Das Papier mit dem Titel „Ressourcen aus der Schüssel sind der Schlüssel“ richtet sich den Angaben zufolge an politische Entscheidungsträgerinnen und Entscheidungsträger sowie Praktiker und Politikerinnen. Ein Nährstoff-Recycling aus menschlichen Fäkalien mit gleichzeitiger Schadstoffausschleusung sei möglich und stehe im Einklang mit der Gesundheit von Mensch und Umwelt. Im Rahmen der angestrebten Wende sollten Nährstoffe, die der Umwelt durch Anbau und Verzehr von Lebensmitteln entnommen wurden, durch Sanitärsysteme ohne Kanalanschluss wieder der Landwirtschaft zugeführt und der Kreislauf damit geschlossen werden. So könne der Druck auf die natürlichen Ressourcen Boden, Wasser, Luft und Lagerstätten minimiert werden.
Rückgewinnung der Rohstoffe aus dem Abwasser derzeit zweitranging
Die Behandlung des Abwassers sei heute darauf ausgelegt, die Gewässer vor einer direkten Verschmutzung durch organische Stoffe, Phosphor und Stickstoff sowie seit einigen Jahren Mikroverunreinigungen zu schützen. Zentral sei hier neben dem Schutz der aquatischen Umwelt, Gefahren für die menschliche Gesundheit durch Krankheitserreger und anderer Verunreinigungen abzuwenden. Eine Rückgewinnung der Rohstoffe aus dem Abwasser sei zweitranging und das System bisher nicht optimal und gezielt darauf ausgelegt, stellen die Forschenden fest. Zudem stoße es auch beim Schutz von Gewässern vor einer Überbelastung mit Nährstoffen an seine Grenzen, da Abwasserreinigungsanlagen nur einen Teil der Nährstoffe aus dem Abwasser entfernten und der Rest in die Gewässer gelange.
Landwirtschaft in Konzepte einzubeziehen
Notwendig seien neue Ansätze, mit denen sowohl die Ausbreitung von Krankheiten verhindert als auch das Schließen der Nährstoffkreisläufe ermöglicht würden. Mit der Sanitär- und Nährstoffwende sollten das Management des häuslichen Abwassers und die Bereitstellung von Nährstoffen für die Nahrungsmittelproduktion wieder besser verknüpft werden. Wichtig sei dabei, dass neben der Siedlungswasserwirtschaft auch die Landwirtschaft – als Quelle von Nährstoffemissionen in die Umwelt und als Abnehmer von Dünger – in die Konzepte einbezogen wird.
Rechtliche Rahmenbedingungen schaffen
Teilweise sind die Faktoren für eine solche Wende den Forschenden zufolge schon vorhanden, unter anderem im Hinblick auf die technische Innovationen, eine Vielzahl an motivierten Akteurinnen und Akteuren und eine gemeinsame Vision. Woran es dagegen noch fehle, seien zum Beispiel eindeutige rechtliche Rahmenbedingungen sowie Pilot- und Leuchtturmprojekte. In manchen Ländern sei beispielsweise eine Anpassung des Düngemittelrechts notwendig, damit eine Anwendung von Recyclingdüngern aus menschlichen Fäkalien überhaupt zulässig ist. Pilot- und Leuchtturmprojekte brauche es, damit sich die Menschen unter „Sanitärwende“ etwas vorstellen könnten. Gleichzeitig müsse das Know-how für die Umsetzung solcher Systeme auch Eingang in die Ausbildung der unterschiedlichsten Akteure, etwa in der Sanitärtechnik, im Planungs- oder Ingenieurbereich finden. Benötigt werde also ein Zusammenspiel von verschiedenen Stellen und abgestimmte Maßnahmen von vielerlei Akteuren, damit eine Sanitär- und Nährstoffwende möglich wird.
