Trübwasser aus Klärschlammentwässerung ist mit Abwasserabgabe zu verrechnen


Das OVG hat damit die Entscheidung des Verwaltungsgerichts bestätigt, dass der entsprechende Festsetzungsbescheid aus dem Oktober 2011 über 325.529,40 EUR rechtswidrig sei. Der Kläranlagenbetreiber könne gemäß § 10 Abs. 3 Satz 1 des Abwasserabgabengesetzes (AbwAG) eine Verrechnung der Abwasserabgabe mit seinen Aufwendungen für die von ihm errichtete Trübwasserbehandlungsanlage beanspruchen. Wie das Gericht erläuterte, können nach dieser Vorschrift Aufwendungen, die für die Errichtung oder Erweiterung von Abwasserbehandlungsanlagen entstanden sind, deren Betrieb eine Minderung der Fracht einer der bewerteten Schadstoffe und Schadstoffgruppen in einem zu behandelnden Abwasserstrom um mindestens 20 Prozent sowie eine Minderung der Gesamtschadstofffracht beim Einleiten in das Gewässer erwarten lässt, mit der für die in den drei Jahren vor der vorgesehenen Inbetriebnahme der Anlage insgesamt für diese Einleitung geschuldeten Abgabe verrechnet werden. Die Voraussetzungen dieser Norm liegen dem OVG zufolge in dem behandelten Fall vor.


Insbesondere handele es sich bei dem Trübwasser auch um einen „Abwasserstrom“ im Sinne des § 10 Abs. 3 Satz 1 AbwAG. Wie ein relevanter Abwasserstrom zu definieren sei, ergebe sich aus dem Wortlaut der Vorschrift nicht, so das Verwaltungsgericht. Nach den Gesetzesmaterialien sei Voraussetzung der Teilstrombetrachtung, dass ein Abwasserstrom auf den zu behandelnden Teil eingegrenzt und damit hinreichend definiert sei. Dies treffe auf das Trübwasser aus der Schlammbehandlungsanlage zu.


Verwaltungsgericht: Klar abgegrenzter Abwasserstrom


Es handele sich um einen klar abgegrenzten Abwasserstrom, nämlich das Trübwasser aus der Schlammbehandlung. Soweit die Behörde meine, innerhalb einer Kläranlage könne es aufgrund der „klärtechnischen Einheit“ - anders als etwa innerhalb einer gewerblichen Produktionsanlage - keine „Abwasserströme“ geben, ergebe sich dafür kein Anhaltspunkt aus dem Gesetz. Der Wortlaut des Paragraphen unterscheide nicht zwischen Abwasserströmen innerhalb von Kläranlagen und anderen Anlagen, in denen Abwasser entstehe oder behandelt werde.


Es müsse lediglich ein „Abwasserstrom“ vorliegen. Da auch die Entwässerung von Klärschlamm eine Form der Abwasserbehandlung darstelle, habe das Verwaltungsgericht keinen Zweifel daran, dass das Trübwasser aus der Schlammbehandlungsanlage ein Abwasserstrom sei, ohne dass es dabei auf die innerbetriebliche oder externe Herkunft des Abwasserstroms ankomme. Die „klärtechnische Einheit“ des Abwassers innerhalb einer Kläranlage stehe jedenfalls einer gesonderten Behandlung einzelner Abwasserströme - soweit derart abgrenzbare Abwasserströme anfielen - nicht entgegen.


Dies entspreche auch dem Sinn und Zweck der Vorschrift, die Anreizfunktion der Abgabe zu nutzen, um die Schädlichkeit des Abwassers durch geeignete Maßnahmen zu verringern. Soweit der Gesetzgeber mit der Ausdehnung der Verrechnung auf den Teilstrom mit dem 4. Änderungsgesetz zum AbwAG aus dem Jahr 1994 insbesondere den abwasserintensiven industriellen Einleitern weit entgegen gekommen sei, da diese bei zahlreichen Teilströmen vielfältige Möglichkeiten der Zwischenbehandlung hätten, schließe dies eine Verrechnungsmöglichkeit bei Teilstrombehandlungen innerhalb von Kläranlagen bzw. bei kommunalen Einleitern nicht aus.


Verrechnungsmöglichkeit wird nicht zu Prämie für beliebige Investitionen


Damit werde die Verrechnungsmöglichkeit auch nicht zu einer Prämie für beliebige Investitionen, so das  Verwaltungsgericht. Vielmehr werde durch die Mindestgrenze einer 20-prozentigen Verringerung der Belastung des Teilstroms und das Erfordernis der erwarteten Entlastung der Gesamtfracht sichergestellt, dass nur solche Investitionen verrechenbar seien, die die Schädlichkeit des Abwassers auch tatsächlich verringerten. Es sei gerade Ziel des Gesetzgebers gewesen, durch die Einführung der Teilstrombetrachtung bereits kleinere, umweltpolitisch besonders begrüßenswerte Investitionen in innerbetriebliche Vermeidungsmaßnahmen zu honorieren.


