OVG: Bahn-Grundstücke erfahren durch Anschlussmöglichkeit wirtschaftlichen Vorteil


Die Deutsche Bahn wandte sich dagegen, dass sie zu einem Kanalbaubeitrag für ihr gehörende Grundstücke, die Teil des Hauptgüterbahnhofs Saarbrücken waren, herangezogen werden sollte. Sie dienten in der Vergangenheit Bahnbetriebszwecken, wobei allerdings seit 1995 Räumlichkeiten einzelne Gebäude und ein Parkplatz an private Nutzer vermietet waren. Die Mietflächen wurden als Lagerräume, als Atelier, als Büroräume bzw. als PKW-Parkplatz genutzt. In der angrenzenden Straße befindet sich seit 1934 ein betriebsfertiger Abwasserkanal, heißt es in dem Urteil zum Sachverhalt.


Die Deutsche Bahn ist seit dem August 2010 Eigentümerin der veranlagten Grundstücke. Am 2.6.2010 ist der die Grundstücke erfassende Bebauungsplan „Westlich der Dudweiler Landstraße“ in Kraft getreten, der für die Grundstücke ein Sondergebiet ausweist. Auf dem Gelände befindet sich inzwischen ein Baumarkt, und der beklagte Abwasserentsorger hatte Ende 2014, gestützt auf die Saarbrückener Abwassersatzung, den angefochtenen Kanalbau-Beitragsbescheid in Höhe von 425.738,33 Euro erlassen.


Bahn: Möglichkeit eines Kanalanschlusses hatte schon lange bestanden


Dagegen legte die Bahn Widerspruch ein. Sie brachte vor, die Möglichkeit eines Kanalanschlusses habe mit Blick auf den in der Straße verlegten Kanal schon lange vor der eisenbahnrechtlichen Entwidmung des Geländes im Jahr 2009 bestanden, wobei ein Kanalanschluss tatsächlich vorhanden gewesen sei. So habe die frühere Eigentümerin, die Deutsche Bundesbahn AG, ihr das Grundstück seinerzeit angeboten mit der Angabe, die gesamte Ver- und Entsorgungsstruktur befinde sich im Straßenraum der Dudweiler Landstraße; der Standort sei bereits angebunden. Dies habe der tatsächlichen Situation entsprochen.


Der Abwasserentsorger entgegnete, zu Zeiten der bahnbetrieblichen Nutzung habe kein tatsächlicher Anschluss an die städtische Kanalisation bestanden, da die auf dem Bahngelände angefallenen Abwässer zwar auf dem Bahngelände über Klärgruben direkt in den verrohrten Sulzbach abgeleitet worden seien, dies jedoch ohne Wissen und ohne Genehmigung der Stadt, also illegal. Ein ordnungsgemäßer Anschluss an die städtische Kanalisation habe demgemäß nicht vorgelegen; die Voreigentümerin sei weder zu Kanalbenutzungsgebühren noch zu Kanalbaubeiträgen herangezogen worden.


Abwasserentsorger: Anschluss erst 2010 erfolgt


In der Zeit nach der eisenbahnrechtlichen Entwidmung hätten die Grundstücke, auch die baulich genutzten, im Außenbereich im Sinn des Baugesetzbuchs (BauGB) gelegen. Ein mit der notwendigen Genehmigung erfolgender Anschluss der herangezogenen Grundstücke an die städtische Kanalisation sei erst im Mai 2010 erfolgt.


Die Beitragspflicht sei 2010 erstmals entstanden, dies auch im Hinblick darauf, dass der die satzungsrechtlich notwendige Baulandqualität vermittelnde Bebauungsplan erst 2010 in Kraft getreten sei. Für die Zeit zuvor gelte nach der Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts Nordrhein-Westfalen, dass die Entstehung einer Kanalbaubeitragspflicht in Bezug auf Bahnbetriebsgrundstücke die Herstellung eines ordnungsgemäßen Anschlusses vorausgesetzt hätte. Ferner sei zu berücksichtigen, dass das Gelände zu einem wesentlichen Teil aus Schienenflächen bestanden habe; diese unterlägen ohnehin keiner Beitragspflicht. Eine solche sei erst nach erfolgter bahnbetrieblicher Freistellung entstanden, als den ehemaligen Gleisflächen infolge ihres Anschlusses an die Kanalisation ein die Beitragserhebung rechtfertigender Sondervorteil zugewachsen sei, den die Klägerin durch Verwirklichung ihres Bauvorhabens realisiert habe.


