Die Klägerin ist seit Dezember 2019 Eigentümerin eines mit einem Wohnhaus bebauten Grundstücks, das zur Straße hin abfällt. Im Jahr 1965 hatte die beklagte Stadt dem damaligen Eigentümer die Errichtung einer Entwässerungsanlage auf dem Grundstück genehmigt, heißt es in dem Urteil zum Sachverhalt. Dabei ging es um eine Klärgrube mit angeschlossenem Sickerbrunnen für den dort zu errichtenden Bungalow; das anfallende Schmutzwasser sollte in der Klärgrube vorgeklärt und gemeinsam mit dem Regenwasser über den Sickerbrunnen zur Versickerung gebracht werden.
Nach der Errichtung einer Vollkanalisation vor dem Grundstück sollte die Anlage gemäß der Entwässerungssatzung der Stadt entsprechend geändert werden. In der Straße vor dem Grundstück verläuft seit 1991 ein Mischwasserkanal. Anfang 1991 forderte die Stadt den damaligen Eigentümer des Grundstücks dementsprechend auf, den Kanalanschluss für das Grundstück bis zum 1. August 1991 herzustellen. Dies geschah für das Abwasser aus dem Haushalt, dass in die Mischwasserkanalisation eingeleitet wurde.
Anlässlich einer Überprüfung der Anschlussverhältnisse im Zuge der Erhebung von Niederschlagswassergebühren gab die Eigentümerin im März 2020 eine Flächenerklärung ab. Danach entwässerten die bebauten Flächen des Grundstücks - ca. 148 m² – gar nicht und die befestigten Flächen - insgesamt ca. 42 m² – nur mit 32 m² in den öffentlichen Kanal.
Stadt bittet um Anschluss an öffentliche Kanalisation
Nachdem die Stadt die Eigentümerin im Oktober 2020 gebeten hatte, das Grundstück wegen des auf dessen bebauten und befestigten Flächen anfallenden Niederschlagswassers an die öffentliche Kanalisation anzuschließen, machte die Klägerin unter anderem geltend, die Dachflächen des Hauses würden seit 50 Jahren über das Grundstück entwässert und es sei nie zu einer Überschwemmung der Häuser in der Nachbarschaft oder der Straße gekommen. Im Zuge der Gartenneugestaltung sei das Niederschlagswasser durch einen künstlich angelegten Bachlauf geführt und in einen Teich abgeleitet worden, der als Überlaufteich angelegt sei. Überschüssiges Wasser fließe in ein Kiesbett zur weiteren Filterung. Von dort werde das restliche überschüssige Wasser in einen sechs Meter tiefen, gut funktionieren Sickerbrunnen geleitet.
Eigentümerin betont Vorteile der Versickerung
Nicht nachvollziehbar sei, dass das Auffangen von Regenwasser zur Gartenbewässerung nicht erwünscht zu sein scheine und stattdessen hochwertiges Trinkwasser genutzt werden solle, erklärte die Eigentümerin. Aufgrund der heißen Sommer gebe es zudem sinkende Grundwasserstände. Die Stadt sei im Jahr 2018 mit dem „Blauen Kompass“ für die Versickerung von Regen in das Grundwasser ausgezeichnet worden. Das Anschlussverlangen stehe dazu in Widerspruch.
Daraufhin teilte die Stadt der Klägerin mit, dass sie das Regenwasser weiterhin in geeigneten Vorrichtungen auffangen und zur Bewässerung des Gartens nutzen dürfe; werde ein Überlauf mit Anschluss an den öffentlichen Kanal geschaffen, sei die Anschlusspflicht aus Sicht der Technischen Betriebe erfüllt.
Im März 2021 forderte die Stadt die Eigentümerin auf, das von den bebauten und befestigten Flächen des streitgegenständlichen Grundstücks abfließende Niederschlagswasser in den öffentlichen Mischwasserkanal einzuleiten und die dazu erforderlichen Hausanschlussleitungen bzw. Überlaufe unverzüglich herzustellen. Für den Fall, dass sie der Anordnung zuwiderhandle, drohte ihr ein Zwangsgeld in Höhe von 1.000 Euro.
Zur Begründung berief sich die Stadt auf die Abwasserüberlassungspflicht nach dem Landeswassergesetz und den Anschluss- und Benutzungszwang nach der städtischen Entwässerungssatzung.
Kein Vorrang der Beseitigung auf dem Grundstück
Das Verwaltungsgericht Düsseldorf hat die dagegen erhobene Klage der Eigentümerin abgewiesen. Der Gesetzgeber dürfe im Rahmen seiner Abwägungsbefugnisse zur Sicherung des hochrangigen Schutzgutes der Reinhaltung der Gewässer, aber auch zum Schutz des gewichtigen öffentlichen Interesses an der ordnungsgemäßen Ableitung von Niederschlagswasser schutzgutfördernd das Instrument der Abwasserüberlassungspflicht einführen. Das habe NRW im Landeswassergesetz (LWG) auch bezüglich des Niederschlagswassers getan. Damit dürfe die Stadt den Anschluss- und Benutzungszwang auch auf diese Abwasserart erstrecken.
