Urteil: Kanalsystem muss nicht auf Extremfälle wie Katastrophenregen ausrichtet sein


Die Klägerin begehrt Maßnahmen zum Schutz ihres in der Stadt Wetter gelegenen Grundstücks vor Überflutung durch nicht von der Regenwasserkanalisation aufgenommenes Regenwasser, führt das OVG zum Sachverhalt aus.


Das Niederschlagswasser im Bereich des Grundstücks der Klägerin wird am Wendehammer von einem Schacht in der Nennweite DN 300 in südwestliche Richtung entgegen dem vorhandenen Oberflächengefälle entwässert und bindet in einen weiteren Schacht ein, von dem das gesamte Regenwasser über einen Kanal der Nennweite DN 400, im weiteren Verlauf DN 500, zu einem Regenrückhaltebecken abgeleitet wird. Die Entwässerung des Baugebiets erfolgt zunächst im Trennsystem, wobei der Regenwasser- und der etwa 50 cm tiefer liegende Schmutzwasserkanal parallel in einem Abstand von etwa 60 cm voneinander entfernt verlaufen. Im späteren Verlauf mündet der Schmutzwasserkanal in einen Mischwasserkanal, erläutert das OVG.


Einbau weiterer Straßeneinläufe
nach Starkregenereignis


Nach einem Starkregenereignis am 21. August 2011 wurde der Keller des Einfamilienhauses der Klägerin überflutet. Dabei konnten die vorhandenen Straßeneinläufe sowie das zu diesem Zeitpunkt noch nicht vollständig ausgebaute Regenwasserkanalisationsnetz das anfallende Niederschlagswasser nicht aufnehmen, so dass dieses über die Grundstückszufahrt auf das Grundstück und in den Keller der Klägerin gelangte. Durch das eingedrungene Wasser entstand der Klägerin ein Sachschaden in Höhe von etwa 125.000 Euro. Nach diesem Starkregenereignis ließ die Stadtbetrieb Wetter (Ruhr) AöR im Jahr 2012 zwei weitere Straßeneinläufe im Bereich des Wendehammers vor dem Grundstück der Klägerin einbauen.


Der Stadtbetrieb ließ im Dezember 2016 den im Bereich des Wendehammers gelegenen Regenwasserschacht sowie den zu drei bis fünf Prozent ausgelasteten Schmutzwasserschacht 2032240 durch eine Rohrleitung als Notüberlauf miteinander verbinden. Dabei wurde zwischen den Schachtbauwerken der beiden Schächte eine PVC-U-Rohrleitung der Nennweite DN 200 als Notüberlaufmöglichkeit verlegt. Mit Ausnahme des Notüberlaufs aus dem Regenwasserkanal wird kein Niederschlagswasser in den Schmutzwasserkanal eingeleitet.


Eigentümerin sieht Anspruch
auf Folgenbeseitigung


Die Eigentümerin erhob im Januar 2017 Klage mit der Begründung, ihr stehe ein Anspruch auf Folgenbeseitigung zu, der darauf gerichtet sei, die derzeitige unzureichende Entwässerungssituation zu beseitigen und einen ausreichenden Überflutungsschutz herbeizuführen.


Das Verwaltungsgericht Arnsberg wies die Klage durch ein Urteil vom 7. Juni 2018 ab (Aktenzeichen 7 K 659/17). Die Regenwasserkanalisation entspreche den einschlägigen anerkannten Regeln der Technik. In ihrer dagegen gerichteten Berufung brachte die Eigentümerin unter anderem vor, es sei bei dem Starkregenereignis vom 14. Juli 2021 zu einer Beeinträchtigung ihres Grundstücks gekommen. Wassermassen aus den westlich angrenzenden Feldern seien zwischen den Häusern hindurch und wie ein reißender Bach auf den Wendehammer zugeflossen. Dort hätten sie zeitweilig den Straßeneinlauf an ihrem Grundstück überflutet. Wasser sei so in die Einfahrt der Klägerin gelangt und habe sich dort verteilt.


