Für den Transport von Wasserstoff soll in der EU eine ausschließlich diesem Zwecke gewidmete Infrastruktur (H2-backbone) zur Verfügung stehen; bestehende Fernleitungen sollen vollständig umgerüstet werden. Eine neugefasste Erdgasverordnung soll Fernleitungsnetzbetreibern erlauben, Wasserstoff-Pipelines zu betreiben, was ihnen bislang untersagt ist. Das geht aus dem neuen Maßnahmenpaket der EU-Kommission zur Umsetzung des European Green Deals hervor, das sie am 15. Dezember vorgestellt hat.
Die neuen Vorschriften sollen den Eintritt erneuerbarer und CO2-armer Gase in das bestehende Gasnetz erleichtern, indem die Tarife für grenzüberschreitende Verbindungsleitungen abgebaut und Tarife an Einspeisungspunkten gesenkt werden. Zudem wird damit ein Zertifizierungssystem für CO2-arme Gase geschaffen, um die mit der Zertifizierung von erneuerbaren Gasen in der Erneuerbare-Energien-Richtlinie begonnene Arbeit zu ergänzen. Damit werden faire Wettbewerbsbedingungen geschaffen, da so der vollständige Treibhausgas-Fußabdruck der verschiedenen Gase bewertet wird und die Mitgliedstaaten diese wirksam vergleichen und im Energie-Mix berücksichtigen können. Um zu vermeiden, dass Europa an fossilem Erdgas hängen bleibt und mehr Raum für saubere Gase auf dem europäischen Gasmarkt zu schaffen, schlägt die Kommission vor, langfristige Verträge für fossiles Erdgas ohne CO2-Minderung nicht über 2049 hinaus zu verlängern.
Der BDEW hält den Ansatz der Kommission, Wasserstoff grundsätzlich in die bestehenden Regelungen für den Gasbinnenmarkt zu integrieren, für richtig. Dies führe zu Planungssicherheit und Verlässlichkeit für alle Marktteilnehmer. Positiv seien etwa die Regelungen für den Handel mit Wasserstoff, beispielsweise mit Blick auf einen regulierten diskriminierungsfreien Netzzugang für Dritte zumindest ab 2031. Zu begrüßen sei auch die Angleichung der Verbraucherrechte und der Bestimmungen für den Endkundenmarkt an die Anforderungen im Strommarkt.
Entflechtungsvorgaben gefährden Wasserstoffhochlauf
Nicht sachgerecht und überzogen findet der BDEW hingegen die Vorgaben zur Entflechtung der künftigen Wasserstoffnetze. Sie würden die Transformation des Gassystems und die Umstellung der vorhandenen werthaltigen Assets hin zu einem Wasserstoffsystem ausbremsen. Geplante Projekte würden zurückgeworfen. Mit Blick auf Wasserstoff fehle in den Vorschlägen auch gänzlich die Anerkennung der Rolle der Verteilernetzbetreiber. Das sei nicht nachvollziehbar, da ein Großteil des zukünftig erzeugten erneuerbaren Wasserstoffs auf der Verteilernetzebene eingespeist wird. Zudem erfolge heute rund 80 Prozent des Gasabsatzes an Industrie-, Gewerbe- und Wärmekunden in Deutschland über die Verteilernetze.
Auch der DVGW sieht in der vorgesehenen eigentumsrechtlichen Entflechtung von Gas- und Wasserstoffnetzen insbesondere in den Gasverteilnetzen ein Hemmnis. Eine eigentumsrechtliche Entflechtung würde die Gasnetzbetreiber vor kaum überwindbare Hürden stellen, da sich ein deutsches Wasserstoffnetz aus technischer, betriebs- und volkswirtschaftlicher Sicht zwingend organisch aus dem Gasnetz heraus entwickeln werde. Die Pläne der EU-Kommission würden nicht nur ineffiziente und teure Doppelstrukturen schaffen und damit einhergehend unnötig bürokratische Hürden aufbauen, sondern auch das Tempo beim Aufbau einer Wasserstoffinfrastruktur insgesamt signifikant hemmen. Es bestehe die Gefahr, dass kommunales Eigentum in Form der Gasnetze stark entwertet bzw. faktisch enteignet werden könnte.
Am Gastransportnetz seien in erster Linie große Industriekunden, aber eben nicht der Löwenanteil der Industrie angeschlossen. Bedauerlich findet der DVGW-Vorstandsvorsitzende Gerald Linke, dass zum Beispiel in Deutschland damit 1,8 Millionen gewerbliche und industrielle Kunden sowie auch die 19 Millionen Wärmehaushalte, die Wasserstoff über das Verteilnetz beziehen könnten, durch die Pläne der EU schlechter gestellt werden. Das treibe einen Keil zwischen Industriekunden und stelle eine Benachteiligung des Wärmemarktes dar. Letztendlich gehe die Rechnung auch nicht auf, dass sich so die ambitionierten Klimaziele erreichen lassen, denn dazu sei der gesamte heutige fossile Markt mit allen Sektoren wie Stromerzeugung, Wärme und Mobilität zu adressieren und nicht nur ein Fragment.
BDEW kritisiert geplante Unionsdatenbank
Um die Dekarbonisierung des Gasmarktes zu unterstützen, ist zudem nach Ansicht des BDEW die Einführung handelbarer Herkunftsnachweise für erneuerbare und dekarbonisierte Gase nötig, die eine einheitliche Terminologie voraussetzt. Die Implementierung eines reinen Massenbilanzierungssystems durch Nutzung einer Unionsdatenbank werde übermäßig komplex und verwaltungsaufwändig sein. Der Aufwand stelle ein Hemmnis für den grenzüberschreitenden Handel mit erneuerbarem Wasserstoff dar und eine benötigte schnelle Umsetzung der Unionsdatenbank ist nicht absehbar.
Verordnungs- und Richtlinienentwurf der Kommission steht unter http://link.euwid.de/jy-b7 bzw. http://link.euwid.de/f6unh zum Herunterladen bereit.