OVG: Kanalbaubeitragsbescheid ist rechtswidrig


Dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts zufolge ist angefochtene Kanalbaubeitragsbescheid, wie bereits das Verwaltungsgericht des Saarlandes als Vorinstanz in einem Urteil festgestellt hatte (Aktenzeichen: 3 K 2072/15 vom 29.10.2018), rechtswidrig. Die Beitragsforderung sei bereits vor Erlass des Kanalbaubeitragsbescheids von Ende 2014 infolge des Eintritts der Festsetzungsverjährung erloschen.


Das saarländische Kanalbaubeitragsrecht gebe vor, dass die Beitragspflicht sich auf die Einheit des Kanalisationssystems bezieht und für jedes bevorteilte Grundstück grundsätzlich nur ein einmaliger Beitrag erhoben wird, führt das OVG aus. Der Grundsatz der Einmaligkeit der Beitragserhebung, mit dem das Verbot der Doppelveranlagung einhergeht, besagt, dass die sachliche Beitragspflicht für ein Grundstück bezogen auf die Herstellung der öffentlichen Entwässerungseinrichtung einer Gemeinde nur einmal und endgültig in Höhe des nach Maßgabe der Satzung abzugeltenden Vorteils entsteht und dass der entsprechende Aufwand durch einen einmaligen Beitrag in der entstandenen Höhe gedeckt wird.


Dabei sei der Zeitpunkt des Entstehens der sachlichen Beitragspflicht entscheidend für die Höhe der Beitragsforderung, die auf der Grundlage der in diesem Zeitpunkt geltenden Beitragssatzung entsteht. Ist der Beitragstatbestand einer wirksamen Satzung erfüllt und damit die sachliche Beitragspflicht entstanden, ist eine erneute Entstehung der Beitragspflicht im Grundsatz gesperrt. Ein einmal entstandener Beitragsanspruch unterliege der vierjährigen Festsetzungsverjährung.


Beitragspflicht spätestens Ende 19190 erloschen


So sei ist die Beitragspflicht für die veranlagten Grundstücke spätestens mit Ablauf des 31.12.1990 erloschen. Das veranlagte Areal sei bereits vor der Genehmigung der aktuellen Grundstücksentwässerungsanlage durch Bescheid des Zentralen Kommunalen Entsorgungsbetriebs bzw. der Erteilung der wasserrechtlichen Erlaubnis zum Einleiten von Abwasser in den verrohrten Sulzbach durch den Bescheid des Landesamtes für Umwelt- und Arbeitsschutz im Jahr 2010 an die öffentliche Abwasseranlage angeschlossen worden, stellt das OVG fest.


Die Entstehung einer Kanalbaubeitragspflicht für die streitgegenständlichen Grundstücke mit dem Inkrafttreten der ersten wirksamen Satzung zum 1.1.1986 hänge davon ab, ob die damals dem Bahnbetrieb dienenden Grundstücke im satzungsrechtlichen Sinne bebaubar bzw. gewerblich nutzbar waren. Das ist dem OVG zufolge der Fall.


In spezifisch kanalbaubeitragsrechtlicher Hinsicht sei - wie hier durch die Eintragungen in den Kanal-Bestandsplänen der Deutschen Bundesbahn belegt werde - davon auszugehen, dass auf einem als Güterbahnhof mit den dazugehörigen Hallen, Büro- und Lagerflächen typischerweise in erheblichem Umfang Abwasser anfällt. Die Möglichkeit eines Kanalanschlusses steigere daher den Gebrauchswert eines solchen Grundstücks und vermittle ihm einen beitragsrelevanten Vorteil.


Danach ist dem OVG zufolge festzustellen, dass die streitgegenständlichen Grundstücke zur Zeit des Inkrafttretens der ersten wirksamen Kanalbaubeitragssatzung am 1.1.1986 der Beitragspflicht unterlagen. Da also mithin 1986 in tatsächlicher Hinsicht eine Anschlussmöglichkeit sowohl in Bezug auf den zur öffentlichen Entwässerungseinrichtung gehörenden Sulzbach als auch in Bezug auf den Kanal in der Dudweiler Landstraße bestand, war eine Abgabenpflicht hinsichtlich der verfahrensgegenständlichen Grundstücke spätestens mit Inkrafttreten der Kanalbaubeitragssatzung 1985, also spätestens am 1.1.1986, entstanden und die vierjährige Festsetzungsfrist demgemäß mit Ablauf des 31.12.1990 verstrichen, stellt das OVG fest.