Batteriespeicher in Deutschland: Starkes Wachstum, viel Potenzial und große Sorgen


Das zeigt eine umfassende Analyse von Jara-Energy, dem gemeinsamen Energieforschungsverbund von Forschungszentrums Jülich und RWTH Aachen. Das Heimspeichersegment spielt dabei eine wichtige Rolle, aber auch im Bereich der Großbatteriespeicher wurde ein spürbares Wachstum registriert.


Bislang sei die Datenlage zu stationären Batteriespeichern „recht lückenhaft“, begründet Martin Robinius vom Institut für Energie- und Klimaforschung (IEK-3) des Forschungszentrums Jülich den Bedarf für die jetzt vorgelegte Analyse. „Wir haben Daten aus verschiedenen Studien und Datenbanken vereint, und damit eine solide Datenbasis für aktuelle und zukünftige Studien geschaffen, die einmal jährlich auf den neuesten Stand gebracht werden wird.“


Insgesamt machen die Analysen deutlich, dass Batterie-basierte Speicherlösungen für stationäre Anwendungen immer mehr an Bedeutung gewinnen. Keine andere stationäre Speichertechnologie habe in Deutschland zuletzt mehr Umsatz erwirtschaftet. 2018 übertrafen die Umsätze nach den Analysen der Jülicher und Aachener Forscher erstmals die im Bereich der Pumpspeicherkraftwerke, wobei beide Technologien zusammen etwa 75 Prozent des gesamten Marktes für stationäre Energiespeicher abdeckten.


Das deckt sich mit den kürzlich veröffentlichten Analysen des Branchenverbands BVES für das Jahr 2019: Die Marktforscher von 3 Energie Consulting identifizierten im Auftrag des BVES einen Branchenumsatz von 5,5 Mrd. €. Davon entfielen 1,9 Mrd. € auf Pumpspeicher und weitere knapp 2,2 Mrd. € auf Heim-, Großbatterie- und Industriespeicher. Größtes Marktsegment im Batteriebereich sind dabei die Industriespeicher mit einem Marktvolumen von 1,3 Mrd. €.


Heimspeichermarkt: Installierte Kapazität steigt bis Ende 2019 auf geschätzte 1.400 MWh


Die größte Zahl an stationären Batterien wurde laut RWTH Aachen und FZ Jülich privat als Stromspeicher für Photovoltaikanlagen angeschafft. Zusammen kamen die rund 125.000 Heimspeicher mit etwa 930 MWh im Jahr 2018 auf eine Kapazität, die der eines mittelgroßen Pumpspeicherkraftwerks entspricht. Die kumulierte Leistung der Heimspeicher beziffern die Forscher auf 415 MW. In den meisten Fällen, rund 90 Prozent, wurden die Batteriespeicher direkt zusammen mit einer neuen Photovoltaik-Anlage installiert. Nur in rund 10 Prozent der Fälle wurden bestehende PV-Anlagen nachgerüstet.


Mehr als jede zweite PV-Anlage mit einer Spitzenleistung bis 30 kWp wurde zuletzt direkt in Kombination mit einem Batteriespeicher installiert. Folglich wird mit weiterem Wachstum gerechnet. Bis Ende 2019 seien geschätzt rund 1.400 MWh Speicherkapazität und eine installierte Leistung von 600 MW am Netz.


Der PV-Markt ist damit im Heimspeichersegment ein großer Markttreiber. „Dennoch machen uns die sinkenden Einspeisevergütungen für PV-Anlagen Sorgen, da mit diesen die Wirtschaftlichkeit von PV-Anlagen abnimmt“, sagt Prof. Dirk Uwe Sauer vom Institut für Stromrichtertechnik und Elektrische Antriebe (ISEA) der RWTH Aachen. „Diese sinkende Wirtschaftlichkeit lässt einen Rückgang des PV-Markts im Kleinanlagensegment erwarten.“


Meiste Heimspeicher entstehen im „sonnenreichen und wohlhabenden“ Süden Deutschlands


Wie bei den PV-Anlagen kommt es auch bei der Installation von stationären Batteriespeichern zu regionalen Unterschieden. Die meisten Speicher stehen „im sonnenreichen und wohlhabenden Süden Deutschlands, wo häufig gute Voraussetzungen für PV-Anlagen vorherrschen“, heißt es seitens der Wissenschaftler.


