Netzdienliche Wasserkraft als wichtiger Teil der zukünftigen Energieinfrastruktur


Die Potenziale scheinen weitgehend ausgeschöpft zu sein und eine deutliche Ausweitung der bereitgestellten regenerativen Energie kaum realistisch. Dennoch hat die Wasserkraft ganz spezifische Vorteile, die sie als komplementäre Technologie zu Wind, Solar und Bioenergie attraktiv machen. Darauf macht der VGB Powertech aufmerksam, der gemeinsam mit dem europäischen Energieverband Eurelectric ein Factsheet zum Thema Wasserkraft veröffentlicht hat.


Mit einem wachsenden Anteil fluktuierend erzeugender regenerativer Energie nimmt der Bedarf an Technologien, die dazu beitragen, Energieangebot und –nachfrage aufeinander abzustimmen, zu. Und hier spiele die Wasserkraft eine wichtige Rolle.


341 TWh Strom aus Wasserkraft in EU 28 im Jahr 2015


Dem Factsheet zufolge waren in der EU 28 im Jahr 2015 Wasserkraftanlagen mit einer Gesamtleistung von 105 GW installiert. Zählt man die Schweiz, Norwegen und Island dazu, kommt man auf 149 GW. Davon besitzen rund 50 GW Leistung eine Pumpfunktion. Die jährliche Bruttostromproduktion beziffert das Factsheet auf 341 TWh (EU 28) respektive 529 TWh, wenn man Schweiz, Norwegen und Island mitberücksichtigt.


In Europa sehen die Autoren des Papiers durchaus Potenziale zur Ausweitung des Beitrags der Wasserkraft zur Stromerzeugung: Technisch wäre der doppelte Ertrag möglich, heißt es, auch ökonomisch könne das Potenzial noch weiter ausgeschöpft werden. Aber auch bei einem unveränderten nominellen Beitrag werde die Bedeutung der Wasserkraft aufgrund der Vielfalt der Systemdienstleistungen, die sie bereitstellen kann, zunehmen. So verfüge die Technologie über Schwarzstartfähigkeit, könne zur Frequenzerhaltung und im Rahmen von Redispatch-Maßnahmen eingesetzt werden und biete mit Blick auf Pumpspeicher die Möglichkeit, nach Bedarf auch als Verbraucher Last aufzunehmen und damit zum Gleichgewicht beizutragen.


Netzdienliche kleine Wasserkraft: „…reduziert den Ausbaubedarf der Verteilnetze erheblich“


Auch ein aktuelles Gutachten der Bergischen Universität Wuppertal weist auf die Vorteile durch das netzdienliche Verhalten von Wasserkraftwerken hin. Der Fokus der Studie ist allerdings ein anderer und liegt auf kleinen Wasserkraftwerken. Da die Wasserkraft stetig und mit hohen Volllaststunden Strom produziere, verursache sie kaum Netzüberlastungen, heißt es in einer Bewertung der Studie durch die Arbeitsgemeinschaft Wasserkraftwerke NRW. „Dies reduziert den Ausbaubedarf der Verteilnetze erheblich. Die Wasserkraft kann also im flexiblen Energiesystem der Zukunft einen wichtigen Beitrag leisten“, sagt Philipp Hawlitzky, Geschäftsführer der Arbeitsgemeinschaft Wasserkraftwerke NRW und der Interessengemeinschaft Wassernutzung NRW. Deshalb sei es wichtig, die bestehenden Wasserkraftstandorte in NRW zu erhalten, einen wirtschaftlichen Betrieb zu gewährleisten und auch den weiteren Ausbau zu ermöglichen.


Die durchgeführten Netzanalysen kommen zu dem Ergebnis, dass die Kosten für den Netzausbau in Deutschland ohne kleine Wasserkraftwerke um über 750 Mio. € steigen würde. Weiterhin würden Netzdienstleistungen im Wert von rund 250 Mio. € verloren gehen. In Summe würde ein Verzicht auf kleine Wasserkraftanlagen Mehrkosten von etwa einer Mrd. € verursachen. Die beiden nordrhein-westfälischen Wasserkraftverbände haben das Gutachten mitunterstützt.


Kleine Wasserkraft: Kompensation für gewässerökologisch bedingte Mehraufwendungen gefordert


„Die aktuell rund 430 Wasserkraftanlagen in Nordrhein-Westfalen reduzieren wegen ihrer Nähe zu den Stromverbrauchern die Netzverluste erheblich“, sagt Hawlitzky. Sie erzeugten den Strom kontinuierlich und dezentral, sodass der Wasserkraftstrom nicht über lange Distanzen über die Netze transportiert werden müsse.


Damit die Wasserkraft diese Stärken ausspielen kann, müsse die Wirtschaftlichkeit bestehender Anlagen jedoch auch bei erhöhten Anforderungen an den Fischschutz und die ökologische Durchgängigkeit gegeben sein. Die Branche empfiehlt daher eine „angemessene und praxistaugliche“ finanzielle Unterstützung von gewässerökologisch bedingten Mehraufwendungen an Wasserkraftanlagen, z.B. durch Mittel der europäischen Wasserrahmenrichtlinie.


In NRW existierten zudem viele Staustufen, die aus Gründen des Hochwasserschutzes, der Grundwasserhaltung oder des Denkmalschutzes nicht abgerissen werden können. „Hier ist es zielführend, neue Wasserkraftwerke zu realisieren, auch in den Vorranggewässern für den Lachs und Aal“, so Hawlitzky weiter. Moderne Anlagen könnten so in Verbindung mit erforderlichen Fischtreppen nicht nur erneuerbaren Strom produzieren, sondern auch die ökologische Durchgängigkeit an den Staustufen verbessern.