Dies gelte umso mehr, als der Landesgesetzgeber 2005 durch die Neufassung des heutigen § 44 Abs. 1 S. 1 klargestellt habe, dass Niederschlagswasser von Grundstücken, die nach dem 1. Januar 1996 erstmals bebaut, befestigt oder an die öffentliche Kanalisation angeschlossen werden, zu versickern, zu verriegeln oder ortsnah direkt oder ohne Vermischung mit Schmutzwasser über eine Kanalisation in ein Gewässer einzuleiten ist, sofern dies ohne Beeinträchtigung des Wohls der Allgemeinheit möglich ist. Durch die Neuregelung wollte der Gesetzgeber dem Gericht zufolge verdeutlichen, dass das LWG kein Vorrangprinzip beinhaltet, wonach Niederschlagswasser in erster Linie auf dem Grundstück zu beseitigen wäre, und dass auch eine Entwässerung über eine Trennkanalisation der generellen Zielsetzung des LWG entspricht.
Mischnetz bei zu hohem Aufwand für Trennung weiter zulässig
Dass der Landesgesetzgeber einer Abwasserbeseitigung auf dem Grundstück auch weiterhin keinen Vorrang vor einer Entwässerung über die öffentliche Kanalisation verleihe, verdeutlicht dem Gericht zufolge insbesondere auch die Änderung, die § 44 LWG durch das „Gesetz zur Änderung des Landeswasserrechts“ vom 4. Mai 2021 erfahren hat. Mit dem neu eingefügten § 44 Abs. 1 S. 2 LWG habe der Landesgesetzgeber klargestellt, dass (sogar) Niederschlagswasser, das aufgrund einer nach bisherigem Recht zugelassenen Kanalisationsnetzplanung gemischt mit Schmutzwasser einer öffentlichen Abwasserbehandlungsanlage zugeführt wird oder werden soll, weiterhin über das Mischnetz beseitigt werden kann, wenn der technische oder wirtschaftliche Aufwand unverhältnismäßig ist.
Kein Vorrang einer dezentralen Beseitigung des
Niederschlagswassers
Die landesgesetzliche Anordnung der Überlassungspflicht für Niederschlagswasser und ein daran anknüpfender Anschluss- und Benutzungszwang stehen dem Urteil zufolge auch in Einklang mit den vorrangigen bundesgesetzlichen Regelungen in § 55 Abs. 2 WHG über die Grundsätze der Niederschlags- und Abwasserbeseitigung. Dort ist bestimmt, dass Niederschlagswasser ortsnah versickert, verrieselt oder direkt oder über eine Kanalisation ohne Vermischung mit Schmutzwasser in ein Gewässer eingeleitet werden soll, soweit dem weder wasserrechtliche noch sonstige öffentlich-rechtliche Vorschriften noch wasserwirtschaftliche Belange entgegenstehen (siehe Kasten). Damit sehe auch das WHG keinen Vorrang einer dezentralen Beseitigung des Niederschlagswassers auf oder an dem Grundstück vor.
Stadt kann bestimmen, wie ihr
das Abwasser überlassen wird
Wie das Gericht weiter ausführt, kann dem Anschlusszwang auch nicht entgegengehalten werden, dass das auf den bebauten und befestigten Flächen anfallende Niederschlagswasser bislang in den künstlich angelegten Teich mit Zufluss und Überlauf an den Sickerbrunnen eingeleitet oder unmittelbar über den Sickerbrunnen versickert werde und der Anschlusszwang daher nicht erforderlich sei. Denn ein Zurückhalten von Niederschlagswasser auf dem Grundstück, ein Versickernlassen dort bzw. eine direkte Ableitung von Niederschlagswasser in ein Gewässer seien hier keine geeigneten „milderen“ Entsorgungsalternativen.
Da die Pflicht der Abwasserbeseitigung der Stadt obliege, habe der Nutzungsberechtigte ihr das Abwasser zur Beseitigung zu überlassen, führt das Gericht aus. Dabei könne die Stadt bestimmen, in welcher Art und Weise die Überlassung zu erfolgen hat. Entscheide sie sich wie hier in der Entwässerungssatzung mit Recht dazu, dies in der Form des Anschlusses an und der Ableitung in den öffentlichen Kanal zu verlangen, sei eine Entsorgung auf dem Grundstück keine wasserrechtlich ordnungsgemäße Abwasserbeseitigung, heißt es in dem Urteil.