Vor diesem Hintergrund drängt die Branche auf Korrekturen an den Rahmenbedingungen, damit der Bestand nicht schrumpft. „Die meisten unserer Mitglieder möchten ihre Anlage aber auch über diesen Zeitraum hinaus betreiben“, sagte der Präsident des Fachverbands Biogas, Horst Seide, auf der Biogas Convention, die parallel zur Messe Energy Decentral in Hannover stattfindet.
Das im April 2000 in Kraft getretene Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) garantiert einen festen Strompreis für die Dauer von 20 Jahre. Für die meisten Biogasanlagen liegt dieser bei 20 bis 22 ct/kWh. Wer von Anfang an dabei war muss sich jetzt entscheiden, welchen Weg er künftig einschlagen wird.
Seit der EEG-Novellierung 2017 gibt es keinen festgeschriebenen Strompreis mehr. Stattdessen wird über Ausschreibungen die Vergütungshöhe geregelt. Diese ist allerdings aktuell auf maximal 14,58 ct/kWh für Neuanlagen bzw. 16,56 ct/kWh für Bestandsanlagen gedeckelt. „Dass sich zu diesen Konditionen kaum eine Biogasanlage betreiben lässt, zeigen nicht zuletzt die Teilnehmerzahlen an den ersten beiden Ausschreibungsrunden für Biomasse: nur 77 der möglichen 225 Megawatt installierter Leistung wurden abgerufen“, führt der Fachverband Biogas aus.
Branche erwartet aus Berlin „klare Signale pro Biogas“
Um weiter zu machen wären umfangreiche Investitionen an der Biogasanlage nötig. Diese würden die meisten Akteure aber nur tätigen, wenn aus Berlin „klare Signale pro Biogas“ kämen und eine ökonomisch darstellbare Perspektive erkennbar wäre. „Das nächste Jahr wird sowohl für die Biogasbranche als auch für die gesamte Entwicklung der erneuerbaren Energien ein Schicksalsjahr“, prophezeit Seide.
Der deutsche Biogaspark umfasst aktuell mehr als 9.300 Anlagen. Zusammen erzeugen diese Anlagen knapp 33 TWh Strom, was dem Jahresverbrauch von 9,4 Mio. Haushalten entspricht. Zudem können die Biogasanlagen – zumindest im Grundsatz – bedarfsgerecht Strom produzieren, anders als etwa Wind- und Solaranlagen. Die jährliche CO2-Einsparung beziffert der Fachverband Biogas auf rund 20 Mio. Tonnen CO2.
„Unter den aktuellen Voraussetzungen und dem unklaren politischen Kurs wird sich der Biogasanlagen-Park in Deutschland nicht erhalten lassen“, mahnt Seide. Es ist unverständlich, warum ein funktionierender Kraftwerkspark mit einer elektrischen Leistung von knapp 5.000 MW ab 2021 „sukzessive abgeschaltet werden soll“.
An der Biogasbranche hingen 45.000 Arbeitsplätze mit der entsprechenden Wertschöpfung vor allem in ländlichen Regionen, betont der Branchenverband. Vorteile brächten auch die Chance auf mehr Artenvielfalt durch Energiepflanzen und die Vermeidung von Methanemissionen aus der Güllelagerung. Die Biogasbranche biete zudem eine sinnvolle energetische Verwertung von Bioabfällen, die klimafreundliche (Biogas)Wärmenutzung in zahlreichen Dörfern und die Chance auf mehr Klimaschutz im Verkehr durch Biomethan als Kraftstoff.
„Deutschland nach wie vor Weltmarktführer bei der Biogastechnologie“
„Deutschland ist nach wie vor Weltmarktführer bei der Biogastechnologie. Viele Länder schauen sehr genau, was sich hier tut“, so Seide weiter. Wohin die Reise geht, hänge auch ganz wesentlich vom Ergebnis der Kohlekommission der Bundesregierung ab. Jetzt werde über die Richtung der Energieversorgung in Deutschland entschieden. Seide sieht nur zwei Richtungen: „Vorwärts mit einem moderaten Ausbau und dem Erhalt des Biogasanlagen-Bestandes oder rückwärts in eine fossile Energiewelt, sollten sich die Betreiber ab 2021 entscheiden, ihre Anlagen stillzulegen.“
Ausschreibungsvolumina und Flexibilitätsprämie im Fokus
Vor diesem Hintergrund müsste im Energiesammelgesetz eine verbindliche Festlegung des Ausschreibungsvolumens für Bioenergie in hinreichend hoher Menge über 2022 hinaus vorgenommen werden. „Die Festlegung der künftigen Biomasse-Ausschreibungsvolumina hat nicht zuletzt entscheidende Auswirkungen auf die Erreichung des 65-Prozent-Ziels für 2030“, betont Seide. Darüber hinaus verlangt der Verband eine Verbesserung der Rahmenbedingungen für die Flexibilitätsprämie sowie Investitionsschutz für Betreiber, die gemäß EEG 2009 den so genannten Luftreinhaltebonus erhalten.
Mindestens diese Punkte müssten „zwingend“ im Energiesammelgesetz berücksichtigt werden, damit die wichtige Rolle der flexiblen und verlässlichen Bioenergie im Energiesystem der Zukunft erhalten bleibt.