Flugwindenergie: EnerKite will 2022 ersten 100-kW-Serienprototypen fertigstellen


Damit der Drachen, der doppelt so viel Energie wie klassische Windräder produzieren soll, sicher und effizient betrieben werden kann, entwickele ein Team der BTU Cottbus um Prof. Holger Seidlitz belastbare Leichtbau-Komponenten für die Steuerung der Anlage. Das gemeinsame Forschungsprojekt ist Anfang April gestartet. Unter Verwendung von Künstlicher Intelligenz (KI) sollen neue Designmethoden entstehen, die auf andere Problemstellungen übertragbar seien, heißt es bei EnerKite.


Flugwindkraftanlagen können durch die Nutzung von Höhenwinden zuverlässig kontinuierlich Strom produzieren. So könnte der 100-kW-Serienprototyp 200 Haushalte „dauerhaft mit grünem Strom versorgen“, betont das Unternehmen. Die Anlagen bestehen aus einem Drachen, drei Seilen und einem Steuerungscontainer „und sparen so 90 Prozent der Ressourcen“. Da Höhenwinde an 80 Prozent der Landfläche verfügbar sind und das Design zukünftig „die günstigsten Stromkosten aller grünen Energiequellen ermöglicht“, könnten Flugwindkraftanlagen einen bedeutenden Beitrag für eine global gelingende Energiewende leisten.


„Nachweis der Skalierbarkeit von 30 kW auf 100 kW plausibilisiert den späteren Schritt in die MW-Klasse“


Bis zum Ende des Jahres 2022 wird im Verbundprojekt der BTU Cottbus & EnerKite „EKxM“ der 100 kW Serienprototypen EK200 SP realisiert. „Der Nachweis der Skalierbarkeit von 30 kW auf 100 kW plausibilisiert den späteren Schritt in die Megawatt-Klasse“, heißt es beim brandenburgischen Flugwindkraft-Pionier.


Das Gros der Anbieter setzte bisher auf Stoff-Kites, diese verfügten jedoch nur über eine geringe Lebensdauer „und nehmen in der MW-Klasse gigantische Ausmaße an, die am Boden kaum noch zu handhaben sind“, berichtet EnerKite-Geschäftsführer Alexander Bormann. EnerKíte verwende patentierte ultraleichte, halb-starre Flügel aus Carbon mit einer Lebensdauer von „mindestens zehn Jahren und einer doppelt so guten Aerodynamik“. Ein doppelt so starker Auftrieb bedeute dabei eine achtmal bessere Leistung.


Flügelsegmente „kaum schwerer als Styropor“


So würden EnerKíte Flügel deutlich kleiner als Stoffflügel und könnten bei entsprechender Größe auch bei wenig Wind volle Leistung bringen. Bei einem spezifischen Gewicht von weniger als 5 kg/qm seien die Flügelsegmente kaum schwerer als Styropor und hielten dennoch extremen Belastungen stand. Generator, Start- und Landesystem befinden sich in der Bodenstation. „Diese Konstellation lässt sich gut skalieren, da die Leichtigkeit und Beweglichkeit des Flügels durch die patentierte Abspannung auch bei großen Flügeln erhalten bleibt.“


Das Fachgebiet Polymerbasierter Leichtbau der BTU Cottbus ist den Angaben zufolge deutschlandweit führend in der Bearbeitungstiefe von nachhaltigen Leichtbaulösungen und immer wieder gefragter Partner in der Entwicklungskooperation mit Unternehmen. „Mit dem Einsatz von modernen additiven Fertigungsverfahren und Künstlicher Intelligenz (KI) werden Designmethoden optimiert, um komplexe Leichtbaukonstruktionen schnell und präzise zu entwerfen“, sagt Seidlitz.


