Die potenziellen Vorräte könnten dem einen Viertel der Menschen auf der Erde helfen, das mit Wasserknappheit in den Bereichen Trinkwasser, Hygiene, Landwirtschaft und wirtschaftliche Entwicklung zu kämpfen hat, heißt es in dem in der vergangenen Woche von dem UNU-INWEH vorgestellten Buch mit dem Titel „Unconventional Water Resources“. „Die wasserarmen Länder brauchen ein radikales Umdenken bei der Planung und Bewirtschaftung von Wasserressourcen, das die kreative Nutzung einer wachsenden Zahl lebensfähiger, aber unkonventioneller Wasserressourcen für die Nahrungsmittelproduktion, den Lebensunterhalt, die Ökosysteme, die Anpassung an den Klimawandel und die nachhaltige Entwicklung einschließt", sagte Vladimir Smakhtin, der Direktor des UNU-INWEH.
Gewinnung von Wasser aus der Luft, Regenverstärkung und Nebel
In dem Buch werden sechs große Kategorien von unkonventionellen Wasserquellen unterschieden, darunter die Gewinnung von Wasser aus der Luft durch Wolkenimpfung und Nebelsammler. Die Atmosphäre enthalte schätzungsweise 13.000 km3 Wasserdampf, von denen ein Teil durch Wolkenimpfung und das Sammeln von Wasser aus Nebel und Dunst aufgefangen werden könne. Der jährliche weltweite Süßwasserbedarf werde auf etwa 4.600 km3 geschätzt.
Cloud Seeding, die „Impfung“ von Wolken, um künstlich Regen zu erzeugen, könne unter den richtigen Bedingungen die Niederschlagsmenge um bis zu 15 Prozent erhöhen. Studien zeigten, dass die Regenverstärkung mit einem vernünftigen Kosten-Nutzen-Verhältnis funktionieren könne. Immer mehr Länder planten die Durchführung von Regenverstärkung als Reaktion auf die Wasserknappheit.
Die Nebelsammlung werde in abgelegenen Gemeinden in Chile, Marokko und Südafrika seit über 100 Jahren mit Hilfe vertikaler Maschennetze angewendet, und auf allen Kontinenten gebe es geeignete Standorte für die Nebelnutzung. Fortschritte bei den Materialien und das Wissen der Einheimischen hätten dazu beigetragen, hochproduktive, relativ kostengünstige und umweltfreundliche Konstruktionen zum Auffangen von Trinkwasser zu entwickeln - mehr als 20 Liter an einem Tag mit dichtem Nebel für jeden Quadratmeter Netz. Bei Gesamtkosten von weniger als 250 Dollar pro Quadratmeter Maschenweite und einer Lebensdauer von mehr als einem Jahrzehnt würden etwa 75.000 Liter pro Quadratmeter zu einem Preis von nur 33 Cent pro Liter produziert.
Energieaufwand bei Entsalzung um 20 bis 35 Prozent zu senken
Im Hinblick auf die heute energieintensive Entsalzung heißt es, dass innovative Technologien wie mit Nanopartikeln verbesserte Membranen und Vorwärtsosmose den Energieaufwand um 20 bis 35 Prozent senken könnten. Gleichzeitig fielen bei der Entsalzung enorme Mengen an Salzlauge an, die dort, wo sie eingeleitet wird, immer mehr zu einem Schadstoff wird. Neue Technologien, mit denen Salze, Magnesium und andere Metalle aus der Sole extrahiert werden können, um kommerziell nutzbare Produkte zu erzeugen, könnten dem Institut zufolge die Kosten für die Produktion von entsalztem Wasser im nächsten Jahrzehnt ausgleichen.
Durch Entsalzung würden derzeit pro Tag über 100 Millionen Kubikmeter Wasser gewonnen, mit denen etwa fünf Prozent der Weltbevölkerung versorgt würden. Diese Menge werde sich bis 2030 voraussichtlich verdoppeln, während die Kosten um 50 Prozent sinken würden, erwarten die Autorinnen und Autoren des Buches. Neue Entwicklungen in der Entsalzung würden sie wahrscheinlich zur kostengünstigsten unkonventionellen Wasserversorgungsquelle weltweit machen, insbesondere in Ländern mit niedrigem Einkommen.
