Neben dem Thema Wasserstoffnetze geht es in dem Gesetz um die Umsetzung der Strombinnenmarktrichtlinie in deutsches Recht. „Aus diesem Grund werden die Verbraucher-Vorschriften im Energiewirtschaftsgesetz (EnWG) substanziell ergänzt“, heißt es bei der Bundesregierung. Hierzu zählen die Einführung dynamischer Stromtarife und die Reform der Stromkennzeichnung.
Stromversorger mit mehr als 200.000 Kunden sind künftig zu verpflichten, dynamische Stromtarife anzubieten, heißt es in der Begründung des Gesetzentwurfs mit Bezug auf die Vorgaben der Strombinnenmarktrichtlinie. Das könne „vor allem“ für Verbraucher interessant sein, die ein intelligentes Messsystem (Smart Meter) nutzen. „Sie können gegebenenfalls einen Tarif wählen, mit dem sie zu bestimmten Zeiten günstigeren Strom beziehen, und ihr Verbrauchsverhalten daran ausrichten, zum Beispiel beim Laden eines Elektromobils.“ Weitere Regelungen zur Stärkung von Verbraucherrechten sind unter anderem die Vorgabe, dass Stromlieferverträge um eine leicht verständliche Zusammenfassung ergänzt und unabhängige Vergleichsportale eingerichtet werden sollen.
Altmaier: „Setzen ein klares Zukunftssignal für die Energiewelt von morgen“
„Mit dem Gesetz setzen wir ein klares Zukunftssignal für die Energiewelt von morgen“, sagt Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU), der das Gesetz ins Kabinett eingebracht hat. „Wir stärken die Verbraucherrechte und ermöglichen es, dass Verbraucherinnen und Verbrauchern künftig Angebote für einen dynamischen Stromtarif erhalten können.“
Der Bundesverband Erneuerbare Energie (BEE) sieht die Einführung dynamischer und variabler Tarifstrukturen „grundsätzlich positiv“, da durch Preissignale eine Steuerungswirkung des Verbrauchs hin zu Zeiten mit hohem Stromangebot aus erneuerbaren Energien angereizt werden könne. Entscheidend sei jedoch die richtige Ausgestaltung der Preisstrukturen sowie die technische Umsetzung. „Starre tageszeitabhängige Tarife sind im Sinne der dezentralen Energiewende problematisch“, heißt es in der Stellungnahme des BEE zum Gesetz. Zum einen reize sie Verhaltensänderung einer großen Anzahl von Verbrauchern an ohne Berücksichtigung des aktuellen Erneuerbaren-Angebots, zum anderen könne die gleichzeitige Aktivierung vieler Verbraucher eine Herausforderung für den Netzbetrieb darstellen. „Tarifstrukturen sollten sich in Zukunft immer auch am Angebot von EE-Strom orientieren.“
Die Ökoenergieversorger freuen sich über die im Gesetz durch eine Änderung von §42 EnWG vorgesehene Reform der Kennzeichnung von Strom. Künftig sollen Versorger auf Stromrechnungen ihren tatsächlichen Energieeinkauf transparenter darstellen. Kunden sollen damit besser nachvollziehen können, aus welchen Quellen ihr Versorger den Strom einkauft. „Mit der neuen Ausgestaltung des Unternehmensmixes würde künftig auf jeder Rechnung klarer, woher der Versorger seinen Strom bezieht“, sagt Peter Ugolini-Schmidt, Energiepolitischer Sprecher der Elektrizitätswerke Schönau (EWS). „Kein Anbieter kann sich dann mehr mit fiktivem EEG-Strom grünwaschen“.
Scharfe Kritik üben die Unternehmen LichtBlick, EWS Schönau, Greenpeace Energy und Naturstrom in einer gemeinsamen Mitteilung an einem Vorstoß des Bundesverbands der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW), nach dem Versorger künftig selbst für reine Ökostrom-Produkte nur noch zum Teil Strom aus erneuerbaren Energien einkaufen müssten. „Der BDEW-Vorschlag würde das Greenwashing noch verschlimmern“, sagt Marcel Keiffenheim von Greenpeace-Energy.
BDEW und BEE kritisieren Abweichung von EU-Definition von Energiespeichern
Der BDEW selbst betont in seiner Bewertung des Gesetzes andere Aspekte. Das EnWG sehe nun endlich eine Definition für Energiespeicher vor. Im Kern gehe es darum zu vermeiden, dass sowohl für den Vorgang des Strombezugs zur Einspeicherung Netzentgelte, Abgaben und Umlagen erhoben werden als auch beim Letztverbrauch. Laut EU-Richtlinie ist eine solche Doppelbelastung nicht zulässig. „Leider setzt der Entwurf des EnWG die Speicher-Definition aus der Binnenmarkt-Richtlinie nicht wörtlich, sondern deutlich verändert um“, heißt es beim BDEW. In der jetzt formulierten Definition besteht aus BDEW-Sicht weiterhin die Gefahr einer Doppelbelastung. „Deshalb sollten die Definitionen der Begriffe Energiespeicherung und Energiespeicheranlage aus der Binnenmarktrichtlinie übernommen und das EnWG diesbezüglich erweitert werden.“
In seiner Stellungnahme zum Gesetz übt auch der BEE Kritik an der Formulierung der Energiespeicherdefinition. Das Kernelement der in Strombinnenmarktrichtlinie verwendeten Definition sei die zeitliche Verschiebung, betont der Verband. Erzeugung und Nutzung von elektrischer Energie fallen durch die Speicherung beliebig weit auseinander, bleiben aber verknüpft. „Die Einspeicherung selbst ist nicht die Nutzung und die Ausspeicherung ist nicht die Erzeugung“, führt der BEE aus. „Die europarechtlichen Definitionen verwenden bewusst weder die Begriffe ‚Verbrauch’ oder ‚verbrauchen’ noch ‚Erzeugung’ oder ‚erzeugen’“.
BEE vermisst Schaffung eines Rechtsrahmens für Bürgerenergiegemeinschaften
Eine „zentrale Leerstelle“ im Gesetz sieht der BEE im Bereich der Bürgerenergie. Obwohl die Erneuerbare Energien-Richtlinie II (RED II) die Schaffung eines Rechtsrahmens für Bürgerenergiegemeinschaften in den nationalen Gesetzgebungen vorsieht, gebe es im EnWG-Entwurf keine Regelungen, durch die Verbraucher angereizt würden, Bürgerenergiegesellschaften zu gründen oder sich darin zu engagieren. „Die Bundesregierung muss an dieser Stelle dringend nachbessern und eine neue Form der Stromvermarktung schaffen, die getrennt von der klassischen Versorger-Endkunden-Stromlieferung zu verstehen ist“, sagt BEE-Präsidentin Simone Peter. Das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) müsse hier „sinnvoll“ mit dem EnWG zusammenwirken, um einen angemessenen Rahmen für das Energy Sharing und damit mehr Bürgerengagement zu schaffen“.