Der klagende Grundstückseigentümer wandte sich gegen die Festsetzung einer Niederschlagswassergebühr durch die beklagte Behörde. In der Gemeinde, in der im Jahr 2018 etwa 740 Einwohner leben, wurde zwischen 1983 und 1991 in zwei Bauabschnitten die Kläranlage im Mischwassersystem mit Klärteichanlage geplant und errichtet, heißt es in dem Urteil zum Tatbestand.
Davon gab es aber Ausnahmen: Eine Ausnahme besteht in dem vorher errichteten Baugebiet, in dem ein Trennsystem mit einem eigenen Schmutzwasserkanal und eigenen Niederschlagswasserkanal hergestellt wurde. Das dortige Niederschlagswasser wird in ein Fließgewässer eingeleitet. Eine weitere Ausnahme besteht für ein Neubaugebiet, in dem das Schmutz- und das Straßenoberflächenwasser in einen vorhandenen Mischkanal entwässert werden und das Niederschlagswasser gemäß den jeweiligen Bauauflagen auf den Grundstücken in Zisternen versickern soll. In der Gemeinde existiert seit 1987 eine Abwassersatzung mit einem Anschluss- und Benutzungszwang zur Abwasserentsorgung.
Von 1987 bis Ende 2018 erhob die Gemeinde eine sogenannte „Pro-Kopf-Pauschale“ Abwasser, die auch einen Anteil für die Entsorgung des Niederschlagswassers enthielt. Durch die Zahlung der Beträge in Form der „Pro-Kopf-Pauschale“ wurde von der Behörde mit dem Ende des Haushaltsjahres 2016 eine „Rücklage für die Kläranlage“ festgestellt.
Gemeinde führt verbrauchsabhängige Schmutzwassergebühr ein
Anfang 2019 wurden die Anwohner von der Gemeinde darüber informiert, dass zum 1. Januar 2019 eine verbrauchsabhängige Schmutzwassergebühr eingeführt und eine Grundermittlung zur Einführung der Niederschlagswassergebühr durchgeführt werde.
Gegen den folgenden Abgabenbescheid vom April 2019 legte der Kläger Widerspruch ein, den die beklagte Behörde zurückwies, und erhob daraufhin Klage. Bedenken gegen die Satzungsgrundlagen bestünden im Hinblick darauf, dass die Abwasserbeseitigungssatzung 2018 sich auf ein Abwasserbeseitigungskonzept aus dem Jahre 1983 und eine Genehmigung aus 1986 stütze. Es gebe in der Gemeinde erhebliche Änderungen in der Bebauung und strukturelle Änderungen und Ausweitungen versiegelter Flächen und letztlich eine Häufung von Starkregenereignissen mit Überflutungsproblematik. Auch zahlreiche Rechtsvorschriften sowie der Stand der Technik hätten sich seitdem geändert.
In der Gebührenkalkulation und auch in der beschlossenen Kosten- und Gebührensatzung fehle jede Differenzierung danach, ob das Niederschlagswasser von versiegelten Flächen auf dem Grundstück versickere, also überhaupt in die Niederschlagswasserkanalisation gelange, oder nicht. Rechtswidrig sei auch die fehlende Differenzierung der unterschiedlichen Abflussbeiwerte verschiedener Oberflächen z. B. bei Rasengitter, Kies, Schotter 0,3, bei Betonpflaster 0,6 und bei Ziegeldächern von 0,8, so der klagende Eigentümer.
Für die Bereiche eines Bebauungsplans und für Außenlieger sei in der Allgemeinen Abwassersatzung geregelt, dass die Pflicht zur Beseitigung des Niederschlagswassers auf die Eigentümer der jeweiligen Grundstücke übertragen werde. Demzufolge würden die Eigentümer dieser Grundstücke auch nicht zur Zahlung der Niederschlagswassergebühr verpflichtet. Das sei eine Ungleichbehandlung mit den Eigentümern in der Gemeinde, die ihr Niederschlagswasser von den versiegelten Flächen auch auf ihrem Grundstück versickerten und trotzdem zur Gebührenzahlung herangezogen würden, brachte der Kläger vor.
Verwaltungsgericht weist Klage ab
Das Schleswig-Holsteinische Verwaltungsgericht hat die Klage abgewiesen. Der Gleichheitsgrundsatz sei nach der Rechtsprechung dann gewahrt, wenn diejenigen Gebührenpflichtigen, die eine Einrichtung in ungefähr gleichem Ausmaß in Anspruch nehmen, auch ungefähr gleich hohe Gebühren zahlen müssen, bei unterschiedlicher Benutzung dagegen diesen Unterschieden entsprechend in etwa angemessene Gebühren zu zahlen haben, heißt es in dem Urteil.
Im Bereich der Ableitung von Niederschlagswasser sei der Flächenmaßstab nach der bebauten und befestigten Grundstücksfläche als Wahrscheinlichkeitsmaßstab anerkannt. Denn das Maß der Nutzung eines öffentlichen Kanalnetzes, das der Aufnahme und Ableitung von Regen- und Schmelzwasser dient, bemesse sich danach, wieviel Oberflächenwasser eingeleitet wird. Die Dimensionierung müsse sich an den voraussichtlich bei starken Regenfällen dem Kanalnetz zufließenden Wassermengen orientieren. Abgeleitet wird es regelmäßig von den bebauten und befestigten Flächen, während es auf den unbefestigten Flächen im Boden versickert. Es bestehe eine gewisse Wahrscheinlichkeit dafür, dass – in etwa gleiche topographische Verhältnisse vorausgesetzt – von überdachten, überbauten und regenundurchlässig befestigten Grundstücksflächen mehr und schneller Regenwasser der Kanalisation zufließt als von anderen Grundstücksflächen, bei denen ein Teil der anfallenden Regenmenge versickern kann, führt das Gericht aus.