Wiederverwendung von Abwasser: Akzeptanz als Herausforderung
Des Weiteren empfehlen die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler die Wiederverwendung von Wasser - moderne kommunale Abwasserbehandlungssysteme böten eine Wasserquelle und schützten gleichzeitig hochwertiges Oberflächen- und Grundwasser. Allerdings bleibe die Akzeptanz von wiederverwendetem Abwasser in der Bevölkerung und bei politischen Entscheidungsträgern eine Herausforderung. Aufbereitetes Abwasser werde aber zunehmend zur Wiederauffüllung unterirdischer Grundwasserleiter verwendet, die in einer Reihe von Ländern die Trinkwasserversorgung sicherstellen.
So decke aufbereitetes Abwasser 25 Prozent der Trinkwasserversorgung von Windhoek in Namibia und 40 Prozent des Bedarfs von Singapur. San Diego in Kalifornien, und andere US-Städte gewinnen den Angaben zufolge ebenfalls einen Teil ihres Trinkwassers auf diese Weise, während Israel und andere Länder fast ein Viertel ihres Wasserbedarfs in der Landwirtschaft mit aufbereitetem Abwasser deckten. Derzeit würden rund 70 Prozent der kommunalen Abwässer in Ländern mit hohem Einkommen aufbereitet, in Ländern mit niedrigem Einkommen seien es nur acht Prozent, so die Forschenden. Die jährliche Menge an unbehandeltem kommunalem Abwasser wird auf 171 km3 geschätzt, wovon ein Großteil in die Umwelt gelange und die Wasserqualität in vielen Teilen der Welt beeinträchtige.
Landwirtschaftliches Drainagewasser wiederverwenden
Möglichkeiten sieht das Institut auch im Hinblick auf das landwirtschaftliche Drainagewasser. Durch eine bessere Konservierung und Wiederverwendung von bewässertem landwirtschaftlichem Drainagewasser könnten mit der gleichen Wassermenge noch mehr Nahrungsmittel angebaut werden. Das erfordere allerdings besondere Sorgfalt und Bewirtschaftung, da Drainagewasser immer salzhaltiger ist als das Bewässerungswasser, aus dem es gewonnen wird. Zyklische Bewirtschaftung und Mischbewirtschaftung seien dabei wichtige Optionen, bei denen ein Feld das bewässerte Drainagewasser eines anderen Feldes nutzt und ein drittes Feld dieses Drainagewasser gemischt mit Süßwasser verwendet. Wasser und Salz aus supersalinen Drainagen könnten durch solare Verdunstung geerntet werden.
Erschließung von Süß- und Brackwasser offshore und onshore
Das Volumen des erneuerbaren Grundwassers beträgt den Forschenden zufolge bis zu fünf Millionen km3, wobei ein Großteil davon eher brackig sei. Der Meeresboden in Küstennähe verfüge über beträchtliche Mengen an Süß- und Brackwasser, und weltweit gebe es Wassermengen von schätzungsweise 300.000 bis 500.000 km3 in Grundwasserleitern in geringer Tiefe auf den Kontinentalsockeln. Diese Aquifere befinden sich weniger als 100 km vor der Küste.
Heute lieferten neue elektromagnetische Explorationsmethoden detaillierte Bilder von Offshore-Süßwasser. Diese Bilder könnten in Verbindung mit horizontalen Bohrtechnologien die Förderung wirtschaftlich bedeutender Süßwassermengen ermöglichen, die mindestens 30 Jahre lang an Land gepumpt werden könnten. Bislang seien noch keine Offshore-Süßwasserressourcen erschlossen worden.
Große kontinentale Brackwasserressourcen
Den Forschenden zufolge gibt es schätzungsweise Millionen von Kubikkilometern an tiefen Grundwasserleiter im Landesinneren mit Brack- oder Salzwasser. In den USA sei die Zahl der Brackwasser-Entsalzungsanlagen mit Umkehrosmose zur Trinkwassergewinnung mit dem Rückgang der flachen Süßwasserquellen bereits exponentiell gestiegen, und in Israel und Spanien werde aus Brackwasser gewonnenes entsalztes Wasser auch für den Anbau hochwertiger Nutzpflanzen verwendet.