Seit die Einspeisevergütung im Jahr 2012 unter den Verbraucherpreis fiel, nimmt die Zahl der privaten Stromspeicher beständig zu. 11 Cent bekamen Privatleute 2018 durchschnittlich für jede Kilowattstunde gutgeschrieben, die sie von ihrer PV-Anlage ins öffentliche Netz einspeisten. Um die gleiche Menge als Verbraucher aus dem Netz zu beziehen, mussten sie dagegen im Schnitt an die 30 Cent zahlen.


„Prinzipiell ist es daher erst einmal günstig, den Eigenverbrauch so hoch wie möglich zu halten. Die aktuelle Preisdifferenz allein reicht allerdings nicht aus, um den Zuwachs bei den stationären Energiespeichern zu erklären“, so Jan Figgener, Projektleiter am ISEA. Für die Anschaffung spielten vor allem weitere Gründe eine Rolle wie etwa eine größere Unabhängigkeit von Energieversorgern in Erwartung steigender Strompreise und der Wille, einen eigenen Beitrag zum Gelingen der Energiewende zu leisten.


Preise für Lithium-Ionen-Heimspeicher bis 2018 auf 1.150 €/kWh gesunken


Begünstigt wurde die Entscheidung zusätzlich durch fallende Preise für Lithium-Ionen-Heimspeicher, die innerhalb weniger Jahre um 50 Prozent von über 2.000 € auf rund 1.150 € pro Kilowattstunde Kapazität gesunken sind. „Die Entwicklung geht nicht zuletzt auch auf die staatliche Förderung zurück, die gerade in den ersten Jahren den Markt als Anreizprogramm angekurbelt hat“, erläutert Figgener. „In den Anfangsjahren zwischen 2013 und 2015, als die Preise noch recht hoch waren, wurde mehr als jede zweite Anlage durch KfW-Kredite begünstigt. Danach, nachdem die Förderung aufgrund fallender Preise zurückgeschraubt wurde, sank dieser Anteil an geförderten Neuinstallationen kontinuierlich bis zum Jahr 2018 auf etwa 5 Prozent.“


Ein deutliches Plus gab es auch bei stationären Großbatteriespeichern, deren Kapazität 2018 bei rund 550 MWh lag. Vorrangige Anwendung ist hier mit 92 Prozent die Stabilisierung der Stromnetze. Der Analyse zufolge verfügen die 59 identifizierten Großspeicher über eine kumulierte Leistung von 400 MW. Auch hier wurden deutliche Preissenkungen realisiert. Nach Angaben der Wissenschaftler waren im Jahr 2018 für entsprechende Großspeicher nur noch 800 €/kWh fällig.


Große Batteriespeicher zur Netzstabilisierung: Sättigungspunkt erreicht


„Stationäre Batteriespeicher können am schnellsten auf Frequenzschwankungen reagieren. Wir gehen allerdings davon aus, dass die rasante Entwicklung in diesem Bereich bereits einen Sättigungspunkt erreicht hat und sich in den nächsten Jahren in der bisherigen Dynamik nicht weiter fortsetzen wird“, sagt Robinius.


Großes Potenzial für stationäre Batterien sieht er dagegen in anderen industriellen Anwendungen: etwa in Smart Grids von Unternehmen, die verstärkt auf eine autarke Energieversorgung setzen, oder als Pufferspeicher für die Schnellladung von Elektroautos. Peter Stenzel (auch IEK-3), Co-Autor der Studien ergänzt: „Wir erwarten, dass dieser Markt in den nächsten Jahren noch deutlich wachsen wird, wenn Unternehmen anfangen, das Potenzial von Batteriespeichern in diesen Anwendungen zu erkennen.“


Die Speicherbranche selbst hat sich zuletzt verhalten optimistisch gezeigt. Angesichts der anhaltenden regulatorischen Hemmnisse verlagere sich das Marktgeschehen zunehmend in das Ausland, teilte der BVES bei der Vorstellung der Branchenzahlen für 2019 im März mit. „Die technologischen Grundlagen sind gegeben. Einzig die rückständige Regulatorik behindert den breiten, systemdienlichen Einsatz von Energiespeichern vom Kondensator bis zu Wasserstoff“, sagte BVES-Bundesgeschäftsführer Urban Windelen.