Die Nutzung klimafreundlichen Wasserstoffs soll in der Europäischen Union binnen zehn Jahren stark ausgebaut werden, um die Energiewende voranzutreiben. Die Europäische Kommission hat dazu am Mittwoch vergangener Woche eine Strategie zu Wasserstoff angenommen. So sollen mit öffentlicher Unterstützung bis 2024 die Kapazitäten auf eine Million Tonnen Wasserstoff aus erneuerbaren Energien wachsen – sechs Mal so viel wie heute. Das entspricht einer Elektrolyseleistung von mindestens sechs Gigawatt. Bis 2030 sollen 40 Gigawatt installiert sein und bis zu zehn Mio. Tonnen erneuerbaren Wasserstoff erzeugen.
Von 2030 bis 2050 sollten die Technologien für erneuerbaren Wasserstoff ausgereift sein und in großem Maßstab in allen Sektoren, in denen die Dekarbonisierung schwierig ist, eingesetzt werden. Ziel der EU ist es, bis 2050 klimaneutral zu werden. Dazu muss die EU ihr Energiesystem umgestalten, auf das 75 Prozent der Treibhausgasemissionen entfallen. „Mit der Entwicklung und dem Einsatz einer sauberen Wasserstoff-Wertschöpfungskette wird Europa weltweit führend werden und seine Führungsrolle bei sauberen Technologien bewahren“, sagte Kommissionsvize Frans Timmermans.
Vorrangiges Ziel sei die Entwicklung von erneuerbarem Wasserstoff, der hauptsächlich mithilfe von Wind- und Sonnenenergie erzeugt wird. Kurz- und mittelfristig seien jedoch andere Formen CO2-armen Wasserstoffs erforderlich, um die Emissionen rasch zu senken und die Entwicklung eines tragfähigen Marktes zu unterstützen.
Wasserstoff kann Sektoren mit Energie versorgen, die nicht für die Elektrifizierung geeignet sind, und die Energie speichern, um variable Energieflüsse aus erneuerbaren Energieträgern auszugleichen. Die EU-Kommission will den Wasserstoff vor allem für Prozesse verwenden, die sonst nicht zu annehmbaren Kosten klimafreundlich umgestaltet werden können. Das sind vor allem die Stahlproduktion oder der Schwertransport. „Wir zeigen der Welt, dass grüner Stahl möglich ist“, sagte Timmermans. Bis 2050 könnte Wasserstoff aus erneuerbaren Energien demnach 24 Prozent des Energiebedarfs decken.
Grüner Wasserstoff soll ab 2030 konkurrenzfähig werden
Bisher wird in der EU nach Darstellung der EU-Kommission nur sehr wenig Wasserstoff produziert und wenn, dann zu 90 Prozent unter Nutzung fossiler Energien wie Kohle oder Erdgas. Dieser kostet den Angaben zufolge rund 1,50 Euro pro Kilo, während grüner Wasserstoff unter Nutzung erneuerbarer Energien bis zu 5,50 Euro je Kilo kostet. Dank stark sinkender Preise für Ökostrom erwartet die Kommission aber, dass in einigen Regionen grüner Wasserstoff ab 2030 preislich mit solchem auf Basis fossiler Energien mithalten könnte.
Wasserstoff gilt als wichtiger Baustein für eine klimafreundliche Energieversorgung. Denn bei der Nutzung entstehen keine Treibhausgase. Allerdings muss zur Herstellung zunächst mit großem Energieaufwand Wasser in Wasserstoff und Sauerstoff gespalten werden. Klimaschonend ist dies nur, wenn dazu wiederum Strom ohne oder mit nur minimalen Treibhausgas-Emissionen während der Erzeugung verwendet wird, also zum Beispiel aus Sonne oder Wind.
Bau von Elektrolyseanlagen wird 24 bis 42 Mrd. € kosten
Die Strategie soll Investitionen in diesen „grünen“ Wasserstoff voranbringen und dafür öffentliche und private Gelder mobilisieren. Nach Angaben der Kommission sind bis 2030 für den Bau von Elektrolyseanlagen 24 bis 42 Mrd. € nötig. Zum Aufbau von 80 bis 120 Gigawatt Sonnen- und Windkraftanlagen zur Energieversorgung bräuchte es zusätzlich noch 220 bis 340 Mrd. €. Die öffentliche Unterstützung könnte aus mehreren EU-Töpfen kommen, auch aus dem Hunderte Milliarden Euro schweren Corona-Wiederaufbauplan, über den die EU-Staaten derzeit verhandeln.
Die Kommission startete auch eine sogenannte Wasserstoffallianz mit europäischen Unternehmen, um die Strategie mit konkreten Projekten zu unterfüttern und privates Geld zu mobilisieren. Die Reaktionen von Wirtschaftsverbänden auf die Strategie waren überwiegend positiv. „Mit der europäischen Wasserstoffstrategie sendet die EU-Kommission ein wichtiges Signal und zeigt, dass sie die Bedeutung dieses Schlüsselenergieträgers für ein klimaneutrales Europa erkannt hat“, lobte zum Beispiel der Bundesverband der Deutschen Industrie.
Umweltverbände und Grüne kritisieren Einfluss der Industrie
Umweltverbände und Grüne sehen zwar die Bedeutung von Wasserstoff, kritisieren aber den Einfluss der Industrie und eine mögliche Förderung fossiler Brennstoffe wie Erdgas. Die Wasserstoff-Allianz werde von Erdgasproduzenten dominiert, kritisierte das Climate Action Network in Brüssel. Der Grünen-Europaabgeordnete Michael Bloss forderte, für die Investitionen von 340 Mrd. € in Erneuerbare müsse eine solide Finanzierung hinterlegt werden.
Die Bundesregierung hatte Mitte Juni eine eigene Wasserstoffstrategie vorgestellt und Förderung im Umfang von neun Milliarden Euro angekündigt (EUWID 25/2020). Allein in Deutschland sollen bis 2030 Erzeugungsanlagen von bis zu fünf Gigawatt entstehen. Die von der EU-Kommission angepeilte Menge für 2030 entspricht Kapazitäten von 40 Gigawatt.