Es gibt aber Zweifel, ob die Strategie ausreichend ist, um Klimaziele zu erreichen und den Ausbau der Erneuerbaren schnell genug zu forcieren. Und der Streit, ob auch Wasserstoff, der nicht aus erneuerbaren Energien erzeugt wird, Teil des Transformationsprozesses sein kann, führt zu kontroversen Bewertungen des EU-Ansatzes.
Man begrüße die Vorlage der Strategien, heißt es beim Bundesverband Erneuerbare Energie (BEE). „Es fehlt allerdings ein klares Bekenntnis für einen zügigen und vollständigen Umstieg auf erneuerbare Energien“, sagt BEE-Präsidentin Simone Peter. Die EU-Kommission bekräftige in ihrer Strategie das Ziel der Klimaneutralität für Europa bis 2050. Trotzdem werde selbst 2050 noch von „relevanten Anteilen fossiler Energieträger“ ausgegangen, hält der BEE fest. „Das passt nicht zu den Klimazielen und zu den erheblichen Potenzialen für heimische Wertschöpfung und zukunftsfähige Arbeitsplätze in der EU durch die Nutzung von Erneuerbaren“, sagt die BEE-Präsidentin.
Gleichwohl sei „natürlich zu begrüßen“, dass die Strategie der EU-Kommission den beschleunigten Ausbau der erneuerbaren Energien in allen Bereichen in den Mittelpunkt stelle und das Efficiency First-Prinzip zur Handlungsmaxime erhebe. Auch die Einführung von Nachhaltigkeitskriterien für Wasserstoffprodukte sowie Quoten für einzelne Endverbrauchssektoren seien der richtige Fokus, räumt der BEE ein.
„Es reicht allerdings nicht, die Bedeutung von grünem Wasserstoff nur zu betonen“, sagt Peter. Die Bedeutung müsse sich auch in ambitionierten Einsatzquoten in den verschiedenen Sektoren für grünen Wasserstoff widerspiegeln. Die Wasserstoff-Strategie müsse außerdem mit einem beschleunigten Ausbau der erneuerbaren Energien kombiniert werden. Das Argument, dass die Marktentwicklung die Förderung von blauem und grauen Wasserstoff nötig mache, bei dessen Produktion erhebliche Mengen an CO2 anfallen, sei nicht tragfähig. „Eine konsequente Herangehensweise muss den gesamten CO2-Fußabdruck von Wasserstoffprodukten berücksichtigen und erlaubt schon deshalb einzig die Förderung von grünem Wasserstoff“, so Peter weiter.
Auch beim Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) sieht man Plus- und Minuspunkte in dem Strategiepaket. „Mit den beiden Strategien setzt die EU-Kommission wichtige Impulse für einen Markthochlauf von Wasserstoff und zur Sektorkopplung in Europa“, sagt Kerstin Andreae, Vorsitzende der BDEW-Hauptgeschäftsführung. Es würden auch viele der Kernforderungen des BDEW aufgegriffen. „Allerdings sehen wir mit Blick auf die anstehende rechtliche Umsetzung noch Nachbesserungsbedarf.“
Positiv bei der EU-Wasserstoffstrategie sei „vor allem die Einführung einer einheitlichen Definition klimaneutraler Gase auf Basis der Treibausgasintensität, verbunden mit einem EU-weiten Herkunftsnachweissystem sowie die grundsätzliche Anwendung der Gasbinnenmarktregeln auf Wasserstoff“, sagt Andreae. Anders als der BEE begrüßt der BDEW, dass die Kommission neben erneuerbarem auch dekarbonisierten Wasserstoff und die bestehende Gasinfrastruktur als Fundament für den Aufbau einer Wasserstoffwirtschaft anerkenne.
„Die Umsetzung der EU-Klimaziele gelingt nur, indem in allen Sektoren alle zur Verfügung stehenden Dekarbonisierungsoptionen genutzt werden können. Nur dieser breite Ansatz eröffnet einen liquiden Handelsmarkt für Wasserstoff und andere klimaneutrale Gase“, sagt Andreae. Wasserstoff müsse zudem auch in den Gasbinnenmarkt integriert werden, um keine getrennten Märkte zu etablieren. So sollte eine Wasserstoffinfrastruktur für die öffentliche Versorgung analog zur Gasnetzinfrastruktur reguliert werden, um einen diskriminierungsfreien Zugang zum Energieträger Wasserstoff zu ermöglichen.
Mit Blick auf das zweite Strategiepapier heißt es beim BDEW, dass die direkte Elektrifizierung, der zunehmende Einsatz klimaneutraler Gase sowie die Realisierung weiterer Effizienzgewinne „gleichermaßen von Bedeutung“ seien. „Es ist daher bedauerlich, dass die Kommission einzelne Technologien und die Verwendung von Energieträgern nur für spezifische Sektoren vorsieht.“ Damit werde sie ihrer eigenen Zielsetzung nicht gerecht, mit einer konsequenten Sektorkopplung ein technisch und ökonomisch effizientes Modell zu entwickeln.“ Wenig zielführend sei es auch, dass der Einsatz von gasförmigen Energieträgern lediglich in den Sektoren und Anwendungen vorgesehen werde, die schwer zu elektrifizieren sind. Damit verpasse die Europäische Kommission die Möglichkeit, ein breites und flexibles Energiesystem der Zukunft zu entwickeln.
Der Verband kommunaler Unternehmen (VKU) lobt den Ansatz, das Energiesystem als Ganzes zu betrachten. „Richtig ist, dass die EU-Kommission die Idee eines integrierten, kreislauforientierten Energiesystems verwirklichen will, das vor allem Energieeffizienz, Sektorenkopplung und Nachhaltigkeit in den Fokus rückt“, betont VKU-Präsident Michael Ebling. Für die Kommunalwirtschaft seien die Stärkung der Fernwärme als Beitrag zur Wärmewende, die Abschaffung von Doppelbelastungen für Speicher sowie neue Fördermöglichkeiten für den Ausbau erneuerbarer Energien wichtige Elemente der Kommissionsstrategie. „Eine Strategie ist ein guter erster Schritt. Sie muss jetzt zügig in konkrete Maßnahmen übersetzt werden.“