Memorandum: Wissenschaftler forden Förderstopp für ineffiziente kleine Wasserkraftanlagen


Sollte die Politik darüber hinaus größere Wasserkraftwerke weiterhin fördern wollen, sollte dies von der ökologischen Durchgängigkeit der Anlagen und der Einhaltung der gesetzlichen Vorgaben wie z.B. dem Wasserhaushaltsgesetz abhängig gemacht werden.


In dem kürzlich veröffentlichten wissenschaftlichen Memorandum „Energiewende nicht auf Kosten der aquatischen Biodiversität“ betonen die Wissenschaftler, dass die Wasserkraftnutzung ein wesentlicher Grund dafür sei, weshalb Deutschland verbindliche Umweltziele im europäischen Biodiversitäts- und Gewässerschutz verfehle, z.B. die der Wasserrahmenrichtlinie und der Flora-Fauna-Habitat-Richtlinie. Sie empfehlen daher umweltpolitische Initiativen, um die Wasserkraftnutzung mit den gesetzlichen Zielen des Gewässer- und Biodiversitätsschutzes zu harmonisieren und so Zielkonflikte zu entschärfen.


„Wasserkraft ist zwar erneuerbar, aber nicht unbedingt umweltfreundlich“, unterstreicht Martin Pusch, Wissenschaftler am Leibniz-Institut für Gewässerökologie und Binnenfischerei (IGB), der das institutionsübergreifende Memorandum der Fachwissenschaftler koordiniert hat.


Rückbau von Kleinwasserkraftanlagen würde wichtige Ökosystemleistungen zurückbringen


„Grundsätzlich beeinträchtigen alle Wasserkraftwerke den ökologischen Zustand der genutzten Bäche und Flüsse erheblich. Extrem ist dies jedoch bei der Kleinwasserkraft der Fall: Hier steht der geringe gesellschaftliche Nutzen durch wenig Stromerzeugung den hohen ökologischen Kosten durch massive Umweltschäden gegenüber. Die Umweltbilanz von Kleinwasserkraftwerken ist daher eindeutig stark negativ“, erläutert Pusch.


Die Wissenschaftler kommen zu dem Schluss, dass die öffentliche Unterstützung von Kleinwasserkraftanlagen über Umlagen oder Förderungen umweltschädlich, im Sinne der Energiewende ineffizient und makroökonomisch unwirtschaftlich sei. Die über 7.800 Kleinwasserkraftwerke in Deutschland mit unter einem Megawatt Maximalleistung hätten im Jahr 2020 weniger als 0,5 Prozent zur deutschen Stromproduktion beigetragen, sie seien daher „für Klimaschutz und Energiewende unbedeutend“. Durch ihre hohe Zahl belasteten sie den ökologischen Zustand von etwa einem Drittel der deutschen Fließgewässer jedoch gravierend. Gefördert werden sollten stattdessen die Stilllegung und der Rückbau dieser Kleinwasserkraftanlagen.


Wichtige Ökosystemleistungen der Gewässer für Umwelt und Gesellschaft wie zum Beispiel natürlicher Hochwasserschutz, stabiler Landschaftswasserhaushalt, Selbstreinigung, Kühlwirkung und wassergebundene Naherholung könnten so wiederhergestellt werden. Dies sei insbesondere im Hinblick auf die zu erwartenden Folgen des Klimawandels von hoher Bedeutung und stärke die natürliche Widerstandskraft der Gewässer.


Förderung großer Wasserkraftanlagen sollte von verbindlicher Einhaltung ökologischer Standards abhängen


Wie die Forscher berichten, haben alle rund 8.300 Wasserkraftwerke in Deutschland im Jahr 2020 nur 3,3 Prozent zur gesamten deutschen und nur acht Prozent zur regenerativen Stromproduktion beigetragen. Allerdings erbringen Wasserkraftwerke auch Systemdienstleistungen, so dass ihr Beitrag zur Energiewende nicht an der reinen Stromerzeugung festzumachen ist (vgl. hierzu auch die Kritik der Wasserkraftbranche).


