Die Klägerin beanspruchte nach einem auf dem Gehweg an einem Revisionsschacht erlittenen Unfall, dass die Schadensersatzersatzpflicht der beklagten Gemeinde festgestellt wird, heißt es in dem Urteil zum Sachverhalt. Sie ist der der Ansicht, die Gemeinde habe ihre Verkehrssicherungspflicht für den öffentlichen Weg verletzt. Sie sei auf den Schachtdeckel des im Gehweg gelegenen Revisionsschachts getreten, dabei habe der Deckel nachgegeben bzw. sei verrutscht. Dadurch sei sie mit dem rechten Bein in den Schacht geraten und habe sich einen komplizierten Beinbruch zugezogen.
Die Einfassung und die Umrandung des Deckels seien derart stark verrostet gewesen, dass der Deckel bei einer ungünstigen Belastung gekippt sei. Dies sei von außen nicht erkennbar gewesen, hätte aber bei notwendigen Kontrollen festgestellt werden können. Die Beklagte habe hier zehn Jahre lang keine Kontrollen durchgeführt. Die beklagte Gemeinde sei auch Eigentümerin des Grundstücks und habe den Schacht errichtet. Jedenfalls sei die Fläche dem öffentlichen Verkehr gewidmet.
Gemeinde: Schacht nicht Bestandteil der Abwasseranlage
Die Gemeinde stellte eine Verkehrssicherungspflicht in Abrede. Für die Unterhaltung und Kontrolle des Schachtes, der nicht Bestandteil der öffentlichen Abwasseranlage sei, sei sie nicht zuständig. Eine allgemeine Pflicht, als Träger der Straßenbaulast einen Kanaldeckel auf Schadhaftigkeit zu überprüfen, bestehe nicht, und sie habe auch keine Veranlassung gehabt, die Schachtabdeckung zu kontrollieren, brachte die Gemeinde vor. Bei einer regelmäßigen Kontrolle am 22.03.2018 habe der Kontrolleur keine Gefahrenstelle erkannt. Das Unfallereignis in der beschriebenen Form, die Verletzungsfolgen und eine Kausalität zwischen beiden hat die Beklagte mit Nichtwissen bestritten.
Gemeinde in der Pflicht, jeglichen Schaden zu ersetzen
Dem Oberlandesgericht zufolge ist die Gemeinde verpflichtet ist, der Klägerin allen aus dem Unfallereignis resultierenden materiellen und immateriellen Schaden zu ersetzen. Wird durch die Wirkungen von Elektrizität, Gasen, Dämpfen oder Flüssigkeiten, die von einer Stromleitungs- oder Rohrleitungsanlage oder einer Anlage zur Abgabe der bezeichneten Energien oder Stoffe ausgehen, ein Mensch getötet, der Körper oder die Gesundheit eines Menschen verletzt oder eine Sache beschädigt, so ist der Inhaber der Anlage verpflichtet, den daraus entstehenden Schaden zu ersetzen, zitiert das OLG aus dem Haftpflichtgesetz (HaftpflG). Für den Schaden, der nicht Vermögensschaden ist, hat der Inhaber eine finanzielle Entschädigung leisten.
Die gemeindliche Abwasserkanalisation gehört zu den Rohrleitungsanlagen im Sinne des HaftpflG, und zwar einschließlich ihrer Bestandteile wie einem Revisionsschacht, stellt das Gericht fest. Das gleiche gilt nach Satz 2 der Vorschrift, wenn – was hier in Rede steht – der Schaden, ohne auf den Wirkungen der Elektrizität, der Gase, Dämpfe oder Flüssigkeiten zu beruhen, auf das Vorhandensein einer solchen Anlage zurückzuführen ist, es sei denn, dass sich diese zur Zeit der Schadensverursachung in ordnungsmäßigem Zustand befand. Ordnungsmäßig ist eine Anlage nach § 2 Abs. 1 Satz 3 HaftpflG, solange sie den anerkannten Regeln der Technik entspricht und unversehrt ist, was hier nicht der Fall war.
Gemeinde Inhaberin der Anlage einschließlich des Revisionsschachts
Die Gemeinde sei im Streitfall Inhaberin der Anlage einschließlich des auf dem Gehweg liegenden Revisionsschachts. Nach der Abwassersatzung betreibt sie in ihrem Gebiet die Abwasserbeseitigung als städtische Pflichtaufgabe nach dem Saarländischen Wassergesetz, führt das OLG aus. Sie führt die Herstellung, Erneuerung und Veränderung, die laufende Unterhaltung sowie die Beseitigung von Grundstücksanschlussleitungen vom Abwasserkanal bis zur Grundstücksgrenze – vor welcher der hier interessierende Schacht liegt – selbst oder durch einen von ihr beauftragten Unternehmer aus.
Unabhängig davon übe die Gemeinde die tatsächliche Herrschaft über den Revisionsschacht aus und könne die insoweit erforderlichen Weisungen erteilen, heißt es in dem Urteil weiter. Die Behauptung der Gemeinde, die Abdeckung habe auf Grund eigenmächtigen Eingreifens Dritter im Unfallzeitpunkt nicht mehr in ihrem Rahmen gelegen, wird von dem OLG nicht für wahr erachtet. Dafür gebe es keinen unmittelbaren Nachweis; zudem habe der Deckel anders als ein Gullydeckel keine Einlauföffnungen auf, die sich auch von Unbefugten mit der Hand umgreifen lassen und ein vergleichsweise leichtes Herausheben ermöglichen. Von der örtlichen Polizeiinspektion ein vorheriges Entfernen des Deckels durch Dritte nicht einmal in Betracht gezogen worden.
Bürgerin muss auf gefahrloses Betreten eines Schachtdeckels vertrauen können
Auch ein Mitverschulden der Klägerin sei nicht nachgewiesen, heißt es in dem Urteil weiter. Das Betreten des Schachtdeckels könne der Klägerin nicht als Mitverschulden angelastet werden, weil eine Bürgerin grundsätzlich darauf vertrauen könne, in den Gehweg eingelassene Schachtabdeckungen gefahrlos betreten zu können. Dass die Klägerin gegen ein gefahrloses Betreten sprechende Anhaltspunkte hatte, insbesondere der Schachtdeckel im Zeitpunkt des Betretens nicht auflag, sei von der gemeinde nicht nachgewiesen, stellt das OLG fest.