IEA prognostiziert deutliches Wachstum der PV, kann sich darüber aber nicht wirklich freuen


Die Internationale Energieagentur (IEA) prognostiziert einen massiven Anstieg der weltweit installierten Photovoltaikleistung in den kommenden Jahren. Der jetzt vorgelegte Bericht „Renewables 2019“ sagt ein Wachstum der installierten regenerativen Stromkapazität um 50 Prozent im Zeitraum zwischen 2019 und 2024 voraus.

Das entspräche einem Zuwachs um 1.200 Gigawatt. Auf die Photovoltaik entfallen der Prognose zufolge 60 Prozent des Anstiegs. Glücklich wirkt die IEA damit nicht: Einerseits reicht der Ausbau der Erneuerbaren aus Nachhaltigkeitsgründen nicht aus, andererseits gebe es Gefahren eines „ungemanagten“ Wachstums der Photovoltaik.


Die Prognosen der Internationalen Energieagentur sind in den vergangenen Jahren gerade von der Erneuerbare-Energien-Branche immer wieder kritisiert worden. Die IEA unterschätze die Dynamik der regenerativen Energien systematisch und behindere damit den gesamten Umbauprozess, wenn Akteure im politischen Bereich das Rahmenwerk der einflussreichen IEA zur Grundlage ihrer Entscheidungen machen.


Ganz von der Hand zu weisen sind die Vorwürfe nicht, wenngleich eingeräumt werden muss, dass nicht nur die IEA die Dynamik gerade der Kostensenkung im Bereich der Erneuerbaren deutlich unterschätzt hat. Andere Akteure haben aber mit Blick auf politische Entscheidungsprozesse auch nicht die Wirkmacht der IEA.


World Energy Outlook 2010 prognostizierte PV-Stromgestehungskosten von 14 ct/kWh für Periode 2021 bis 2035


Im World Energy Outlook aus dem Jahr 2010 hatte die IEA für den Zeitraum 2021 bis 2035 durchschnittliche Stromgestehungskosten der Freiflächen-Photovoltaik in Höhe von 157 US-Dollar pro MWh vorausgesagt – das entspricht rund 14 ct/kWh. Zum Vergleich: Schon im Februar 2018 lag der Zuschlagspreis der Freiflächenanlagen in Deutschland bei 4,33 ct/kWh, also weniger als einem Drittel der von der IEA prognostizierten Höhe in den kommenden eineinhalb Jahrzehnten. In Dubai lag das niedrigste Gebot bei einer aktuellen Ausschreibung bei umgerechnet etwas mehr als 1,5 ct/kWh, also noch mal um den Faktor drei unterhalb des deutschen Ausschreibungsergebnisses aus dem vergangenen Jahr.


Die aktuelle Prognose der IEA nimmt sich deutlich weniger beeindruckend aus, wenn man die Gesamtperformance der Erneuerbaren betrachtet: Deren Anteil an der weltweiten Stromerzeugung würde nach den Projektionen der Energieagentur von heute 26 auf 30 Prozent im Jahr 2024 steigen – der Weg zu einer regenerativen Vollversorgung am Strommarkt ist noch sehr weit. Die erneute Expansion nach der jüngsten Wachstumsdelle bleibt dann auch nach Einschätzung der IEA „deutlich unter dem, was zur Erreichung der globalen Ziele für nachhaltige Energien erforderlich ist.“


Birol: „Einsatz der erneuerbaren Energien muss noch beschleunigt werden“


„Erneuerbare Energien sind bereits die zweitgrößte Stromquelle der Welt, aber ihr Einsatz muss noch beschleunigt werden, wenn wir langfristige Ziele in den Bereichen Klima, Luftqualität und Energiezugang erreichen wollen“, sagt IEA-Chef Fatih Birol.


Der Bericht nennt drei wichtigsten Herausforderungen hervor, die es zu bewältigen gelte, um den Einsatz erneuerbarer Energien zu beschleunigen: erstens die politischen und regulatorischen Unsicherheiten, zweitens nach wie vor hohe Investitionsrisiken und drittens die Integration von Wind- und Solaranlagen in die Energiesysteme.