Vorgaben für Sammlung und Verwertung erforderlich
Die Forschenden weisen u.a. darauf hin, dass im Gegensatz zu anderen Ausgangsstoffen wie Klärschlamm, Gülle oder Bioabfall, die als Dünger verwendet werden, keine Verordnung existiert, die für getrennt von Abwasser gesammelte Fäzes oder Urin gilt. Aus diesem Grund gebe es keine Vorgaben wie die Stoffe ordnungsgemäß und schadlos gesammelt, gelagert, behandelt und schließlich bodenbezogen verwertet werden können. Dafür müssten Vorgaben geschaffen werden, möglicherweise in Form einer Verordnung.
Wechsel zu Wasserspar- oder Trockentoiletten
Dem Papier zufolge könnten etwa durch den Wechsel von klassischen Spültoiletten hin zu Wasserspar- oder Trockentoiletten 15.000 bis 30.000 Liter Trinkwasser pro Person und Jahr eingespart werden. Vor dem Hintergrund des Klimawandels und der regional teils drastischen Wasserknappheit werden den Autoren zufolge in der Zukunft wasser- sparende Sanitärsysteme auch gar nicht mehr wegzudenken sein.
Dazu komme, dass 10 bis 16 Prozent des kommunalen Energiebedarfs in Deutschland alleine für die Klärstufen Nitrifikation und Denitrifikation benötigt würden, d.h. für die Entfernung von Stickstoff aus dem Abwasser. Laut Berechnungen des Umweltbundesamtes stammten im Jahr 2016 trotzdem etwa 22 Prozent der gesamten N- und 33 Prozent der P-Einträge in Oberflächengewässer aus kommunalen Kläranlagen und urbanen Kanalisationssystemen. Technische Systeme mit einer Trennung von Wasser- und Nährstoffkreislauf könnten diese Leckströme effektiv und effizient unterbinden und eine intelligente Aufbereitung und Nutzung der Nährstoffe ermöglichen, heißt es in dem Diskussionspapier.
Schwermetallgehalt in Fäkalien sehr gering
Die Forschenden betonen, dass bei der Produktion von konventionellen Stickstoffdüngern große Mengen an fossiler Energie verbraucht und CO2 freigesetzt werden; schätzungsweise zwei Prozent des Weltenergieverbrauchs. Die Erzeugung von Phosphatdüngern gehe mit bergbaulichen Aktivitäten einher, gefolgt von einer ebenfalls energieintensiven und CO2-emittierenden Aufbereitung und Logistik. Zudem enthielten die Rohphosphate der meisten Lagerstätten Schwermetalle, wie zum Beispiel Blei, Cadmium, Nickel, Quecksilber, Arsen und Uran. Vor allem Cadmium und Uran finden so eine gefährdende Verbreitung in unseren Nahrungsketten.
Im Vergleich dazu sei der Schwermetallgehalt in Fäkalien sehr gering. Der Großteil der Nährstoffe im kommunalen Abwasser stamme aus Toiletten. Urin zum Beispiel entspricht den Angaben zufolge weniger als einem Prozent des gesamten Abwasservolumens, trage jedoch zu 70 bis 80 Prozent des Stickstoffs (N) und 45 bis 60 Prozent des Phosphors (P) im Abwasser bei. Bis vor ca. 70 Jahren sei in ländlichen Gebieten Deutschlands noch von der Düngewirkung menschlicher Fäkalien Gebrauch gemacht worden. Zwischenzeitlich haben sich Spültoiletten, Schwemmkanalisation und Kläranlagen selbst in abgelegenen Regionen Deutschlands und Europas durchgesetzt und leisteten einen wichtigen Beitrag zur Gesundheitsförderung. Trotz der technisch hochgerüsteten Abwasserreinigung gelangten aber Teile der Nährstoffe immer noch in unsere Gewässer, heißt es in dem Papier. Dort tragen sie zum Überangebot an Nährstoffen bei, das Eutrophierung begünstige und so die Vielfalt des Ökosystems beeinträchtige.