Das angewandte Multi-Material-Design sei ein „fundamentaler Teil der Forschungsarbeit des Instituts“. Die gewonnenen Erkenntnisse trügen maßgeblich zur Weiterentwicklung und Optimierung der internen Kompetenzen im Bereich der „Künstlichen Intelligenz“ bei. Ferner könnten die erarbeiteten Grundmodelle auf weitere und sogar artfremde Problemstellungen überführt und dadurch innerhalb zukünftiger Forschungsaufgaben und Industrieprojekte eingesetzt werden.


Aktuell rund 20 Hersteller mit Entwicklung von Flugwindenergie-Anlagen befasst


Das Verbundprojekt „EKxM“ wird mit Mitteln der Investitionsbank des Landes Brandenburg (ILB) und des EU-Strukturfonds EFRE gefördert. Bis Anfang Mai wirbt EnerKíte zudem noch Mittel über eine Crowdfunding-Kampagne ein, über die sich Bürger im Rahmen einer Risikokapitalfinanzierung beteiligen können. In der Kampagne der Plattform FunderNation.de wurden bereits über 700.000 € investiert.


Flugwindenergie oder Höhenwindenergie (auch Airborne Wind Energy – AWE) ist eine junge Ausprägung der Windenergienutzung. Nach Angaben des Verbands Airborne Wind Europe, dem Verband der europäischen AWE-Hersteller, sind aktuell etwa 20 Hersteller mit unterschiedlichen Ansätzen mit der Nutzung der Höhenwindenergie befasst. In Deutschland sind neben Enerkite auch Unternehmen wie SkySails Power, kiteKraft und kiteswarms an der Entwicklung von AWE-Anlagen aktiv.


X-Wind Powerplants: Flugwinddrachen zieht Elektroloks im Rekuperationsbetrieb


Auch das Unternehmen X-Wind Powerplants ist mit der Entwicklung von Nutzungskonzepten für die Höhenwindenergie befasst, nutzt aber einen anderen Ansatz als EnerKite. „Bei unserer Technologie nutzen wir die Höhenwindauftriebskraft zum Ziehen von Elektroloks im Rekuperationsbetrieb auf einem geschlossenen Rundkurs (Kreis oder Oval) wie beim Kitesurfen“, erläutert Geschäftsführer Uwe Ahrens. Wesentliche Vorteile des Systems lägen in der Möglichkeit, die Drachen auch bei null Bodenwind zu starten. Außerdem könnten die Drachen auch in Flautephasen in der Luft gehalten werden.


„Der wichtigste Vorteil ist aber die Eigenschaft immer in optimaler Höhe zu ernten bzw. sich bei Starkwind sogar ‚ducken’ zu können“, so Ahrens weiter. Studien der TU Berlin und des Fraunhofer Institut IWES bestätigten Kapazitätsfaktoren von 75 Prozent. Hier liege eines der Hauptprobleme bei der Energiewende. Die Stromgestehungskosten der Erneuerbaren seien nicht mehr das zentrale Thema, sondern die niedrigen Kapazitätsfaktoren. Die X-Wind Technologie sei „nahezu grundlastfähig“ und führe zu sehr niedrigen Stromgestehungskosten.


Branche hofft auf Berücksichtigung der Flugwindenergie im EEG


Nach Angaben des Branchenverbands Airborne Wind Europe stehen einige Hersteller mit ihren Systemen vor der Markteinführung. Benötigt würden aber „politische und wirtschaftliche Unterstützung“. Neben Markteinführungshilfen gehe es dabei insbesondere auch um den Abbau administrativer Hemmnisse. So wird die Höhenwindenergie bisher nicht im EEG berücksichtigt. Pilotwindanlagen, Innovationsausschreibungen und auch das Auktionsdesign seien bislang für die konventionelle Windkraft ausgelegt. Die Vorgaben seien jedoch aufgrund der Besonderheiten der AWE-Technologie oft nicht anwendbar. Der Verband schlägt die Einführung einer gesonderten Vergütungsregelung für die Höhenwindtechnologie (neben Wind Onshore und Wind Offshore) und die damit verbundene Anpassung des nachgeordneten Regelwerks vor.