Pflicht zur Aufteilung der unterschiedlichen Kostenträger
Unter Berücksichtigung dieser Vorgaben unterliege der von der Gemeinde gewählte Gebührenmaßstab der bebauten und befestigten Fläche für die Niederschlagswasserbeseitigung keinen rechtlichen Bedenken. Entgegen der Annahme des Klägers sei sie zu der Umstellung von der zuvor bis zum Jahre 2018 erhobenen Einheitsgebühr für die Niederschlags- und Schmutzwasserbeseitigung nicht nur berechtigt, sondern sogar verpflichtet gewesen, eine Aufteilung der unterschiedlichen Kostenträger vorzunehmen.
Soweit es die gemeinsame Beseitigung von Schmutz- und Regenwasser betrifft, habe die Rechtsprechung im Hinblick auf die Tauglichkeit des Frischwassermaßstabes die Bildung einer „Einheitsgebühr“ in den Fällen für rechtlich unbedenklich gehalten, in denen mit Blick auf die nicht besonders erfasste Beseitigung von Niederschlagswasser bestimmte prozentuale Anteilsgrenzen nicht überschritten worden waren. Das sei bei Entwässerungssystemen zu rechtfertigen, die für alle angeschlossenen Grundstücke die Entsorgung sowohl des Schmutzwassers als auch des Niederschlagswassers bereitstellen, und gelte nur für den Fall, dass die Kosten der Niederschlagswasserbeseitigung im Verhältnis zu den Kosten der gesamten Entwässerung als geringfügig angesehen werden können. Anderenfalls müsse eine gesonderte Niederschlagswassergebühr – die „gesplittete Abwassergebühr“ - erhoben werden.
Veränderungen in der räumlichen Struktur ohne Relevanz
Im Rahmen des Äquivalenzprinzips sei die getrennte Gebühr auch dann zulässig, wenn diese Erheblichkeitsschwelle nicht erreicht ist, da sie eine besonders gerechte Möglichkeit des Vorteilsausgleichs bei gleichzeitigem Anfall von Schmutz- und Niederschlagswasser darstelle.
Das Abwasserbeseitigungskonzept aus dem Jahr 1983 habe seine Gültigkeit nicht verloren; etwaige Normen im Landeswassergesetz über den Gültigkeitsablauf allein aus zeitlicher Hinsicht seien nicht ersichtlich. Mögliche Veränderungen in der räumlichen Struktur – der von dem Kläger vorgetragene Rückgang landwirtschaftlicher Betriebe und Gewerbe – seien ohne Relevanz für die Betrachtung, denn die Ableitung des Niederschlagswassers und dessen Umfang rühre allein aus dem Maß der versiegelten Flächen her. Dass sich ein Rückbau versiegelter Flächen ergeben habe, sei weder dem Vortrag des Klägers noch den Unterlagen zu entnehmen. Auch habe sich seitdem die Leitungssituation mit dem vorhandenen Trenn- und Mischsystem sowie der Versickerung des Niederschlagswassers im Bebauungsplangebiet nicht verändert.
Das Argument des Klägers, dass die Einwohneranzahl 1983 mit derjenigen 2018 nicht verglichen werden könne, sei im Zusammenhang mit einer etwaigen Unwirksamkeit des Maßstabes für die Niederschlagswassergebühr nicht relevant. Denn die Einwohnerzahl habe auf die versiegelte Fläche als Maßstabseinheit keinen Einfluss. Sie hätte allenfalls Auswirkungen auf den – hier nicht maßgeblichen – Frischwassermaßstab.
Für Gleichheitsgrundsatz nicht zwischen der
Einleitung in Misch- oder Trennkanalisation zu unterscheiden
Es bedarf dem Gericht zufolge bei der Erhebung der Niederschlagswassergebühr für die Berücksichtigung des Äquivalenzprinzips und des Gleichheitsgrundsatzes auch keiner Unterscheidung zwischen der Einleitung in die Misch- oder Trennkanalisation. Denn in beiden Fällen bleibe der Umfang der Inanspruchnahme der öffentlichen Einrichtung für alle Gebührenschuldner in etwa gleich, da alle gleichermaßen das auf ihrem Grundstück anfallende Niederschlagswasser ableiten und der Gemeinde zur schadlosen Beseitigung überantworten können und wegen des bestehenden Anschluss- und Benutzungszwangs sogar müssen.
Unerheblich sei daher das Argument des Klägers, dass das Niederschlagswasser aus dem Bereich des Bebauungsplanes im Trennsystem nicht in die Klärteichanlage der Gemeinde, sondern in den Verbandsgraben eingeleitet werde. Denn welchen Aufwand die Gemeinde für die Beseitigung des Abwassers hat, spiele keine Rolle. Im Übrigen sei es auch sachgerecht, die Kosten für den Betrieb der Entwässerungsanlage nach einheitlichen Gebührensätzen auf alle Nutzer umzulegen, denn die Behörde betreibe eine einheitliche Entwässerungsanlage für alle Nutzer, so dass auch in dieser Hinsicht eine Differenzierung des Gebührensatzes nach möglicherweise unterschiedlichen Kosten für einzelne Teile der Anlage ausscheide.