Nach Angaben des Forschungszentrums Jülich reduziert das Verfahren den technischen Aufwand für die chemische Bindung des Wasserstoffs an organische Trägerflüssigkeiten: Statt wie bisher zwei Apparaten wird nun nur noch ein Apparat eingesetzt, der sowohl Be- als auch Entladung der Trägerflüssigkeit übernimmt. Ein zukünftiger industrieller Einsatz des Verfahrens könne Kosten- und Energieaufwand der Wasserstoffspeicherung bedeutend reduzieren.
Damit könnte möglicherweise ein wichtiger Schritt für die Energiewende geschafft worden sein, denn Wasserstoff kann als Speicher für überschüssigen Wind- oder Solarstrom dienen. Um den Wasserstoff zu speichern und an den Ort zu transportieren, an dem er gebraucht wird, haben die Forscher ein spezielles Verfahren entwickelt. Dabei kommt eine organische Trägerflüssigkeit (LOHC) zum Einsatz, die mehr als 650 Liter Wasserstoff pro Liter binden kann, so dass sich der chemisch gebundene Wasserstoff sicher lagern und kostengünstig transportieren lasse.
Die Wasserstoffspeicherung und -freisetzung geschieht aus der Trägerflüssigkeit über eine umkehrbare chemische Reaktion, erläutert Holger Jorschick vom Helmholtz-Institut Erlangen-Nürnberg für Erneuerbare Energien (HI ERN), bei dem es sich um eine Außenstelle des Forschungszentrums Jülich handelt. „Bisher war für jede Reaktionsrichtung ein spezieller Katalysator notwendig, da Druck und Temperatur der beiden Reaktionsschritte deutlich unterschiedlich waren“, so Jorschick. „Daher musste die LOHC-Beladung mit Wasserstoff und die Freisetzung des Wasserstoffs aus dem LOHC-Träger in zwei getrennten Reaktionseinheiten stattfinden.“
Kosteneinsparung von bis zu 50 Prozent möglich
Dem Team von Wissenschaftlern des Forschungszentrums Jülich und der FAU unter Leitung von Professor Peter Wasserscheid ist es nun gelungen, einen Katalysator zu entwickeln, der Beladungs- und Entladungsreaktion bei gleicher Temperatur effizient beschleunigen kann. Nur durch Druckwechsel kann mit diesem Katalysator in einem Apparat die Wasserstoffspeicherung und Wasserstofffreisetzung erfolgen. Das bringt enorme Ersparnisse. „Das Teure an den LOHC-Anlagen ist üblicherweise die Instrumentierung – Ventile, Pumpen, die Mess- und Regeltechnik“, erklärt Patrick Preuster vom Lehrstuhl für Chemische Reaktionstechnik der FAU. „Da diese mit dem neuen Katalysator nur noch für einen anstatt für zwei Apparate benötigt werden, lassen sich etwa 30 bis 50 Prozent der Kosten einsparen.“ Außerdem reduzierten sich der Platzbedarf und die Betriebskosten.
Ein weiterer großer Vorteil ergibt sich durch das neue Verfahren für die effiziente Nutzung der Reaktionswärme, die bei der Wasserstoffspeicherung freigesetzt wird. „Bisher musste der Beladeapparat bei etwa 150 Grad Celsius betrieben werden, der Entladeapparat bei etwa 300 Grad“, sagt Holger Jorschick. „Obwohl bei der Beladung die gleiche Menge Wärme frei wird, die bei der Entladung zugeführt werden muss, war es wegen der unterschiedlichen Reaktionstemperaturen bisher unmöglich, die freiwerdende Wärme der Beladung zu speichern und für die Entladung zu nutzen.“ Das neue Verfahren ermöglicht das Beladen des Wasserstoffspeichers bei höheren Temperaturen – die entstehende Wärme kann zwischengespeichert und für die Entladereaktion genutzt werden.
Umschalten in Sekundenbruchteilen
„Erst mit der von uns entwickelten Hochtemperatur-Hydrierung – und einem für beide Reaktionen wirksamen Katalysator – wurde es überhaupt möglich, beide Reaktionen in einem Apparat ablaufen zu lassen“, so Patrick Preuster. Besonders günstig wirkt sich das neue Speicherverfahren auf den dynamischen Betrieb solcher Anlagen aus. Während im herkömmlichen Verfahren mit zwei getrennten Apparaten jeweils der benötigte Apparat zeit- und energieaufwändig angefahren werden muss, steht mit der neuen Methode sofort ein betriebsbereiter Apparat zur Verfügung. „Durch ein einfaches Umschalten eines Ventils lässt sich in Sekundenbruchteilen vom Speicher- in den Entladebetrieb wechseln, und umgekehrt“, sagte Preuster.
Prototyp bis zum Ende des Jahres geplant
Das Verfahren hat praktisch keine Nachteile. Allerdings, so gibt Holger Jorschick zu, sind die möglichen Einsatzorte begrenzt: „Natürlich ist es nicht in jedem Fall sinnvoll, den Apparat ständig durch Speicherung oder Freisetzung von Wasserstoff auf Betriebstemperatur zu halten. Aber wir gehen davon aus, dass in einem zukünftigen, stark regenerativen Energiesystem großer Bedarf an solchen Anlagen existiert.“ Wann genau das Verfahren im kommerziellen Maßstab einsatzbereit ist, ist noch nicht sicher. Gegenwärtig wurde es nur im kleinen Labormaßstab getestet. Doch Holger Jorschick ist zuversichtlich: „Bis Ende des Jahres wird es einen technischen Prototypen geben.“