder deren Grundstücke beitragsfrei angeschlossen worden sind, weitere Beiträge erhoben, soweit die bis zum Inkrafttreten dieser Satzung zulässige Geschossflächenzahl oder Geschossfläche beziehungsweise genehmigte höhere Geschossfläche überschritten oder eine größere Geschossflächenzahl oder Geschossfläche allgemein zugelassen wird. Diese Voraussetzungen liegen hier dem Verwaltungsgericht zufolge vor.
KAG zeigt Ausnahme zum Grundsatz der Einmaligkeit der Beitragserhebung
Allein auf Basis der satzungsrechtlichen Maßstabsänderungen wäre, worauf die Kläger zutreffend hinweisen, ihre erneute Heranziehung zu Wasserversorgungs- und Abwasserbeiträgen nicht statthaft, stellt das Gericht fest. Denn für ihr Grundstück war im Jahr 1966 je ein Anschlussbeitrag für die Wasserversorgung und die Entwässerung anhand des früher geltenden Bemessungsmaßstabs durch wirksame, bestandskräftige und nicht zurückgenommene Bescheide der Gemeinde erhoben worden.
Das KAG zeige allerdings in § 29 Abs. 3 KAG eine Ausnahme zu dem Grundsatz der Einmaligkeit der Beitragserhebung auf und lasse insoweit eine Durchbrechung dieses Grundsatzes zu, indem er eine Möglichkeit zur sogenannten grundstücksbezogenen Nachveranlagung eröffnet. So könnten bei tatsächlicher oder rechtlicher Vergrößerung der baulichen Nutzungsmöglichkeiten bei gleichbleibender oder sich verändernder Grundstücksgröße erneut Beiträge erhoben werden. Mit der KAG-Novelle 1996 sei die grundstücksbezogene Nachveranlagung in § 10 Abs. 4 Satz 1 und 2 KAG 1996 erstmals ermöglicht und 2005 in § 29 übernommen worden.
Pflicht, weitere Beiträge zu erheben
Auf Grundlage dessen habe die Gemeinde in der WVS und der AbwS die Pflicht verankert, von Grundstückseigentümern, für deren Grundstück eine Beitragsschuld bereits entstanden ist, weitere Beiträge zu erheben, soweit die bis zum Inkrafttreten dieser Satzung zulässige Geschossflächenzahl oder Geschossflächen beziehungsweise genehmigte höhere Geschossfläche überschritten oder eine größere Geschossflächenzahl oder Geschossfläche allgemein zugelassen wird.
Eine darauf basierende Nachveranlagung sei jedenfalls nicht zu beanstanden, wenn sich der Maßstab, der auch der Erstveranlagung zugrunde lag, nicht verändert, heißt es in dem Urteil. Die grundstücksbezogene Nachveranlagung ist – wie im vorliegenden Fall – nach Auffassung des Gerichts aber auch dann rechtmäßig, wenn der Erstveranlagung ein anderer grundstücksbezogener Maßstab zugrunde lag als dem nachveranlagten Beitrag, solange kein Fall einer missbräuchlichen oder willkürlichen Nachveranlagung vorliege.
Den Streitwert hat das Gericht auf 4.263,59 Euro festgesetzt.