Sollte die Politik größere Wasserkraftwerke mit über einem Megawatt Maximalleistung trotz der bestehenden Problematiken weiter aus Steuermitteln, Umlagen oder ähnlichen Modellen fördern wollen, müsse bei allen Anlagen jeweils überprüft werden, ob diese nicht wichtigen gesetzlichen Naturschutzzielen von nationaler und europäischer Bedeutung entgegenstünden, fordert die Forschergruppe. Ebenso müssten bereits bestehende, gesetzliche Umweltstandards wie ökologische Durchgängigkeit und angemessene Mindestwasserführung konsequent und verbindlich eingehalten werden. Dies gelte insbesondere auch für ältere Anlagen mit langjährigen Genehmigungen.


Ökologische Sanierung der Kleinwasserkraftwerke nicht möglich


Was die Sanierung der Anlagen angeht, sehen die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler bessere ökologische Sanierungschancen bei großen Wasserkraftwerken, während sie eine ökologische Sanierung der Kleinwasserkraftwerke für nicht möglich halten. Demnach zielte die deutsche Gewässerpolitik in den vergangenen 15 Jahren darauf ab, die der Wasserrahmenrichtlinie erforderliche Längsdurchgängigkeit der Bäche und Flüsse durch Maßnahmen zur ökologischen Sanierung der Wasserkraftwerke zu verbessern.


Allerdings scheitere dies bei Kleinwasserkraftwerken bereits am hohen Investitionsaufwand, der sie bei einer solchen Internalisierung der Umweltkosten oft unwirtschaftlich mache. Da die Anlagen nur wenig Strom erzeugten, könnten nachteilige Wirkungen auf die Fischpopulationen und den ökologischen Zustand des genutzten Gewässers – selbst bei Subventionierung – meist nicht im notwendigen Umfang technisch verhindert, kompensiert oder zumindest minimiert werden, da die notwendigen Fischschutzeinrichtungen größere Investitionen erforderten, die die Anlage unwirtschaftlich machten.


Außerdem könne die Längsdurchgängigkeit für Fische bei Kleinwasserkraftwerken wegen der unvermeidlichen Sterblichkeit abwandernder Jungfische sowohl in den künstlichen Stauhaltungen als auch in den Turbinen der Wasserkraftanlagen grundsätzlich nicht erreicht werden, da es bislang technisch nicht möglich sei, abwandernde Fische mit einer Größe kleiner als zehn cm zu schützen.


Bessere Sanierungschancen bei großen Wasserkraftwerken


Bei mittelgroßen (1-10 MWmax) und großen Wasserkraftwerken (>10 MWmax) sei eine ökologische Sanierung eher finanzierbar und kontrollierbar, sowie der Aufwand durch den größeren Beitrag zum Klimaschutz eher verhältnismäßig. Allerdings beeinträchtigten selbst nach dem besten Stand der Technik ökologisch sanierte Großwasserkraftwerke den ökologischen Zustand des genutzten Flusses immer noch in erheblichem Umfang. Es könne weder verhindert noch kompensiert werden, dass bei jedem Wasserkraftwerk auch weit flussaufwärts und flussabwärts des Staudamms ökologisch wertvoller Flusslebensraum verloren gehe.


Der künstliche Aufstau führe zur Erwärmung, Algenentwicklung sowie Schlammbildung und halte gröberes Flusssediment zurück. Dieses Sediment fehle dann flussabwärts, fördere die Tiefenerosion ganzer Gewässerabschnitte und steht nicht mehr für Schlüsselfunktionen der Gewässer wie Erosionsschutz, Selbstreinigung, Neuschaffung von Lebensräumen für konkurrenzschwache Arten oder als Fischlaichplatz zur Verfügung.


Durch die Wasserkraft und ihre Folgen besonders gefährdet seien Fische, vor allem ökologische „Schirmarten“ wie Aal, Lachs, Huchen, Maifisch, Meerforelle, Schnäpel oder Stör. Die im Rahmen ihrer Lebenszyklen wandernden Fischarten könnten die Wehre und Staudämme von Wasserkraftanlagen häufig nicht überwinden, weil geeignete und ausreichend groß dimensionierte Wanderhilfen für den Fischauf- und -abstieg fehlten.