Fahrzeugintegrierte Photovoltaik kann dazu beitragen, die Reichweite elektrisch betriebener Lastfahrzeuge zu erhöhen. Das Konsortium des Forschungsprojektes „Street“ hat jetzt einen Prototypen eines leichten Nutzfahrzeuges auf die Straße gebracht, das mit hocheffizienter fahrzeugintegrierter Photovoltaik (vehicle integrated photovoltaics, VIPV) ausgestattet ist. Das Besondere daran: Die aus dem Sonnenlicht konvertierte Energie kann in das Hochvolt-Bordnetz eingespeist und damit direkt zur Reichweitenverlängerung genutzt werden.
Moderne batterieelektrische Fahrzeuge haben stets zwei Stromspeicher an Bord: Eine kleine 12-V-Batterie, die elektrische Verbraucher, Licht und Servolenkung versorgen kann, sowie eine große Traktionsbatterie, die bei höherer Spannung von 400 V arbeitet und den Elektroantrieb mit Energie versorgt. Damit die durch VIPV gewonnene Energie in die große Traktionsbatterie eingespeist werden kann und so zur Reichweitenverlängerung beiträgt, ist eine Ankopplung der PV-Module an das Hochvolt-Bordnetz notwendig. „Das ist technisch sehr anspruchsvoll, da dies eine Konvertierung von 12 V auf 400 V erfordert und mit vielen Sicherheitsaspekten verknüpft ist“, berichtet das Institut für Solarenergieforschung Hameln (ISFH), das „Street“ koordiniert.
Diese Herausforderung hat das Street-Konsortium nun erfolgreich adressiert. Die Grundlage dafür bildet die Kombination verschiedener Kompetenzen: Die Umwandlung der solaren Energie in elektrische Energie erfolgt in für den Automotive-Einsatz entwickelten PV-Modulen von a2-solar. Diese basieren auf hocheffizienten Silizium-Heterojunction-Solarzellen von Meyer Burger, die am ISFH durch Smartwire-Verbindungstechnologie verschaltet wurden.
2,2 kWp Leistung an Solarmodulen an StreetScooter Work L installiert
Die in Europa entwickelte Technologie ermögliche maximale Zell- und Modulwirkungsgrade und optimierte Modulerträge durch einen geringeren Temperaturkoeffizienten. Für die Regelung sorgt Elektronik von Vitesco Technologies, die außerdem als „zentrale Innovation“ den DC/DC-Konverter von 12 V auf 400 V entwickelt hat. Continental Engineering Services übernahm die Integration sämtlicher Komponenten und deren Einbindung in das Fahrzeug-Bordnetz. Neben den Industriepartnern und dem ISFH sind an „Street“ das Forschungszentrum Jülich, das Helmholtz-Zentrum Berlin und das MBE-Institut der Leibniz Universität Hannover beteiligt.
Das als Demonstrator verwendete leichte Nutzfahrzeug „Work L“ der Firma StreetScooter biete „ideale Voraussetzungen“ für VIPV. Für die zehn PV-Module steht eine Fläche von insgesamt 15 m² zur Verfügung. Im Gegensatz zur Integration auf PKWs mussten die Module weder gewölbt noch eingefärbt werden. Ihre nominelle Gesamtleistung beträgt 2.180 Wp. Gleichzeitig ist der Energiebedarf für das Fahren mit ca. 19 kWh/100 km ähnlich gering wie bei PKWs.
Überschlagsrechnung zeigt jährliche Einsparungen von mehreren hundert Euro
„Wir erwarten eine jährliche Reichweitenverlängerung von ca. 5.200 km bei Fahrten in Niedersachsen, und noch deutlich mehr in südlicheren Regionen. Damit würde mehr als jeder vierte netzbasierte Ladestopp eingespart“, sagt Prof. Robby Peibst, Koordinator des Street-Projektes. Rechnet man überschlagsweise mit einem Ladestrompreis von 40 ct/kWh und dem Verbrauch des StreetScooter in Höhe von 19 kWh pro 100 km, ergäbe sich auf dieser Grundlage eine jährliche Ersparnis beim Ladestrombezug in Höhe von knapp 400 €. Bei einem niedrigeren Ladestrompreis fiele die Einsparung entsprechend geringer aus.
„Unsere Ergebnisse werden die Attraktivität von fahrzeugintegrierter Photovoltaik zunächst für derartige leichte Nutzfahrzeuge aufzeigen. Darüber hinaus liefern sie aber auch wichtige Erkenntnisse zur Übertragung von VIPV in andere Fahrzeugklassen“, kommentiert Peibst die Ergebnisse von „Street“. Das Demonstrator-Fahrzeug hat eine Straßenzulassung nach StVZO und erste Tests absolviert. Es ist mit zahlreichen Sensoren ausgestattet, um die Energieflüsse genau verfolgen zu können.
Forschungsergebnisse werden in IEA-Arbeitsgruppe „Task 17 – PV for Transport“ eingebracht
Bis Projektende sollen alle Komponenten im Rahmen von Testfahrten zu verschiedenen Tages- und Jahreszeiten und unterschiedlichen Wetterbedingungen auf Herz und Nieren geprüft werden. Das Fahrzeug werde daher in nächster Zeit oft auf den Straßen des Weserberglandes, der Region Hannover und in der Landeshauptstadt selbst zu sehen sein. Das Nummernschild „HM-PV-30E“ nimmt Bezug auf das Potential für Solarenergie in Niedersachsen: Studien des ISFH zeigten, dass in einem nach Kosten optimierten nachhaltigen Energiesystem in Niedersachsen bis zu 30 Prozent des Endenergiebedarfs aus PV bereitgestellt werden könnten.
Das Forschungsprojekt „Street“ wird vom Bundeswirtschaftsministerium gefördert. Die Ergebnisse des Projekts fließen auch in die internationale Arbeitsgruppe „Task 17 – PV for Transport“ im Photovoltaic Power Systems Programm der Internationalen Energieagentur (IEA) ein. Dort tauschen sich Experten weltweit über Ansätze aus, mittels Photovoltaik die CO2-Emission des Transportsektors zu senken.
Fahrzeugintegrierte Photovoltaik (VIPV) wurde bereits in den sechziger Jahren konzipiert. Die Hauptanwendung lag allerdings über viele Jahre in der Nische von Wettbewerben spezieller stromlinienförmiger Leichtbau-Solarfahrzeuge. Seit einigen Jahren gibt es von verschiedenen Herstellern auch PKW-Modelle mit Solardächern oder auf LKW-Kühlkoffern integrierte PV-Module. Dabei wird die PV-konvertierte Energie für „Zusatzfunktionen“ wie Klimaanlagen oder Kühlung verwendet. Diese Anwendungen laufen auf Niederspannungsniveau von typsicherweise 12 V, für ein Aufladen der Hochvolt-Traktionsbatterie eines Elektrofahrzeugs sind die am Markt verfügbaren Systeme nicht geeignet.