Die Europäische Vereinigung für Erneuerbare Energien (Eurosolar), der Bundesverband Neue Energiewirtschaft (bne) und der Verband kommunaler Unternehmen (VKU) sehen den Wettbewerb im deutschen Strommarkt durch die Übernahme der RWE-Tochter innogy durch E.ON bedroht. Eurosolar und bne vergleichen die neue E.ON mit einer Art Energie-Google.
„Ein Unternehmen dieser Größenordnung, das gleichzeitig Vertrieb und Netzbetrieb bündelt, ist eine Gefahr für den Wettbewerb im Energiemarkt. Diese Fusion bedroht die Energiewende als Ganzes, denn sie gefährdet klimafreundliche Energiewende-Lösungen von Wettbewerbern“, erklärte bne-Geschäftsführer Robert Busch. Hier entstehe ein Unternehmen der Art „Energie-Google“, dem der größte Teil des Netzes gehöre und das sich aus diesem Monopolteil eine wettbewerbsfreie Finanzierung sichern könne. Nun räche sich sich, dass nach der Liberalisierung der Energiemärkte das Unbundling nicht ausreichend vollzogen wurde.
Netze seien zentrale Plattformen der Energiewende, die zwingend neutral geführt werden müssten. Für die Zukunft komme es deshalb darauf an, dass in neuen Gesetzesvorhaben und bei der Regulierung durch die Bundesnetzagentur (BNetzA) die Grundsätze des Unbundlings wieder gestärkt werden. Gelinge dies, bestehe die Hoffnung, dass die Fusion ein großes professionell geführtes Netz hervorbringt, das Maßstab für effizienten Netzbetrieb sein kann. Sollte die Regulierung jedoch schwächeln, könne sich im schlechtesten Fall ein übermächtiges Unternehmen entwickeln, das den Markt dominiert und so Wettbewerb verhindert.
Verteilnetze sind das „lukrativste Geschäftsfeld“
Nach Ansicht von Eurosolar erhält E.ON mit allen Strom- und Gasverteilnetzen das lukrativste Geschäftsfeld und bedient das Endkundengeschäft dann als beherrschender Strom- und Gasvertrieb Deutschlands. Verteilnetze seien auch nach der Liberalisierung des Strommarkts praktisch Monopolbereiche. Und der Betrieb des Netzes sei teurer als die Herstellung des Stroms. Wie Eurosolar in einer Mitteilung schreibt sind Verteilnetze Goldgruben. E.ON soll 50 Prozent der deutschen Stromnetze und 70 Prozent aller Stromkunden kontrollieren – 70 Prozent aller Gaskunden ebenfalls – und werde als dominierender Netzbetreiber die Standards der gesamten Branche setzen. Mit 20 Mio. Zählern sei die neue E.ON viermal größer als der nächste Wettbewerber.
„Auf diese Weise will E.ON eine kritische Masse erreichen, um das Google des deutschen Energiemarkts zu werden“, so Axel Berg, Vorsitzender der deutschen Sektion von Eurosolar. „Die Funktionslogik ist der integrierte Konzern mit Netz, Messstellenbetrieb, Endkundenvertrieb und vielen neuen Geschäften.“
Eurosolar sieht den Megadeal auch als Rückschlag für die Energiewende insgesamt. Eine dezentrale Marktordnung mit vielen kleinen Stromproduzenten stehe den Profit- und Wachstumszielen großer Energiekonzerne im Weg. Mit dem Deal wollten RWE und E.ON ihre alten, zentralen Markt- und Machtstrukturen absichern. „Statt sich gegenseitig Konkurrenz zu machen, positionieren sich die Großen gemeinsam gegen die Kleinen und gegen die Energiewende. Nach der vertikalen Integration der Märkte erfolgt jetzt die horizontale Aufteilung. Mit dezentraler Energiewende hat das nichts zu tun“, so Berg.
Haben die Stromkunden künftig weniger Auswahl?
Die Experten von Verivox, die rund 130 Vertriebsmarken von E.ON und innogy in ihrer Datenbank zählen, erwarten nicht, dass die Stromkunden künftig weniger Auswahl haben. Mit der Fusion entstehe zwar einer der größten Energieversorger Europas, „aber wir sehen den Wettbewerb dadurch nicht gefährdet“, sagt Leo Lützenkirchen, Bereichsleiter Energie des Vergleichsportals. Die Verbraucher könnten heute pro Postleitzahl aus durchschnittlich 160 Stromanbietern wählen, vor zehn Jahren seien es nur 66 gewesen.
Ob die Innogy-Übernahme „für die Privatkunden ein Nachteil wird, liegt vor allem an den Kunden selbst“, sagt Udo Sieverding, Energieexperte der Verbraucherzentrale NRW. Sie müssten in Zukunft noch intensiver ihre Tarife beobachten und von Wechselmöglichkeiten Gebrauch machen. Bei der Wechselbereitschaft gebe es aber noch viel Luft nach oben.