Agri-PV-Technologien rücken trotz Kostennachteil zunehmend in den Fokus


Die Solarmärkte in Europa wachsen gegenwärtig dynamisch, halten die Veranstalter der Intersolar fest. Und für das Erreichen der Klimaziele muss das Tempo noch deutlich erhöht werden. Die Konkurrenz um verfügbare Flächen wird hier absehbar nicht kleiner werden.


Der PV-Markt in der EU ist nach Analysen des Branchenverbands SolarPower Europe im vergangenen Jahr um elf Prozent auf 18,7 GW neu installierter Leistung gewachsen. Das macht 2020 zum zweitbesten Jahr der Branche, übertroffen nur von 2011. Das starke Wachstum der PV schlägt sich auch in der gesamten Stromerzeugung der EU nieder: 2020 übertraf die EU-Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien zum ersten Mal jene aus fossilen Brennstoffen, so die Studie „The European Power Sector in 2020“ von Agora mit dem britischen Thinktank Ember. Erneuerbare Energien hatten 2020 einen Anteil von 38 Prozent am europäischen Strommix, fossile Energieträger kamen auf 37 Prozent.


„Photovoltaik und Photosynthese konkurrieren nicht mehr miteinander, sondern ergänzen sich“


In Deutschland, dem mit Abstand größten PV-Markt der EU, kamen im vergangenen Jahr 4,8 GW hinzu und der Anteil der erneuerbaren Energien an der öffentlichen Nettostromerzeugung, also dem Strommix, der tatsächlich aus der Steckdose kommt, lag 2020 bei über 50 Prozent. Marktforscher und Verbände warnen allerdings davor, dass bereits im Jahr 2023 eine Lücke in der deutschen Stromversorgung entstehen könne. Nur wenn das gegenwärtige Tempo des Photovoltaikausbaus ab 2021 verdoppelt und ab 2022 verdreifacht werde, könne die Versorgungssicherheit gewährleistet und die Klimaziele erreicht werden.


Bei der Agri-PV werden Flächen gleichzeitig für die Pflanzen- und zur Solarstromproduktion genutzt. Das steigert die Flächeneffizienz: Die Solarstromproduktion wird ausgebaut und gleichzeitig werden fruchtbare Flächen für die Landwirtschaft erhalten und genutzt. „Photovoltaik und Photosynthese konkurrieren nicht mehr miteinander, sondern ergänzen sich“, heißt beim Intersolar-Veranstalter Solar Promotion. Die Technologie hat sich laut Fraunhofer ISE in den letzten Jahren dynamisch entwickelt und in fast allen Regionen der Welt verbreitet. Die installierte Agri-PV-Leistung stieg weltweit von circa fünf Megawatt (MW) im Jahr 2012 auf rund 2,9 GW in 2020, wobei China mit circa 1,9 GW installierter Leistung den größten Anteil hält.


Agri-PV: Stromerzeugung plus Schutz von Ackerkulturen


In Zeiten des Klimawandels mit zunehmender Trockenheit und Extremwetterereignissen kann die Agri-PV mit ihrem Mehrfachnutzen punkten: Emissionsfreier Solarstrom plus Nahrungsmittelproduktion plus Schutz der Ackerkulturen vor Dürreschäden und Witterungseinflüssen wie Hagelschäden oder Starkregen. Denn durch die Teilbeschattung der landwirtschaftlichen Flächen durch die aufgestellten Solarmodule verringert sich die Verdunstungsrate, außerdem können sie teure Hagelschutznetze oder Folientunnel ersetzen.

In netzfernen Gebieten kann Agri-PV Strom für die Gewinnung und die Aufarbeitung von Wasser liefern und gleichzeitig durch die Beschattung den Wasserbedarf der Ackerkulturen senken, berichtet Solar Promotion weiter. Das wirke dem Trend der Wüstenbildung und Verschlechterung der Bodenqualität entgegen. So steht die weltweit größte Agri-PV-Anlage am Rande der Wüste Gobi in China: Unter Solarmodulen mit einer Leistung von 700 MW werden Beeren angebaut. Eine Vorstudie des Fraunhofer ISE zu einem Standort im indischen Bundesstaat Maharasthra ergab, dass sich durch die Verschattung und somit geringere Verdunstung unter Agri-PV-Anlagen bis zu 40 Prozent höhere Erträge bei Tomaten und Baumwolle erreichen lassen.


Agri-PV mit Stromgestehungskosten zwischen 7 und 12 Cent pro kWh schon mit anderen Erneuerbaren wettbewerbsfähig


Herausforderungen für eine breite Anwendung der Agri-PV sind unter anderem die höheren Investitionskosten im Vergleich zu konventionellen PV-Freiflächenanlagen, bedingt durch die Aufständerung der Module und einem standortspezifischen Anlagendesign. Laut des Leitfadens zu den Chancen der Agri-PV für Landwirtschaft und Energiewende des Fraunhofer-ISE von Oktober 2020 ist Agri-PV mit Stromgestehungskosten zwischen 7 und 12 Cent pro kWh allerdings schon heute mit anderen erneuerbaren Energiequellen wettbewerbsfähig: So liegen die Stromgestehungskosten der Agri-PV derzeit zwar noch über denen konventioneller Freiflächenanlagen, allerdings bereits unter denen von kleinen PV-Dachanlagen.


Auch herkömmliche PV-Freiflächen-Anlagen können wertvollen Lebensraum für Flora und Fauna bieten. Eine extensive und damit schonende Pflege schafft und erhält auf den oft nährstoffarmen Böden wertvolle Biotope für Pflanzen und Insekten. Das wiederum verbessert das Nahrungsangebot für Vögel und Fledermäuse. Um die Biodiversität in Solarparks zu fördern und so auch die Akzeptanz bei der Bevölkerung für diese Anlagen und die Energiewende im Allgemeinen zu steigern, hat sich kürzlich die Interessengemeinschaft „Triesdorfer Biodiversitätsstrategie – Biodiversität auf PV-Freiflächenanlagen“ gegründet. Darüber hinaus lässt die Deutsche Bundesstiftung Umwelt (DBU) derzeit Zertifizierungsstandards entwickeln, um die Produktqualität erneuerbar produzierter Strommengen hinsichtlich ökologischer und sozialer Kriterien zu bewerten.


Agri-PV auf der Intersolar Europe und der begleitenden Konferenz


Auf der Intersolar Europe Conference informieren Experten innerhalb der Sessions „Agri-Photovoltaics: Harvesting the Sun While Cultivating Crops“ und „Vertical Farming and Renewables: The Nexus of Water, Energy, and Food“ über die innovativen Konzepte, die damit verbundenen Technologien sowie die bisherigen Erfahrungen und Zukunftsaussichten. In diesem Jahr unterstützt die Intersolar Europe erstmalig die internationale AgriVoltaics2021 Conference und verdeutlicht damit die hohe Relevanz des Themas. Das Online-Event findet vom 14. bis 16. Juni 2021 statt.