Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie von Forschern des Institutes für Umwelttechnik und Energiewirtschaft (IUE) der Technischen Universität Hamburg (TUHH). Dazu ist ein Übergang von der heutigen Biokraftstofferzeugung auf die angestrebte zukünftige Erzeugungsstruktur detailliert im Rahmen einer umfassenden konsequenziellen Ökobilanz analysiert und quantifiziert worden.
Heute marktgängige Biokraftstoffe der ersten Generation (1G) werden aus Nahrungs- und Futtermittelpflanzen erzeugt, wie beispielsweise Getreide, Soja, Raps oder Palmfrüchte. Alternativen dazu sind sogenannte 2G-Biokraftstoffe, die aus Rückständen, Nebenprodukten und Abfällen (Stroh, Restholz, Altholz, kommunale Bioabfälle) stammen können. Für derartige 2G-Kraftstoffe wurden in Forschung und Entwicklung in den vergangenen Jahrzehnten signifikante öffentliche Mittel eingesetzt, um zu einer verbesserten Reduktion anthropogener Klimagas-Emissionen im Verkehrssektor. Verhindert werden sollte hierbei auch die Diskussion um eine mögliche Nutzungskonkurrenz, der „Teller oder Tank“-Entscheidung.
Mehr Treibhausgasemissionen bei Substitution von 1G- durch 2G-Biokraftstoffe
Wenn mögliche Markteffekte umfassend berücksichtigt werden, schneiden die herkömmlichen Biokraftstoffe jedoch deutlich besser ab als 2G-Biokraftstoffe. Den Forschern zufolge führt die Substitution von 1G-Ethanol durch 2G-Ethanol zu einer Steigerung der Treibhausgasemission zwischen 7,5 und 16,5 kg CO2-Äquivalent je Gigajoule Kraftstoffgemisch. Wird hingegen durch zusätzliches 2G-Bioethanol fossiler Kraftstoff er-setzt liegt die Treibhausgaseinsparung bei 9,0 bis 12,1 kg CO2-Äquivalent je Gigajoule.
„Heutige Biokraftstofferzeugungsanlagen sind eingebunden in den Futtermittelmarkt; neben Kraftstoffen stellen derartige Anlagen auch Proteinfuttermittel her. Werden nun aber Kraftstoffe der zweiten Generation erzeugt und durch diese 1G-Kraftstoffe ersetzt, muss die Futtermittelnachfrage aus anderen Quellen gedeckt werden“, sagte Benedikt Buchspies, der die Ökobilanz federführend erarbeitet hat.
Ohne Produktion von 1G-Biokraftstoffen müsste Tierfutter importiert werden
Sollte das dann zusätzlich benötigte Tierfutter beim Einsatz der neuen 2G-Biokraftstoffe aus Südamerika eingeführt werden; würden im Vergleich zu heute mehr Klimagase freigesetzt werden. Um belastbare Aussagen über Klimavorteile und -nachteile alternativer Kraftstoffe zu treffen, darf sich laut entsprechend dieser Ergebnisse eine Untersuchung der Klimaeffekte von Biokraftstoffen nicht nur auf den eigentlichen Biokraftstoff und die vorgelagerten Prozesse beziehen. Sie muss auch die damit verbundenen direkten und indirekten Substitutionseffekte berücksichtigen.
Da das durch die Ersetzung von 1G- durch 2G-Biokraftstoffe entstehende Futtermitteldefizit durch Zukauf aus Drittländern gedeckt werden muss, kann die Einführung zukünftiger Biokraftstoffe insgesamt zu höheren Emissionen führen. „Vor dem Hintergrund dieser spannenden Ergebnisse ist die Politik gut beraten, vor der Implementierung entsprechender administrativer Lenkungsmaßnahmen ganzheitlich und umfassend untersuchen zu lassen, ob die angedachten Instrumente überhaupt geeignet sind, das jeweils angestrebte Ziel zu erreichen“, sagt Martin Kaltschmitt, Leiter des Instituts für Umwelttechnik und Energiewirtschaft (IUE). „Die jetzigen Maßnahmen greifen hier zu kurz.“
Die Studie „A consequential assessment of changes in greenhouse gas emissions due to the introduction of wheat straw ethanol in the context of European legislation“ steht unter https://doi.org/10.1016/j.apenergy.2017.10.105 zur Verfügung.