Der 162 Seiten starke Werk trägt den Titel: „Jetzt für Morgen. Der Erneuerungsvertrag für Baden-Württemberg.“ Die Spitzen um Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) und CDU-Landeschef Thomas Strobl erläuterten den Vertrag und den Zuschnitt der Ministerien auf dem Forschungscampus Arena2036 in Stuttgart. Durchaus zufrieden reagiert die Erneuerbare-Energien-Branche im Land.
Die künftige grün-schwarze Koalition verständigte sich darauf, die wichtigsten Vorhaben etwa im Klimaschutz oder beim Ausbau des schnellen Internets und des Nahverkehrs zwar anzuschieben, aber mit großen Investitionen zu warten bis die Steuereinnahmen wieder sprudeln. In der Präambel des Vertrags steht: „Mehrausgaben brauchen deshalb eine solide Gegenfinanzierung.“ Nach den jüngsten Prognosen fehlen in den nächsten drei Jahren jeweils etwa vier Milliarden Euro. Das Politik-Ziel der künftigen Koalition soll ein Dreiklang sein: „Konsequenter Klimaschutz, eine neue wirtschaftliche Stärke und echter Zusammenhalt“. Der Geldmangel bedeute nicht, „dass wir deshalb unseren Gestaltungsanspruch aufgeben. Im Gegenteil.“
Die Erneuerbaren-Branche zeigte sich zuversichtlich nach der Vorstellung in Stuttgart. „Die neue Landesregierung stellt die Weichen in Richtung Klimaschutzland richtig. Klimaneutralität bis 2040 gilt nun als verbindliche Zielmarke“, sagte Jörg Dürr-Pucher, Vorsitzender der Plattform Erneuerbare Energien Baden-Württemberg (Plattform EE BW). „Den Worten müssen aber zügig Taten folgen und mehr für den Ausbau der erneuerbaren Energien getan werden.“
„Ab jetzt ist Handeln gefragt und ein schnelles Umsetzen der Beschlüsse“, sagt Plattform-Geschäftsführer Franz Pöter. „Die Uhr tickt.“ Wichtig sei auch, dass sich die Koalitionspartner nicht, wie in der letzten Legislaturperiode, ständig gegenseitig blockierten, sondern „kraftvoll an einem Strang ziehen“.
Für den dringend notwendigen Ausbau von privatwirtschaftlich finanzierten Wind- und Solarparks müsse die Landesregierung den Blockadekurs von vielen Kommunen, Landkreisen und Regionalverbänden stoppen, fordert die Branche. Um die Wärmewende erfolgreich werden zu lassen, sollten im Landeshaushalt in den kommenden Jahren ausreichend Mittel bereitgestellt werden. Neben der geplanten Bundesförderung sei künftig auch das Land gefordert, den Bau von Wärmenetzen und Wärmespeichern sowie von großen Wärmepumpen zur Umsetzung der Sektorkopplung zu fördern.
„Die Energiewende darf nicht unter Finanzierungsvorbehalt gestellt werden. Investitionen in solche Infrastrukturprojekte sind kluge und vorausschauende Haushaltsentscheidungen“, sagt Pöter.
„Auch Investitionen in Geothermie und Holzenergie nötig“
Solar- und Windenergie tragen die Hauptlast des Ausbaus der erneuerbaren Energien in den kommenden fünf Jahren. Die Plattform EE BW fordert aber auch bei der Tiefengeothermie und im Bereich der Holzenergie „massiv“ in den Ausbau von Kapazitäten zu investieren. „In Baden-Württemberg müssen in den nächsten Jahren etwa zehn Holzkraftwerke und weitere zehn Tiefengeothermiekraftwerke gebaut werden. Damit kann die Wärmewende massiv vorangetrieben werden“, sagt Dürr-Pucher. Nur mit starken nicht volatilen erneuerbaren Energiequellen könne die Versorgungssicherheit bei einem Atomausstieg bis 2022 und einem Kohleausstieg bis 2030 sichergestellt werden. „Deshalb muss auch die durch Wasserkraft und Biogas bereitgestellte Strommenge zumindest stabil gehalten werden“.
Die Plattform Erneuerbare Energien Baden-Württemberg begrüßt die neu eingeführte umfassendere Solarpflicht „ausdrücklich“. Entscheidend für den Zubau und das Erreichen von mindestens 1.000 MW pro Jahr zusätzlich installierter Photovoltaik-Leistung werde allerdings die schnelle Umsetzung großer Solarstromanlagen auf den Dächern der Produktions- und Verwaltungsgebäude des baden-württembergischen Mittelstands, der Landwirtschaft und der öffentlichen Hand sein. „Hier ist ein Quantensprung notwendig“, heißt es. Dazu müsse die Landesregierung über den Bundesrat die Verschlechterung der Bedingungen für große Photovoltaik-Dachanlagen im EEG noch vor der Sommerpause rückgängig machen und sich für eine auskömmliche Vergütung sowie vereinfachte Regularien einsetzen.
Am Samstag müssen die Parteitage von Grünen und CDU dem Koalitionsvertrag zustimmen. Und in einer Woche will sich der 72-jährige Kretschmann zum dritten Mal zum Regierungschef wählen lassen. Bei der Landtagswahl vor über sieben Wochen hatten die Grünen einen historischen Sieg eingefahren und ihren Koalitionspartner CDU 8,5 Prozentpunkte hinter sich gelassen.