0195 - VG Aachen zur Änderung der Zuschlagskriterien während des Konzessionierungsverfahrens

0195 - VG Aachen zur Änderung der Zuschlagskriterien während des Konzessionierungsverfahrens

Ändert eine Gemeinde im Rahmen des Konzessionierungsverfahrens seine Zuschlagskriterien, so verstößt sie gegen die aus dem Gemeinschaftsrecht folgende Transparenzpflicht. Diese beinhaltet, dass sich der öffentliche Auftraggeber während des gesamten Verfahrens an Zuschlagskriterien und deren Auslegung halten muss. Will die Gemeinde diese ändern, muss sie ein völlig neues Konzessionsvergabeverfahren durchführen.

Dies hat das VG Aachen im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes entschieden und auf dieser Grundlage einer Gemeinde untersagt, einen Ratsbeschluss umzusetzen, der den Vertragsabschluss mit einem neuen Konzessionsvertragspartner vorsieht.


I. Sachverhalt


Eine Gemeinde hatte ein Neukonzessionierungsverfahren entsprechend § 46 Abs. 1 Satz 1 EnWG durchgeführt. Im Rahmen des  Auswahlverfahrens hatte die Gemeinde gegenüber den Bewerbern, die ihr Interesse an der Übernahme der Konzession bekundet hatten, ursprünglich fünf Auswahlkriterien benannt, die im Rahmen der  Auswahlentscheidung gleichrangig herangezogen werden sollten. In einem späteren Schreiben änderte die  Gemeinde diese Kriterien unter Hinweis auf den während des laufenden Auswahlverfahrens veröffentlichten gemeinsamen Leitfaden von Bundeskartellamt und Bundesnetzagentur zur Vergabe von Strom- und Gaskonzessionen und zum Wechsel des Konzessionsnehmers vom 15. Dezember 2010. In der Folge entschied sich die Gemeinde durch  Ratsbeschluss dafür, einen anderen als den bisherigen Vertragspartner künftig zu konzessionieren. Letzterer beantragte vor dem Verwaltungsgericht u. a., dass der Gemeinde im Wege der einstweiligen Anordnung vorläufig untersagt werden solle, diesen Ratsbeschluss betreffend den Vertragsabschluss mit dem neuen Konzessionär zu vollziehen.


II. Aus den Entscheidungsgründen


Das Gericht vertritt die Auffassung, dass die Regelungen, nach denen der Neuabschluss eines Wegenutzungsvertrages im Einzelnen zu beurteilen ist, sich nicht unmittelbar aus dem Energiewirtschaftsrecht, sondern aus dem europäischen Gemeinschaftsrecht ergeben. Alle öffentlichen Stellen, die einen Vertrag über Dienstleistungskonzessionen abschließen, hätten die allgemeinen Grundsätze des Gemeinschaftsrechts zu beachten. Daraus folge u. a., dass in jedem Stadium und insbesondere bei der Auswahl der Bewerber sowohl der Grundsatz der Gleichbehandlung potenzieller Bieter als auch die Transparenzpflicht gewahrt sein müssten. Die Verpflichtung zur Transparenz bedeute auch, dass sich der öffentliche Auftraggeber während des gesamten Verfahrens an Zuschlagskriterien und deren Auslegung halten müsse. Diese Kriterien dürften während des Vergabeverfahrens nicht geändert werden. Wolle der Auftraggeber die jeweiligen Auswahlkriterien (und/oder deren Gewichtung) – über bloße Präzisierungen oder Klarstellungen hinaus – ändern, so dürfte das laufende Auswahlverfahren nicht einfach fortgesetzt werden, sondern es sei abzubrechen und neu durchzuführen. Denn anderenfalls könnten sich die Bieter nicht von Anfang an vollumfänglich auf die maßgeblichen Kriterien einstellen; zudem hätten sonst andere Interessenten keine Möglichkeit, auf der Grundlage der neuen Kriterien ein Angebot abzugeben.


III. Bewertung


Auf Grund der Ausführungen des VG Aachen wird deutlich, dass Konzessionsvergabeentscheidungen nach § 46 EnWG sich an den europarechtlichen Vorgaben zur Vergabe von Dienstleistungskonzessionen messen lassen müssen. Kritisch ist in diesem Zusammenhang allerdings anzumerken, dass das Gericht nicht allein ohne weitere Begründung die Geltung der europarechtlichen Vorgaben zu der Vergabe von Dienstleistungskonzessionen postuliert, sondern auch keine Aussagen zum Verhältnis dieser europarechtlichen Vorgaben zu den in § 46 EnWG selbst geregelten verfahrensrechtlichen Anforderungen trifft. Damit bleibt die Ausgestaltung der Vergabe von Konzessionen nach § 46 EnWG für die Gemeinden weiterhin mit vielen Rechtsunsicherheiten behaftet.


IV. Fundstelle


Der Beschluss des Verwaltungsgerichts Aachen vom 13.09.2011 hat das Az. 1 L 286/11 und ist in der Entscheidungsdatenbank des Landes NRW unter
http://www.justiz.nrw.de/nrwe/ovgs/vg_aachen/j2011/1_L_286_11beschluss20110913.html
abrufbar.


Quelle: (DStGB Aktuell 4211 vom 21.10.2011)


(GStB-Nachricht Nr. 0195 vom 24.10.2011; Az.: 810-00 GF/nm)