Zu diesem Ergebnis kommt eine Analyse der World Wind Energy Association (WWEA) und des Landesverbands Erneuerbare Energien (LEE NRW). Auch für das Gelingen der urbanen Energiewende muss die Beteiligung der Bürger deutlich stärker in den Fokus rücken, wie Experten des Projekts Designetz deutlich machen.
Im Rahmen der auf zweieinhalb Jahre angelegten Studie von WWEA und LEE NRW wurden die gesetzlichen Rahmenbedingungen analysiert und betroffene Bürgerwind-Akteure in den Jahren 2017 bis 2019 mehrfach direkt befragt. Die befragten Bürgerenergieakteure bewerteten die Ausschreibungen demnach von Beginn an „durchgängig sehr negativ“, vor allem bezogen auf das Zuschlagsrisiko und die steigende Komplexität, heißt es seitens der Verbände. „Sehr viele wünschen sich eine Rückkehr zum alten, für jedermann offenen System der Einspeisetarife.“ Hinzu kommen bundesweit erhebliche genehmigungsrechtliche Hürden vor allem aus den Bereichen der Flugsicherung, der militärischen Luftraumnutzung und des Artenschutzes dem weiteren Windenergieausbau.
„Die Bundesregierung hat alle drei Ziele verfehlt, die sie mit Einführung der Ausschreibungen verbunden hat“, sagt Stefan Gsänger, WWEA-Generalsekretär. Weder werde der festgelegte Ausbaukorridor erreicht, noch erzielten die Auktionen kostengünstigere Ergebnisse, und auch die Akteursvielfalt habe seit Beginn 2017 stark gelitten, „was die Akzeptanz der Windenergie und der Energiewende insgesamt in Frage stellt“.
Die frühere Vorbildrolle Deutschlands bei der Energiewende – auch in Sachen Bürgerbeteiligung – sei seit Einführung der Ausschreibungen verloren gegangen. Sehr negativ wahrgenommen werde die Politik der NRW-Landesregierung zum Windenergieausbau, was vor allem mit den planungsrechtlichen Verschlechterungen in NRW zusammenhänge. So sehe der neue Landesentwicklungsplan (LEP) im Grundsatz eine Abstandsvorgabe von 1.500 Metern zu Wohngebieten, ein weitgehendes Verbot der Windkraft im Wald und die Aufgabe einer verpflichtenden Steuerung des Windenergieausbaus über die Regionalplanung vor.
Die entsprechenden Änderungen seien zwar erst im Juli 2019 in Kraft getreten, die anhaltenden Diskussionen im Vorfeld hätten jedoch schon zuvor große Verunsicherungen in der Branche erzeugt. Künftig würden kaum neue Flächen entstehen, auf denen Bürgerwindprojekte umgesetzt werden könnten. „Für die Energiewende, die auf einen dynamischen und zugleich akzeptanzstarken Ausbau der Windenergie angewiesen ist, ist das im höchsten Maße kontraproduktiv“, meint der Geschäftsführer des LEE NRW, Jan Dobertin.
„Bürgerenergie stärkt die regionale Wertschöpfung und die Teilhabe der Bürgerinnen und Bürger am ökologischen und demokratischen Umbau der Wirtschaft“, betont Malte Zieher, Vorstand des Bündnisses Bürgerenergie. „Deshalb ist es fatal, dass die Ausschreibungen die Bürgerenergie aus dem Markt gedrängt haben. Wir brauchen endlich wieder ein planbares Vergütungssystem als Einladung an die Menschen, ihre Belange in die eigenen Hände zu nehmen.“
„Energiewende auf engstem Raum“: Bürger im Zentrum urbaner Lösungen für die Energiewende
Auch Vertreter aus Industrie, Wissenschaft und Politik fordern eine stärkere Beteiligung von Bürgern bei der Energiewende. Der Umbau der Stromversorgung gelinge nur, wenn es mehr marktwirtschaftliche Anreize zur Förderung von Quartierslösungen und Energiegemeinschaften gebe. Das geht aus einem Beschluss des politischen Beirats des Projekts Designetz zur urbanen Energiewende hervor, wie der Energieversorger Innogy berichtet. Der Fokus liegt hier also auf der Bürgerbeteiligung in urbanen Räumen.
Bis Ende 2020 wollen die rund 46 Projektpartner eine „Blaupause“ für das Energiesystem der Zukunft entwickeln. Aus 30 Einzelprojekten wie smarten Verteilnetzen, Energiespeichern oder digitalen Steuerungen soll das Gesamtkonzept gebildet werden. „In urbanen Regionen muss die Energiewende oft auf engstem Raum ermöglicht werden“, erklärte die Beiratsvorsitzende Hildegard Müller, Vorstand für Netz und Infrastruktur der Innogy SE. Zur Erreichung der Klimaziele seien Energielösungen in Quartieren unverzichtbar, und der Bürger könne hierdurch die Energiewende aktiv mitgestalten.
Mehr Anreize für intelligente Technik im Stromnetz sowie Integration von Strom, Gas und Wärmeerforderlich
Es sei „notwendig“, die politischen und regulatorischen Vorgaben weiterzuentwickeln, so Müller. Die Projektpartner fordern weiterhin, die Eigenstromnutzung von Solaranlagen auf privaten Wohnhäusern und Gewerbebetrieben zu erleichtern. Andere Verbraucher dürften dabei nicht benachteiligt werden. Außerdem müsse es mehr Anreize für intelligente Technik im Stromnetz sowie eine Integration von Strom, Gas und Wärme geben.
Zu den 46 Partnern des „Designetzes“ gehören Energieunternehmen wie die Mainzer Stadtwerke, die Dortmunder Energie- und Wasserversorgung, Universitäten, Wissenschaftsinstitute wie Fraunhofer oder Unternehmen wie John Deere. Unterstützt wird das Projekt von den Ländern Nordrhein- Westfalen, Rheinland-Pfalz und Saarland.