Die Klägerin beantragte, den Stadtbetrieb zu verurteilen, im Bereich des Wendehammers vor dem Grundstück die Regenwasserkanalisation so auszubilden, dass diese in der Lage ist, einen mindestens 20-jährigen Bemessungsregen aufzunehmen und so abzuführen, dass das Grundstück nicht überflutet wird, oder hilfsweise im Bereich des Wendehammers ein Rückstaubecken mit einem Volumen von 240 Kubikmetern auszuführen.


OVG: Kein Abwehr- und
Unterlassungsanspruch


Dem OVG zufolge hat die Eigentümerin gegen den Stadtbetrieb keinen Anspruch auf die geltend gemachte Maßnahme. Sie könne die beantragten Maßnahmen von der Beklagten nicht auf Grundlage eines allein in Betracht kommenden öffentlich-rechtlichen Abwehr- und Unterlassungsanspruchs verlangen.


Für die von der Klägerin begehrte Unterlassung künftiger Störungen durch öffentliche Einrichtungen wäre der öffentlich-rechtliche Abwehr- und Unterlassungsanspruch als Ausprägung des allgemeinen Abwehr-, Unterlassungs- und (Folgen-)Beseitigungsanspruchs anzuwenden. Dessen Voraussetzungen seien aber hier nicht gegeben, denn er setze voraus, dass zu besorgen sei, die Beklagte werde künftig durch ihr hoheitliches Handeln rechtswidrig in die geschützte Rechts- und Freiheitssphäre der Klägerin eingreifen.


Der Stadtbetrieb habe aus dem Betrieb der öffentlichen Entwässerungseinrichtung die Verpflichtung, das Eigentum der Klägerin nicht rechtswidrig zu stören. Er müsse dabei aber nicht unbegrenzt dafür einstehen, dass das Grundstück der Klägerin von Überschwemmungen durch versickerndes oder ablaufendes Oberflächenwasser verschont bleibt, stellt das OVG fest. Der Stadtbetrieb müsse sein Kanalsystem nicht auf Extremfälle wie einen ganz ungewöhnlichen und seltenen Starkregen, einen so genannten Katastrophenregen, ausrichten.


Regenkanalisation erfüllt
Anforderungen


Die Regenkanalisation erfülle seit der Errichtung eines Notüberlaufs in den Schmutzwasserkanal nach den Feststellungen des Gutachters vom April und Mai 2016 sowie vom Dezember 2021 die Anforderungen an die anerkannten Regeln der Technik, heißt es in dem Urteil.


Die im Dezember 2016 durchgeführten Arbeiten am Kanalisationsnetz, bei der ein Notüberlauf vom Regenwasserschacht zum Schmutzwasserkanal errichtet wurde, führen nach den nachvollziehbaren und detaillierten Angaben des Gutachtens aus Dezember 2021 dazu, dass das Entwässerungssystem nunmehr in der Lage ist, auch im Falle eines 20-jährigen Regenereignisses eine Überflutung des Grundstücks der Klägerin zu verhindern, stellt das OVG fest.


Trennsystem wird nicht aufgegeben


Das grundsätzlich vorhandene Trennsystem werde dabei nicht - wie die Klägerin meint - aufgegeben, sondern es werde temporär, wie vom NRW-Runderlass zur Niederschlagsentwässerung im Trennverfahren vorgesehen, das Niederschlagswasser bei Starkregen in den Schmutzwasserkanal abgeführt. Das Schmutzwasser aus dem Neubaugebiet werde auch im weiteren Verlauf in ein Mischwassernetz abgeleitet.


Dass es bei dem Regenereignis im Juli 2021, einem Wetterereignis mit einer über 100-jährigen Wiederkehr, nur zu einem Überstau der Haltung vor ihrer Einfahrt und nicht zu weiteren Schäden trotz eines über 100-jährigen Regenereignisses gekommen ist, belegt dem OVG zufolge  die Leistungsfähigkeit des errichteten Überlaufs.