So lautet ein Ergebnis der Studie „Stadtwerke – fit für die Zukunft? 2019“, die „Der Neue Kämmerer“, die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft BDO und die ING Bank jetzt herausgegeben haben. Darin wurden 100 Entscheider aus deutschen Stadtwerken befragt.
Die Studie befasst sich damit, wie die Stadtwerke den Kohleausstieg stemmen, wie sie neue Geschäftsfelder erschließen und wie sie die Umsetzung der Energiewende von politischer Seite beurteilen. Die Antworten der Umfrage zeichnen ein gespaltenes Bild. Die Entscheider in den Stadtwerken sehen durchaus Chancen in der Energiewende, hadern allerdings massiv mit deren Rahmenbedingungen.
Mehrheit kritisiert fehlende politische Konzepte und strenge Regulatorik
Eine breite Mehrheit kritisiert fehlende politische Konzepte und die strenge Regulatorik, die Neuentwicklungen nur innerhalb eines Korridors – vor allem im Bereich E-Mobility – erlaubt. Die Befragten wünschen sich deshalb den Abbau hinderlicher Vorschriften (89 Prozent), den Ausbau von Förderprogrammen (82 Prozent) sowie die Öffnung der kommunalrechtlich zulässigen Betätigung (73 Prozent).
„Die Ergebnisse sind ein dringender Aufruf an die Politik, endlich an einem Gesamtkonzept für die Energiewende zu arbeiten. Es gibt in der Praxis hoffnungsvolle Ansätze, aber bislang nur in Form von Inselaktivitäten“, resümiert Michael Spahn, Head of Public Sector Germany bei der ING Deutschland.
Grenzen des Kommunalrechts vielfach zu eng
Auch André Horn, Leiter des Branchencenters Energiewirtschaft bei BDO, sieht schnellen Handlungsbedarf: „Die heutigen Grenzen des Kommunalrechts sind vielfach zu eng, als dass die Stadtwerke in einem sich wandelnden Umfeld zukunftsgerecht und sicher agieren könnten. Die Bundesregierung bewegt viel Geld für die Energiewende. Oft erscheint der Einsatz nicht effektiv und zielgerichtet. Ob volkswirtschaftlich wettbewerbsfähige Preise erreicht werden und die hohe Versorgungssicherheit erhalten bleibt, ist derzeit fraglich.“
Insgesamt stellen die Entscheider der Politik ein schlechtes Zeugnis bei der Umsetzung der Energiewende aus. Sie kritisieren neben fehlenden durchdachten Konzepten auf politischer Ebene (76 Prozent Zustimmung) auch den Einspeisevorrang der erneuerbaren Energien, der die Schwierigkeiten in der Erzeugung verschärfe (71 Prozent Zustimmung), heißt es.
Auch bei der Regulierung von Investitionen bescheinigen die Befragten dem Gesetzgeber viel Nachholbedarf. Nur jeder Vierte bestätigt, dass die gesetzlichen Rahmenbedingungen Vorschub leisten. Die Innovationsentwicklung leidet im mehr als der Hälfte der Stadtwerke auch unter fehlenden Mitteln, heißt es. Insgesamt sehen die Befragten ihre Betriebe vor allem personell gut aufgestellt, um sich mit Neuentwicklungen zu beschäftigen. Eine hinderliche Behördenmentalität oder hinderliche Strukturen attestieren sich lediglich 25 Prozent bzw. 30 Prozent.
Nur für wenige kommt die Übernahme anderer Unternehmen in Frage
Bei der Entwicklung neuer Ideen setzten die Stadtwerke bislang vorrangig auf branchen- oder unternehmensinterne Impulse. Obwohl zunehmend neue Akteure jenseits der klassischen Versorger in den Markt drängen, kommen Übernahmen anderer Unternehmen nur für eine kleine Minderheit (4 Prozent) in Frage. Die Stadtwerke-Chefs haben sich auch dazu geäußert, in welchen Technologien aus ihrer Sicht der Schlüssel liegt, um das eigenen Unternehmen für die Zukunft fit zu machen. Ganz oben auf der Prioritätenliste steht das Thema Elektromobilität (72 Prozent). Während 44 Prozent der befragten Stadtwerke hier bereis aktiv sind, gibt es einen deutlich größeren Teil, der in Zukunft auf die Bereitstellung von Ladeinfrastruktur setzen will.
Auch Zusammenarbeit mit Prosumern und Smart Metering gelten als Bereiche von geringerer Bedeutung
Im Fokus der meisten Stadtwerke stehen auch die Themen dezentrale Energieversorgung/Quartiersversorgung (69 Prozent), der Ausbau von Energiedienstleistungen (64 Prozent) sowie der Breitbandausbau (57 Prozent) sowie Beratungsleistungen mit 51 Prozent. Von untergeordneter Bedeutung sind dagegen der Bereich Smart Metering (36 Prozent), die Zusammenarbeit mit Prosumern (24 Prozent) sowie die Nutzung von Big Data und Blockchain mit 20 bzw. 13 Prozent.
Wie André Horn von BDO erklärt, zeige sich an dieser Stelle, wozu ein Erfahrungsaustausch hauptsächlich innerhalb der Branche führe. „Die meisten Unternehmen verfolgen die gleichen Ansätze, das gilt vor allem für E-Mobility“, so Horn. Dabei werde aber übersehen, dass Ladeinfrastruktur kaum flächendeckend zu einem echten Gewinnbringer für Stadtwerke werden könne.
Dass im Gegensatz dazu Themen wie Big Data oder Blockchain eher selten im Fokus stehen, sei überraschend. „Wenn die Ladeinfrastruktur als so wichtig betrachtet wird, müssten die Teilnehmer logischerweise auch die Bedeutung der Analysetools hervorheben“, so Michael Spahn von ING Deutschland: „Dass sie dies nicht tun, zeigt, dass Stadtwerke viele Themen offenbar noch nicht in der Tiefe analysiert haben“.