Kommerzielle und industrielle Anwendungen werden PV-Markt dominieren


Im Photovoltaikbereich dominieren in den kommenden Jahren kommerzielle und industrielle Anwendungen und nicht das Segment der kleineren privaten Aufdachanwendungen. In den nächsten fünf Jahren werden der Prognose zufolge drei Viertel der Neuinstallationen auf den kommerziellen und industriellen Bereich entfallen. Skaleneffekte in Kombination mit einer besseren Abstimmung von PV-Angebot und Stromnachfrage ermöglichten einen höheren Eigenverbrauch und größere Einsparungen im gewerblichen und industriellen Bereich, heißt es.


Dennoch werde sich die Zahl der Solardachsysteme auf Haushalten bis 2024 auf rund 100 Mio. mehr als verdoppeln, wobei in der Pro-Kopf-Berechnung in diesem Jahr Australien, Belgien, Kalifornien, die Niederlande und Österreich ganz vorne liegen werden.


Kosten für PV-Systeme sinken bis 2024 um weitere 15 bis 35 Prozent


Die Kosten für die Stromerzeugung aus dezentralen Solar-PV-Systemen liegen in den meisten Ländern bereits unter den Strompreisen am Endkundenmarkt. Die IEA prognostiziert, dass diese Kosten bis 2024 um weitere 15 bis 35 Prozent sinken werden.


Das weitere Wachstum der PV sieht die IEA aber durchaus zwiespältig. Ein „ungemanagtes“ Wachstum könnte die Strommärkte „stören, indem es die Systemkosten erhöht, die Netzintegration erneuerbarer Energien in Frage stellt und die Einnahmen der Netzbetreiber reduziert“, schreibt die IEA. Durch Reformen auf Stromtarifebene und eine entsprechende politische Flankierung könnten Versorger und Regierungen Investitionen in dezentrale PV anziehen und gleichzeitig genügend Einnahmen für die Finanzierung von Anlagen zur Netzstabilisierung sichern.


In den Worten von IEA-Chef Birol ist dann auch ein lautes „Aber“ enthalten: „Das Potenzial der dezentralen PV ist atemberaubend, aber ihre Entwicklung muss gut gesteuert werden, um die unterschiedlichen Interessen von PV-Anlagenbesitzern, anderen Verbrauchern sowie Energie- und Versorgungsunternehmen auszugleichen“, sagt Birol. Die IEA sei „bereit, die Regierungen darüber zu informieren, was erforderlich ist, um den vollen Nutzen aus dieser schnell aufkommenden Technologie zu ziehen, ohne die Stromsicherheit zu gefährden“. Mancher Beobachter aus dem Bereich der regenerativen Energiebranche wird diese Aussagen mit einem gewissen Stirnzunzeln zur Kenntnis nehmen.


Potenzial an erneuerbarer Wärme nach wie vor „weitgehend ungenutzt“


Der IEA-Bericht enthält Prognosen für alle erneuerbaren Energieträger. Zwischen 2019 und 2024 soll die erneuerbare Wärme demnach um ein Fünftel ausgebaut werden, angetrieben von China, der Europäischen Union, Indien und den USA. Die Sektoren Wärme und Strom werden zunehmend miteinander vernetzt, der zur Wärmeerzeugung genutzte erneuerbare Strom werde um mehr als 40 Prozent steigen. Insgesamt bleibe das Potenzial an erneuerbarer Wärme jedoch nach wie vor „weitgehend ungenutzt“. Der Anteil der erneuerbaren Energien am Gesamtwärmebedarf wird 2024 voraussichtlich unter 12 Prozent liegen, was ehrgeizigere Ziele und eine stärkere politische Unterstützung erfordere.


Im Verkehrssektor machten Biokraftstoffe derzeit etwa 90 Prozent der erneuerbaren Energien aus, ihr Einsatz werde in den nächsten fünf Jahren noch einmal um ein Viertel zunehmen. Das Wachstum wird dabei von Asien, insbesondere China, dominiert und von Energiesicherheits- und Luftreinhalteproblemen getragen. Trotz des rasanten Ausbaus von Elektrofahrzeugen mache der erneuerbare Strom im Jahr 2024 nur ein Zehntel des Verbrauchs an erneuerbaren Energien im Verkehrssektor aus. Und der Anteil der erneuerbaren Energien am gesamten Kraftstoffverbrauch bleibt immer noch unter 5 Prozent.