Systematische Abwasseruntersuchungen könnten Daten liefern, die indirekten Massentests gleichkommen, sagte Robert Möller, Projektmanager bei Analytik Jena. Damit könnten sie als Ergänzung zu nationalen Teststrategien ein genaueres Bild des tatsächlichen Infektionsgeschehens liefern. Allerdings brauche es für die Etablierung eines Frühwarnsystems ausreichende Analysekapazitäten. „Bislang war die Analyse auch wegen der aufwändigen Schritte nur spezialisierten Laboren vorbehalten“, sagte Möller.
Das von Endress+Hauser und Analytik Jena entwickelte Verfahren beruht auf der Real-Time-Polymerase-Kettenreaktion (Real-Time-PCR). Diese Labormethode habe sich als Goldstandard für den direkten und hochsensitiven Nachweis von SARS-CoV-2 in der Forschung und im klinischen Umfeld bewährt. Mit ihr lasse sich auch die in der RNA (Ribonukleinsäure) enthaltene Erbinformation des neuartigen Coronavirus im Abwasser nachweisen. Auf dem Weg zur Detektion gebe es jedoch einige Hürden, so das Unternehmen.
„Es braucht zuerst eine repräsentative Abwasserprobe“, erklärte Achim Gahr, Business Development Manager bei Endress+Hauser Liquid Analysis. „Diese bewegt sich allerdings im Literbereich und ist sehr komplex zusammengesetzt.“ Für die Real-Time-PCR müsse sie speziell aufbereitet werden, und ihr Volumen müsse massiv verkleinert werden.
Fast die gesamte Prozesskette ist teilautomatisiert
Damit diese Schritte auch auf Kläranlagen machbar sind, haben Endress+Hauser und Analytik Jena fast die gesamte notwendige Prozesskette von der Probennahme über die Probenanreicherung und Nukleinsäureextraktion bis hin zum Real-Time-PCR-Nachweis teilautomatisiert, hieß es weiter. Verschiedene Geräte beider Unternehmen würden dabei eingesetzt. Nicht jede Kläranlage müsse in den kompletten Gerätefuhrpark investieren, sagte Möller. „Es genügt, wenn die Expertise und die Ausstattung in regional gut erreichbaren Auftragslaboren zur Verfügung steht.“
Den Anfang mache der automatische Probennehmer Liquistation CSF48, beschreibt Endress+Hauser das Verfahren. Er entnehme dem Kläranlagen-Zustrom im Tagesverlauf immer wieder Abwasser, so dass eine 24-Stunden-Mischprobe entstehe. Durch die Automatisierung würden repräsentative Proben über einen längeren Zeitraum in großer Menge und unter stets gleichen Bedingungen gesammelt, was der Reproduzierbarkeit der Ergebnisse zugutekomme. Der Probenehmer sei konform zu weltweiten Wasserrichtlinien und einfach zu programmieren und zu warten.
Anschließend wird die stark verdünnte Probe aufbereitet, führte Endress+Hauser weiter aus. Dazu werden 100 Milliliter Wasser entnommen und gefiltert. Die Virenreste werden dabei an den Filter gebunden – und danach mit einem Milliliter Wasser wieder von ihm gelöst. Durch diesen Schritt ist die Konzentration der Viren-Fragmente in der Probe erhöht. Die Homogenisierung der Filtermembran erfolge mit der SpeedMill PLUS von Analytik Jena.
Die so erzeugte partikelfreie Probe wird dann in den InnuPure C16 touch von Analytik Jena gegeben, erklärte das Unternehmen. Er könne bis zu 16 Proben gleichzeitig bearbeiten und in Kombination mit dem innuPREP AniPath DNA/RNA Kit-IPC16 aus den Viren automatisiert deren Erbinformation gewinnen. Die extrahierte RNA befinde sich nun in einer Probe von 100 Mikrolitern und könne mit Real-Time-PCR analysiert werden.
In einem Gerät der qTOWER³-Familie von Analytik Jena werden die RNA-Sequenzen in einem thermisch geregelten Prozess mit Hilfe eines Enzyms vervielfältigt. Schon während der Laufzeit zeigt sich, ob die Probe die gesuchte RNA enthält. Je früher sie detektiert wird, desto höher ist die Virenlast.
Verfahren zusammen mit Emschergenossenschaft und Lippeverband entwickelt
Endress+Hauser und Analytik Jena haben das Verfahren gemeinsam mit der Emschergenossenschaft und Lippeverband (EGLV) entwickelt. Es wurde auf einer der Kläranlagen des Verbandes erprobt. „Auf dieser Basis, und weil wir in der Firmengruppe über alle nötigen Technologien verfügen, konnten wir das Verfahren schnell auf die Beine stellen“, sagte Gahr. Die jetzt etablierte Technologie weise zudem neue Wege, die weit über die Bekämpfung der Corona-Pandemie hinausweisen. „Wir arbeiten an Verfahren, um dem Abwasser weitere gesundheitsrelevante Daten abzugewinnen, beispielsweise zu antibiotikaresistenten Keimen“, erklärte Gahr.