Nach Auffassung des OVG stellen die gegen diese rechtliche Würdigung des Verwaltungsgerichts von der Behörde im Zulassungsverfahren erhobenen Rügen die Richtigkeit des angegriffenen verwaltungsgerichtlichen Urteils nicht in Frage.


Die Behörde argumentierte, das Trübwasser stelle lediglich einen - nicht abgrenzbaren - Teil des Gesamtzuflusses dar, der erst im Zuge der Behandlung des Klärschlamms und damit erst hinter dem Zulauf der Kläranlage von dem gesamten zu reinigenden Abwasser getrennt werde. Das Trübwasser falle somit erst bei der Abwasserbehandlung auf der Kläranlage an. Es entstamme, wenn auch durch Reinigung und Aufkonzentrierung verändert, dem zugeleiteten Abwasserstrom und werde nach seiner Behandlung erneut dem Zulauf der Kläranlage zugeleitet. Somit handele es sich bei den anfallenden Trübwassermengen bloß um klärtechnisch bedingte Stoffströme und nicht um Abwasserströme i. S. d. § 10 Abs. 3 Satz 1 AbwAG.


Einschränkendes  Verständnis des Begriffs nicht zutreffend


Diese Rüge führt nicht zum Erfolg. Das von der Behörde für richtig gehaltene einschränkende  Verständnis des Begriffs des „zu behandelnder Abwasserstroms“ in § 10 Abs. 3 Satz 1 AbwAG sei weder dem Wortlaut der Norm noch ihrem systematischen Zusammenhang, der Gesetzesbegründung oder ihrem Sinn und Zweck zu entnehmen, stellt das OVG fest.


Insbesondere folge aus der Gesetzesbegründung nicht, dass § 10 Abs. 3 Satz 1 AbwAG mit dem Begriff des „zu behandelnden Abwasserstroms“ nur solche Teilströme erfasst, die schon bei der industriellen oder gewerblichen Herstellung oder Verarbeitung von Produkten entstanden sind und deren Vorbehandlung vor ihrer Zuleitung zur Kläranlage technisch sinnvoll ist, so das OVG. Vielmehr wollte die damalige Neufassung des Paragrafen dem Umstand, dass die durch eine weitergehende Abwasserbehandlung und „vor allem“ durch innerbetriebliche Vermeidungsmaßnahmen technisch erreichbare prozentuale Emissionsminderung immer kleiner wird, dadurch Rechnung tragen, dass künftig die gesetzliche Mindestrate von 20 Prozent nicht mehr auf die Gesamteinleitung, sondern auf den zu behandelnden Abwasserstrom bezogen wird.


Wie sich an der Verwendung des Begriffs „vor allem“ in der Gesetzesbegründung zeige, wollte der Gesetzgeber mit der Neufassung des Paragrafen also nicht ausschließlich Schadstofffrachtminderungen in Abwasserteilströmen innerhalb eines Industrie- oder Gewerbebetriebs honorieren. Vielmehr lasse der entstehungsgeschichtliche belegte Sinn und Zweck, Maßnahmen zur Verringerung der Abwasserschädlichkeit anzustoßen, durchaus auch Raum für eine Anwendung der Vorschrift auf Schadstofffrachtminderungen in Abwasserteilströmen, die erst im Rahmen der Behandlung kommunaler Abwässer – wie der Klärschlammentwässerung - auf der Kläranlage vor der Einleitung des geklärten Abwassers in ein Gewässer entstehen.


Entwässern von Klärschlamm Teil der ordnungsgemäßen Abwasserbeseitigung


Auch den Einwand, der Kläger als Betreiber der Verbandskläranlage teile den dieser Kläranlage zugeleiteten Abwasserstrom „beliebig“ in Teilströme „künstlich“ auf, lässt das OVG nicht gelten. Vielmehr stelle das vom Kläger in seiner Klärschlammbehandlungsanlage in Kammerfilterpressen durchgeführte Entwässern von Klärschlamm in Zusammenhang mit der Abwasserbeseitigung - und somit auch der dabei entstehende Trübwasserstrom - einen in § 54 Abs. 2 Satz 1 WHG ausdrücklich genannten Teil der ordnungsgemäßen Abwasserbeseitigung dar. Zum anderen genüge nicht „jede beliebige klärtechnische Verbesserung“ für eine Verrechnungsfähigkeit von Investitionen.


Vielmehr könnte nach Satz 1 dieser Vorschrift nur Aufwendungen verrechnet werden, die entstanden sind für die Errichtung oder Erweiterung von Abwasserbehandlungsanlagen, deren Betrieb eine Minderung der Fracht einer der bewerteten Schadstoffe und Schadstoffgruppen in einem zu behandelnden Abwasserstrom um mindestens 20 vom Hundert sowie eine Minderung der Gesamtschadstofffracht beim Einleiten in das Gewässer erwarten lässt. Diese normativen Anforderungen verhindern dem Urteil zufolge, dass eine Verrechnungsmöglichkeit nach § 10 Abs. 3 Satz 1AbwAG für „jede beliebige klärtechnische Verbesserung“ besteht.


Den Streitwert hat das OVG auf 325.529,40 Euro festgesetzt.