Sinkt die verfügbare Ökostrom-Menge, könnten Klimaziele wie ein Anteil von 65 Prozent am Verbrauch aus erneuerbaren Energien bis 2030 in Gefahr geraten. Altmaier sagte in Berlin nach dem „Round Table“ und Gesprächen mit Vertretern von Bund, Ländern und Energiewirtschaft, es gehe nun darum, die dafür nötigen Ausbauziele zu erreichen.
Es bestehe Einigkeit darin, dass das Potenzial älterer Anlagen weiter genutzt werden solle. Ein Schwerpunkt müsse dabei auf „Repowering“ liegen – also dem Ersatz alter durch neue, leistungsfähigere Anlagen. Dazu würden rechtliche Erleichterungen geprüft, sagte Altmaier. Dies könnte einen erheblichen Teil der „ausgeförderten Anlagen“ betreffen. Notwendige Änderungen würden in die derzeit geplante Novelle des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG) einfließen.
Zum 1. Januar 2021 fallen erstmals Anlagen aus der 20-jährigen Förderdauer des EEG heraus. Es wird nun befürchtet, dass ihr wirtschaftlicher Betrieb danach nicht mehr möglich ist – während gleichzeitig mehr Energie aus regenerativen Trägern wie Wind, Sonne oder Biomasse gebraucht wird, um die Klimaziele zu erreichen. Betroffen sind in Post-EEG-Phase allein im Windenergiebereich 16 GW Leistung bis zum Jahr 2025.
„Es ist klar geworden, dass wir mit einem starken Instrument des Repowerings sehr viele Bestandsflächen in eine moderne Anlagentechnologie übertragen können“, sagte der Präsident des Bundesverbands Windenergie (BWE) nach Abschluss der Round-Table-Gespräche. „Ich denke, das ist ein Stückweit der Königsweg für den Umbau der Windkraftlandschaft.“ Bei dem Gespräch sei auch deutlich geworden, dass marktwirtschaftliche Lösungen an Bedeutung gewinnen. „Die Kräfte des Marktes werden stärker, PPAs werden eine stärkere Rolle spielen.“ Man sollte gemeinsam mit den Vermarktern Wege finden, die grüne Stromeigenschaft zu den Kunden zu bringen. Die deutschen Industrieunternehmen hätten ein großes Interesse an Stromlieferungen aus deutschen Windkraftanlagen.
Auch Altmaier betonte, dass marktwirtschaftliche Lösungen statt neuer Subventionen den Vorrang beim Ausbau bekommen sollten. Es gebe schon gute Erfahrungen mit der Direktvermarktung des Stroms von Windradbetreibern. Das ist aber nicht immer rentabel. Niedersachsens Umweltminister Olaf Lies (SPD) fordert eine „Übergangsfinanzierung“ für Altanlagen, die keine festen Einspeisevergütungen mehr bekommen und gleichzeitig mit dem geringen Großhandels-Strompreis konfrontiert sind. Auch der BWE setzt sich für eine Übergangsförderung für einen Zeitraum von zwei bis drei Jahren ein.
Lies: „Kein Interesse daran, dass wir in dauerhafte Unterstützung kommen“
„Ich habe kein Interesse daran, dass wir in dauerhafte Unterstützung kommen“, stellte Lies mit Blick auf alte Windräder klar. Aber solange der Börsenstrom billig und die Einkünfte aus der CO2-Bepreisung zu gering blieben, um einen profitablen Weiterbetrieb zu finanzieren, sei eine begrenzte Post-EEG-Förderung angezeigt. Sonst drohten große Kapazitäten wegzufallen. „Deshalb werbe ich dafür, die Zeit, bis wir wirklich ausreichende wirtschaftliche Modelle haben und Standorte repowern können, zu nutzen, einen Übergang zu finanzieren.“
Dabei dürfe man nicht vergessen, dass auch der Zubau neuer Anlagen weiter vor erheblichen Problemen stehe. Vielerorts gehen Anwohner gegen Projekte vor, Genehmigungsverfahren ziehen sich, es gibt zudem natur- und artenschutzrechtliche Bedenken. Er sei daher in großer Sorge, erklärte Lies: „Der allergrößte Teil selbst der genehmigten Projekte in Niedersachsen liegt vor Gericht. Wir haben ein Riesenproblem beim Ausbau der Windenergie.“ Sein Land ist gemessen an der installierten Leistung wichtigster deutscher Windkraft-Standort.
Pinkwart: Übergangslösungen dürfen nicht Weg in Direktvermarktung unterminieren
Nordrhein-Westfalens Wirtschafts- und Energieminister Andreas Pinkwart (FDP) sieht ebenfalls Bedarf, klare Bedingungen für den Weiterbetrieb von Altanlagen zu schaffen. Man brauche ein einfacheres Repowering und schnellere Planungsverfahren. Für Übergangslösungen zeigte er sich offen, betonte aber auch, diese müssten zeitlich begrenzt sein, um keine falschen Anreize zu setzen. „Sonst wird die Direktvermarktung unterminiert.“ Außerdem müssten der Offshore- und der Netzausbau vorankommen – angesichts der wegfallenden Strommengen durch den Kohleausstieg sei das für NRW eine zentrale Frage.
Das Bundeskabinett hat am 23. September eine Reform für einen schnelleren Ökostrom-Ausbau auf den Weg gebracht. Der Entwurf für die EEG-Novelle sieht vor, Ausbauziele vor allem für Windräder an Land und Solaranlagen zu erhöhen. Zuletzt ging der Ökostrom-Ausbau zu langsam voran. Gleichzeitig sollen die Milliarden-Förderkosten für erneuerbare Energien durch verschiedene Maßnahmen verringert werden.
Krischer: „Altmaier ist zwei Jahre zu spät mit seiner Gesprächsrunde“
Die Hauptgeschäftsführerin des Bundesverbands der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW), Kerstin Andreae, sagte, nötig seien jetzt leichtere Prüfungen bestehender Windkraft-Standorte fürs Repowering. „Weiterhin müssen Höhenbeschränkungen sowie aktuelle und zukünftige Abstandsregeln auf den Prüfstand.“ Ihr Kollege Ingbert Liebing vom Verband kommunaler Unternehmen (VKU) ergänzte: „Oberstes Ziel sollte sein, das Repowering von ausgeförderten Windenergieanlagen zu unterstützen, um mit neuen und leistungsfähigeren Anlagen mehr Strom an vorhandenen Standorten zu produzieren.“ Wo dies nicht möglich sei, müsse man verstärkt auf Direktvermarktung setzen.
Grünen-Fraktionsvize Oliver Krischer kritisierte die aus seiner Sicht zu unverbindlichen Ergebnisse des Runden Tischs zur Windkraft. „Das Thema drängt, und der Wirtschaftsminister ist zwei Jahre zu spät mit seiner heutigen Gesprächsrunde, die mal wieder keine konkreten Ergebnisse bringt.“ (dpa/EUWID)