Windenergiezubau sinkt auf niedrigsten Wert seit Start der EEG-Förderung


„Die Bundesregierung spricht einerseits von der Erreichung ambitionierter Ausbau- und Klimaschutzziele für die Jahre 2030 und 2050, andererseits fehlt hierfür die Perspektive. Das Delta zwischen Anspruch und Wirklichkeit nimmt zu. Genehmigungsstau und Klageflut belasten die Branche und führen zur Unterzeichnung der aktuellen Ausschreibungen.“, sagt Hermann Albers, Präsident des Bundesverbands WindEnergie (BWE). Die derzeitige Schwäche des deutschen Markts liege nicht an den Unternehmen der Branche, sondern an politischen Rahmenbedingungen im Bund sowie in einzelnen Ländern. „Wir befinden uns mitten in einer Talsohle. Diese müssen wir dringend verlassen“, so der BWE-Präsident weiter.


Prognose für 2019 auf rund 1.500 MW nach unten korrigiert

In den Jahren 2014 bis 2017 lag der jährliche Zubau bei durchschnittlich 4.600 MW. Für 2019 rechnen BWE und VDMA Power Systems aufgrund von Fehlern im Ausschreibungsdesign und Genehmigungsstau mit einem Zubauvolumen von rund 1.500 MW, „wobei auch diese Prognose mit Risiken behaftet ist“, wie es heißt. Damit korrigieren die Verbände ihre Prognose aus dem Januar nach unten.


„Es ist hart für die Branche, jetzt die Prognose kappen zu müssen, denn wir sehen ja, dass mehr erneuerbare Energie gebraucht wird“, erklärt Matthias Zelinger, Geschäftsführer VDMA Power Systems. Immer mehr Industrie-Unternehmen wollten klimaneutral produzieren. Wärme und Verkehr benötigten zusätzlichen erneuerbaren Strom. „Es wird zum Standortfaktor, Stromnachfrage nach erneuerbaren Energien decken zu können.“ Noch bestehe die Möglichkeit, durch politisches Umsteuern die Trendwende zu schaffen und für die Jahre ab 2020 wieder eine Perspektive zu eröffnen. „Wir schließen uns deshalb der Bitte an die Kanzlerin an, einen Windenergie-Gipfel zu organisieren, um neue Impulse zu setzen und wieder das Schrittmaß der industriellen Entwicklung zu bestimmen“, so Zelinger weiter.


Ende des Jahres werden die EU-Energie- und Klimapläne der Mitgliedsstaaten übermittelt. Es müsse jedem klar sein, dass diese „vergleichbar mit Bewerbungen um Investitionen aus aller Welt sind“. Hier könnten Investoren ablesen, wie ambitioniert und mit welcher Stabilität der Umbau des Energiesystems vorangeht. Die Feststellung, dass wir einen „Herbst der Entscheidungen“ vor uns haben, ist also keineswegs aus der Luft gegriffen“, sagt Zelinger.


Stockende Genehmigungen, zunehmende Klagen und Post-EEG-Phase verschärfen die Situation

Eine jüngst veröffentlichte Analyse der Fachagentur Wind an Land (FA Wind) hat die Klagegründe gegen Windenergieprojekte analysiert (EUWID 30.2019). Demnach sei der Natur- und Artenschutz mit weitem Abstand der Hauptklagegrund, aber auch militärische Belange und UKW-Drehfunkfeuer stellten bedeutende Genehmigungshemmnisse und Einschnitte in die für den Windenergiezubau zur Verfügung stehende Flächenkulisse dar. Insgesamt seien hier 4.790 MW blockiert, davon allein 2.370 MW Windenergieleistung durch international einzigartige Prüfbereiche von 10-15 km um Drehfunkfeuer. Angesichts der abnehmenden Bedeutung dieser Anlagen brauche es eine schnelle Lösung durch den Bundesverkehrsminister und die zuständigen Landesminister, machten die Branchenvertreter deutlich.


„Die Energiewende scheitert nicht an den Kosten, sondern wird durch unzureichende Flächenbereitstellung in den Ländern, fehlende Genehmigungen und Klagen sowie Widerspruchsverfahren gegen bereits erteilte Genehmigungen aufgehalten“, kritisiert BWE-Präsident Albers. Insgesamt 11.000 MW Windprojekte steckten derzeit im Genehmigungsverfahren fest. „Wir können es uns nicht erlauben, den Lastenträger des künftigen Energiesystems weiterhin in dieser Form auszubremsen.“ Der Aktionsplan des BWE erläutere Maßnahmen, die von der Politik in Bund und Ländern „zügig“ aufgegriffen werden sollte.


„Flexible und praktikable Lösungen“ fordert der Windverband mit Blick auf die Post-EEG-Phase. Repowering und Weiterbetrieb müssten gewährleistet werden. Bis 2025 geht es um 16.000 MW Windenergieleistung. „Dies ist eine für die Energieversorgung unseres Landes relevante Größe.“ Mit Blick auf diese Bestandsanlagen, aber auch für den Neubau, müssten Eigenversorgungs- sowie Direktbelieferungsmöglichkeiten verbessert werden. „Deshalb gehört die Reform von Abgaben und Umlagen im Energiesystem jetzt auf die Tagesordnung.“


CO2-Reduktionsbestreben schaffen mittelfristig hervorragende Perspektiven“

Die Regierungskoalition hat eine Erhöhung des Erneuerbaren-Anteils an der Stromversorgung auf 65 Prozent bis 2030 zugesagt. Bis 2050 soll Deutschland weitgehende Treibhausgasneutralität erreichen. Dafür braucht es nach Berechnungen des Bundesverbands Erneuerbare Energie einen jährlichen Windenergiezubau an Land von 4.700 MW. Das Nachsteuern über Sonderausschreibungen im Zuge des Energiesammelgesetzes sei richtig gewesen. Es fehle aber weiterhin ein klares Mengengerüst für den Zubau der Windenergie bis 2030. Hier müsse die Bundesregierung endlich liefern.


Die Perspektive für die globale Windindustrie ist nach Einschätzung der Verbände positiv. Für die Jahre 2019 bis 2023 prognostiziert der Global Wind Energy Council für die Region Asien einen Zubau von Windenergie an Land von 145.000 MW, gefolgt von Europa sowie der Region Nord- und Südamerika mit jeweils 63.000 MW. Allein im Jahr 2019 wird für den Weltmarkt ein Zubau von rund 59.000 MW prognostiziert. „Mit nur noch 2,5 Prozent des Weltmarktvolumens droht Deutschland als Innovations- und Industriestandort den Anschluss zu verlieren“, warnt Zelinger. Die Windenergie sei weltweit eine der Schlüsseltechnologien für Klimaschutz und wirtschaftliche Entwicklung. „Sie gehört in den Mittelpunkt einer klaren industrie- und wirtschaftspolitischen Strategie für Deutschland.“