Die hohen Kosten für die Gewinnung aus tiefen Grundwasserleitern könnten gesenkt werden, indem auch hier elektromagnetische Untersuchungen durchgeführt würden, um relativ ergiebige Süß- bzw. Brackwasserquellen zu finden und dort Entsalzungsanlagen zu errichten, heißt es weiter. Die Verbesserung der Effizienz solcher Anlagen werde eine breitere Nutzung von entsalztem Wasser in der Landwirtschaft ermöglichen. Vor allem tiefe unterirdische Aquifere könnten heißes Brackwasser enthalten, das zunächst für die geothermische Beheizung von Gewächshäusern und Aquakulturanlagen genutzt und dann entsalzt werden könne, was die Gesamtkosten senke.
Auffangen von Regenwasser, das sonst verdunsten würde
Vor dem Hintergrund, dass in trockenen Gebieten in der Regel über 90 Prozent des Regenwassers durch Verdunstung und Oberflächenabfluss verloren gehen, sehen die Autorinnen und Autoren die Regenwassernutzung auf kleinstem Raum als eine gute Möglichkeit, Wasser für die Pflanzenproduktion und den lokalen Bedarf aufzufangen. Es handle sich dabei um eine uralte Praxis, bei der eine breite Palette von Techniken zum Einsatz komme, die von der Sammlung auf Dächern und in Zisternen bis hin zu landwirtschaftlichen und landschaftlichen Systemen reiche, wie z. B. Höhenrücken, Dämme, kleine Abflussbecken und Streifen.
Selbst in sehr trockenen Gebieten könne durch das Sammeln von Regenwasser auf drei Vierteln der Fläche und die Nutzung des verbleibenden Viertels oft ausreichend Wasser für die Bewässerung des Viehs und den Anbau von Sträuchern bereitgestellt werden.
Verbringung von Wasser in Ballasträumen von Schiffen oder
beim Schleppen von Eisbergen
Schließlich verweisen die Forschenden auf die physikalische Verbringung von Wasser in wasserarme Gebiete in den Ballasträumen von Schiffen oder beim Schleppen von Eisbergen. Schiffe ließen jedes Jahr etwa zehn Milliarden Tonnen Ballastwasser ab. Nach dem Internationalen Übereinkommen über die Kontrolle und das Management von Schiffsballastwasser und Sedimenten müssten alle Schiffe mit einer Bruttoraumzahl von 400 und mehr über bordeigene Aufbereitungsmöglichkeiten verfügen, um das Ballastwasser zu entsalzen, invasive Wasserorganismen und ungesunde chemische Verbindungen zu entfernen und es für andere wirtschaftliche Aktivitäten wie die Bewässerung zu nutzen. Dieses Wasser könnte an Hafenstädte in trockenen Regionen verkauft werden.
Die mehr als 100.000 Eisberge in der Arktis und Antarktis, die jedes Jahr ins Meer schmelzen, enthalten den Angaben zufolge mehr Süßwasser, als die Welt verbraucht. Die Gewinnung von Süßwasser aus Eisbergen werde seit langem diskutiert, aber nicht als praktikabel angesehen. Allerdings würden trotzdem Eisberge geschleppt, um 700 Einwohner von Qaanaaq, Grönland, mit Wasser zu versorgen.
Das Schleppen von Eisbergen über große Entfernungen sei noch nie versucht worden, da das Wasservolumen dabei erheblich verloren geht und das Eis während des Schleppens brechen könnte. Eine Analyse der finanziellen Machbarkeit des Schleppens von Eisbergen nach Kapstadt, Südafrika, lege jedoch nahe, dass es sich um eine wirtschaftlich attraktive Option handle, wenn die zu schleppenden Eisberge groß genug sind. Studien zufolge würde das Einwickeln der Eisberge in ein Netz und dann in einen Megasack wahrscheinlich das Auseinanderbrechen verhindern und das Abschmelzen verringern. Die Umwandlung eines Eisbergs in Trinkwasser am Bestimmungsort und die Umweltauswirkungen stellten allerdings weitere Herausforderungen dar.