Elektromobilität: Oberleitungs-LkW fahren ab sofort durch das Murgtal


In Baden-Württemberg ist jetzt die bundesweit erste Bundesstraßenstrecke für elektrisch betriebene Oberleitungs-Lastwagen eröffnet worden. Verkehrsminister Winfried Hermann (Grüne) sowie die Parlamentarische Staatssekretärin im Bundesumweltministerium, Rita Schwarzelühr-Sutter, gaben die Strecke der B 462 zwischen Kuppenheim und Gernsbach-Obertsrot (Landkreis Rastatt) feierlich frei. Auf dem 18 Kilometer langen Abschnitt der stark frequentierten Straße beginnt von diesem Donnerstag an der Betrieb für das „eWayBW“ genannte Pilotprojekt. Dafür wurden zwei Teilabschnitte von insgesamt vier Kilometern Länge mit Oberleitungen versehen.


Die Technologie soll den CO2-Ausstoß von Güterverkehr auf der Straße reduzieren und die Lastwagen leiser machen – ein wichtiger Schritt in Richtung Klimaschutz, sagte Hermann auf der Veranstaltung am Unimog-Museum Gaggenau (Kreis Rastatt). „Ich hoffe, dass man jetzt ernsthaft an dieses Projekt herangeht und es nicht mit Vorurteilen betrachtet wird.“ Das Vorhaben war auch von Bürgerprotesten und Kritik begleitet worden. Der verkehrspolitische Sprecher der Fraktion der FDP im Landtag, Christian Jung, nannte es einen „großen politischen Fehler und eine Verschwendung von Steuergeldern“.


Die B 462 im Murgtal wurde nach Angaben des Bundesumweltministeriums für das Pilotprojekt gewählt, weil auf der Strecke jährlich 510.000 Tonnen Papier im 24-Stunden-/7-Tage-Betrieb von drei Papierherstellern in Obertsrot in ein Logistikzentrum in Kuppenheim im Rheintal gebracht werden. Damit ergibt sich pro Kalendertag eine hohe Zahl von durchschnittlich 64 Umläufen. In Summe legen die Oberleitungs-Hybrid-Lkw damit pro Jahr rund 250.000 Kilometer im Bereich der Oberleitungen zurück. Diese Randbedingungen ließen belastbare Erkenntnisse aus dem Pilotprojekt erwarten, heißt es. Die Fahrten beginnen mit einem Lkw; bis September sollen es fünf dieser Lastwagen sein.


Sensoren am Dach erkennen, ob Oberleitung vorhanden ist


Sensoren im Dach des Lkw erkennen, ob sich über ihnen eine Oberleitung befindet. Ist das der Fall, dann werden eingebaute Stromabnehmer automatisch ausgefahren und stellen den Kontakt zur Oberleitung her. Der E-Motor des Lkw bekommt Strom und gleichzeitig wird eine Batterie im Fahrzeug aufgeladen. Dann kann der Lkw auch auf Abschnitten ohne Oberleitung fahren.


Auch andere Antriebstechnologien werden auf der Strecke getestet. So ist ein Wasserstoff-Brennstoffzellen-Lkw und ein batterieelektrisch betriebener Lastwagen beteiligt. „Alles was technisch heute überhaupt geht, wird hier im Vergleich zur Oberleitung getestet und ausprobiert“, sagte Hermann. Das soll den direkten Vergleich der verschiedenen Technologien ermöglichen – „bevor wir eine weitreichende Investitionsentscheidung treffen“. Nach drei Jahren, in denen unter anderem Daten zu Lärm oder Schadstoffemissionen erhoben werden, wird den Planungen zufolge Bilanz gezogen.


Welche Anforderung stellt Oberleitungs-Versorgung für Schwerlaster an Verteilnetz?


Im Projekt eWayBW lerne man auch, welche Anforderungen die Stromversorgung von Hybrid-Oberleitungen für den Schwerlastverkehr an das Verteilnetz stellt und welche technischen und wirtschaftlichen Möglichkeiten die Technologie biete, sagt Christoph Müller, Vorsitzender der Geschäftsführung der Netze BW. Die EnBW-Netztochter ist als strategischer Partner auch in die Begleitforschung eingebunden.


Geleitet wird das Forschungskonsortium eWayBW vom Fraunhofer-Institut für System und Innovationsforschung (ISI). „Die Begleitforschung bewertet die wirtschaftlichen und ökologischen Auswirkungen und analysiert die Akzeptanz des Pilotbetriebes“, sagt Prof. Martin Wietschel, Leiter des Competence Centers Energietechnologien und Energiesysteme am Fraunhofer ISI. Hieraus würden „wertvolle Erfahrungen für die künftige Gestaltung eines nachhaltigen Straßengüterverkehrs“ gewonnen.


Da es auf dem Abschnitt mehrere Ortsdurchfahrten, Kreuzungen und auch einen Tunnel gibt, sei die Strecke besonders gut für den Feldversuch geeignet. Das Bundesumweltministerium fördert das Projekt mit 26,8 Mio. €. Das baden-württembergische Verkehrsministerium, bei dem die Federführung liegt, ist mit 1,6 Mio. € im Boot. Oberleitungsstrecken auf Autobahnen gibt es schon in Hessen und Schleswig-Holstein.