Neben der Energiepreisreform bedürfe es komplementärer Instrumente, etwa um Marktunvollkommenheiten im Rahmen des Ausbaus von energiewenderelevanter Infrastruktur und der Förderung von Zukunftstechnologien zu adressieren.
Die Transformation hin zu einem nachhaltigen Wirtschaftssystem erfordere es, strategisch bedeutsame klimaneutrale Wertschöpfungsketten aufzubauen, kritische Abhängigkeiten durch Diversifizierung zu vermeiden und inländische Märkte zu stärken. „Regenerativer Wasserstoff und synthetische Energieträger spielen dabei eine Schlüsselrolle, da sie vielfältig einsetzbar sind“, heißt es in der Stellungnahme. Anwendungen lägen im Verkehrssektor, bei der Speicherung von Strom, in der Industrie und im Wärmesektor.
Europäischer Green Deal impliziert „massive Erhöhung der Ausbauziele Erneuerbarer“
Weiterer Handlungsbedarf bestehe bei den erneuerbaren Energien, da die Umsetzung der langfristigen Klimaziele und der Vorschlag der EU Kommission für einen europäischen Green Deal eine „massive Erhöhung der Ausbauziele“ erforderten. Gerade für den Ausbau erneuerbarer Energien seien in der Umsetzung europäische Lösungen zu stärken, um nationale Aktivitäten besser zu ergänzen. Gerade im Zuge der Corona-Krise erscheine ein beschleunigter Ausbau der erneuerbaren Stromerzeugung als „No-Regret“-Strategie. „Sowohl Anlagenhersteller als auch deren Zulieferer erhalten eine planbare Zukunftsperspektive, Lieferketten innerhalb Europas können gefestigt oder neu etabliert werden, so dass auch eine stärkere Absicherung gegen zukünftige Krisen erfolgt“, heißt es in der Stellungnahme.
Die Errichtung und der Betrieb von Anlagen schafften regionale Wertschöpfung und zukunftssichere Beschäftigung. Gerade Teilhabeoptionen könnten in Krisenzeiten eine wichtige Rolle zur Stabilisierung der Gesellschaft darstellen. „Deshalb sollten die Weichen für den zusätzlichen Ausbau der erneuerbaren Energien gemäß den Green-Deal-Zielsetzungen gestellt und die zur Bewältigung der Corona-Krise angestrebten Konjunkturprogramme explizit hierfür genutzt werden.“
CO2-basierte Energiepreisreform als Leitinstrument zur Steuerung der Energiewende
Die CO2-basierte Energiepreisreform sieht die Expertenkommission als das Leitinstrument. Diese umfasse auf nationaler Ebene die Umsetzung eines ambitionierteren CO2-Preispfades, welcher auch einen Mindestpreis für CO2 umfasst, sowie eine umfassende Ausrichtung des derzeit existierenden komplexen Systems aus Entgelten, Steuern, Abgaben und Umlagen auf tatsächliche externe Effekte. „Höhere Ambitionen im Klimaschutz auf europäischer Ebene erfordern neben einem Nachschärfen der CO2-Bepreisung im EU ETS eine Reform der EU-Energiesteuerrichtlinie sowie ggf. die Einführung von Grenzausgleichen“, heißt es weiter.
Infrastrukturen müssten für den Transport, die Verteilung und die Speicherung von Wasserstoff und synthetischen Energieträgern angepasst und ausgebaut werden. „Zudem werden Speicher mit verschiedenen Volumina benötigt, um eine zeitliche Unabhängigkeit von Erzeugung und Verbrauch insbesondere im Bereich der Stromversorgung zu ermöglichen.“
„Handlungsspielräume nutzen, die niedrige Energiepreise in der Corona-Pandemie eröffnen“
Die Investitions- und Finanzmittel der öffentlichen Hand könnten und sollten lediglich die Grundlage für die Umsetzung des Green Deal schaffen. Um dafür auch das erforderliche Kapital privatwirtschaftlicher Investoren zu aktivieren, seien weitere Maßnahmen zur Stärkung von Green Finance umzusetzen, „etwa durch die Ausweitung der Berichtspflichten von Unternehmen und Finanzmarktakteuren im Sinne der geplanten EU-Taxonomie für Nachhaltige Finanzierung“. Verbesserte Rahmenbedingungen und einheitliche Standards für die Zertifizierung böten wichtige Entscheidungsgrundlagen.
Bei allen von der Expertenkommission empfohlenen Maßnahmen sei zu beachten, dass das Krisenmanagement in der Corona-Pandemie Vorrang habe. „Nichtsdestotrotz sind einige Maßnahmen ohne größere Hürden umsetzbar und in Zeiten von Corona sogar umso dringlicher.“ Beispielhaft wird auf die Energiepreisreform und Maßnahmen zur klimaneutralen Transformation der Industrie verwiesen, welche die Konjunktur unterstützten, die Resilienz des Gesamtsystems erhöhten und zum Schutz vulnerabler Gruppen beitrügen. „Hier gilt es die Handlungsspielräume zu nutzen, die niedrige Energiepreise in der Corona-Pandemie eröffnen.“
Die unabhängige Expertenkommission begleitet den 2011 von der Bundesregierung ins Leben gerufenen Monitoring-Prozess „Energie der Zukunft“. Sie nimmt auf wissenschaftlicher Grundlage Stellung zu den Monitoring- und Fortschrittsberichten der Bundesregierung zur Energiewende und unterstützt die Bundesregierung bei der Erarbeitung gemeinsamer Lösungen und Strategien für die zentralen Handlungsfelder der Energiewende.