„Mit ihrer heute veröffentlichten Studie zu Biokraftstoffen verabschiedet sich die Deutsche Umwelthilfe von den Klimazielen im Verkehr für das Jahr 2030“, sagt Elmar Baumann, Geschäftsführer beim Verband der Deutschen Biokraftstoffindustrie (VDB). „Die Umwelthilfe will offenbar ausschließlich die E-Mobilität fördern und mehr Solarstrom produzieren, um den Treibhausgasausstoß im Verkehr zu senken. Aber selbst wenn die ehrgeizigen Ziele der Bundesregierung erreicht werden und 15 Millionen Elektroautos im Jahr 2030 in Deutschland fahren, sind noch über 30 Mio. Verbrenner auf der Straße.“
Der Fahrzeugbestand könne in den nächsten Jahren nur mit nachhaltig produzierten Biokraftstoffen klimafreundlicher fahren, sagt Baumann. „Nach geltender Gesetzeslage werden Biokraftstoffe bis zum Jahr 2030 den größten Beitrag zum Klimaschutz im Straßenverkehr leisten, ohne sie ist das Ziel überhaupt nicht erreichbar“, sagte Baumann.
Ähnlich äußern sich die Union zur Förderung von Oel- und Proteinpflanzen (UFOP) und der Bundesverband der deutschen Bioethanolwirtschaft (BDBe). „Die DUH vermittelt den falschen und am tatsächlichen Handlungsdruck vorbeigehenden Eindruck, dass der derzeitige Fahrzeugbestand von mehr als 55 Mio. Fahrzeugen mit Verbrennungsmotor mit Solarstrom angetrieben werden kann.“ Tatsächlich würden nachhaltige heimische Biokraftstoffe aus Anbaubiomasse und aus Reststoffen auch in den kommenden Jahrzehnten eine tragende Rolle bei der Defossilisierung des Straßenverkehrs spielen und Energieversorgungssicherheit sicherstellen.
DUH/ifeu: 1,2 Mio. ha Agrarflächen weltweit für deutschen Kraftstoffverbrauch gebunden
Die DUH hatte die Analyse beim ifeu-Institut in Auftrag gegeben. Sie kommt zu dem Ergebnis, dass pflanzenbasierte Agrokraftstoffe aufgrund ihres großen Flächenbedarfs „noch klimaschädlicher sind als bisher bekannt“. Weltweit würden derzeit mehr als 1,2 Mio. Hektar Agrarflächen für den Anbau von Energiepflanzen wie Raps und Getreide für die Produktion von „Agrokraftstoffen für deutsche Diesel- und Benzinautos“ belegt. „Dieser immense Flächenverbrauch macht den angeblichen Klimavorteil von Agrokraftstoff gegenüber fossilem Sprit mehr als zunichte“, heißt es bei der DUH. Statt Monokulturen könnte sich auf einer Fläche dieser Größe auch natürliche Vegetation entwickeln, die große Mengen an CO2 binde. „Die DUH fordert deshalb, die Förderung von Agrokraftstoffen in Deutschland und in der EU sofort zu beenden.“
Erneuerbare Antriebsenergie für Fahrzeuge lasse sich auch ohne „immensen“ Flächenverbrauch herstellen. Für die gleiche Kilometerleistung benötige die Erzeugung von Solarstrom für E-Fahrzeuge 97 Prozent weniger Fläche als die Produktion von Biokraftstoff für Verbrennerfahrzeuge.
Resch: „Agrokraftstoffpolitik der letzten 15 Jahre eine fundamentale Fehlkalkulation“
Die gesamte Agrokraftstoffpolitik der letzten 15 Jahre sei eine „fundamentale Fehlkalkulation“ gewesen, sagt DUH-Bundesgeschäftsführer Jürgen Resch. „Weder Agrosprit noch andere sogenannte ‚alternative‘ Kraftstoffe machen Verbrenner-Autos klimafreundlich. Solche Scheinlösungen dürfen nicht länger von der Politik gefördert werden“, meint Resch. Damit der Ausstieg aus Agrokraftstoffen kein Wiedereinstieg in fossilen Sprit werde, müsse das Verbrenner-Aus jetzt verbindlich festgelegt werden. „Wir fordern ein EU-weites Ende der Neuzulassung von Pkw mit Verbrennungsmotor bis spätestens 2030 innerhalb der laufenden Revision der europäischen CO2-Flottengrenzwerte.“
Gemeinsam mit den Fridays for Future-Aktivisten Frida Mühlhoff und Jannis Krüßmann hat die DUH eine Petition im Rahmen der EU-weiten Kampagne #beyondburning gestartet. Diese fordert die EU auf, die Förderung für Biokraftstoffe und die Förderung für das Verbrennen von Waldholz zur Energieerzeugung insgesamt einzustellen, „weil sie die Klimakrise nicht eindämmen, sondern zusätzlich befeuern“.
VDB: „Umwelthilfe will Klimaschutz auf den Sankt-Nimmerleinstag verschieben“
Aus Sicht der Biokraftstoffbranche läuft die DUH-Analyse ins Leere. „Während Biodiesel, Bioethanol und Biomethan fossile Kraftstoffe ersetzen und damit die Emissionen im Straßenverkehr schon heute senken, will die DUH über Aufforstung eines weit entfernten Tages in der Zukunft CO2 binden und die Agrarphotovoltaik ausbauen“, sagt VDB-Geschäftsführer Baumann. Weder Stromgewinnung noch Aufforstung könnten fossiles Benzin oder Diesel substituieren. „Die Umwelthilfe will also Klimaschutz auf den Sankt-Nimmerleinstag verschieben, anstatt heute die Emissionen zu senken“, sagt Baumann. Biokraftstoffe minderten den Treibhausgasausstoß im Vergleich zu fossilen Kraftstoffen um 67 bis über 90 Prozent. Nach Angaben der Bundesanstalt für Ernährung und Landwirtschaft (BLE) haben Biodiesel, Bioethanol und Biomethan im Jahr 2020 den CO2-Ausstoß um 13,2 Mio. Tonnen reduziert.
„Wenn die Umwelthilfe anstatt des Raps lieber Photovoltaikanlagen aufbauen möchte, muss sie erklären, woher das dadurch entfallende Rapsschrot, das wichtigste heimische Eiweißfuttermittel, kommen soll“, sagt der Branchenvertreter. Zudem wäre die Fruchtfolge gestört. Raps sei hier als tiefwurzelnde Blattfrucht ein wichtiges Element. „Raps wird nur alle drei Jahre auf einem Feld angebaut und ist keine reine Energiepflanze, wie es die Umwelthilfe behauptet, sondern bietet vielfältige Nutzungsmöglichkeiten.“
98 Prozent Biokraftstoffanteil an Erneuerbaren im Straßenverkehr
Die DUH-Forderungen auf Basis einer „unterkomplexen Studie“ seien für den Klimaschutz kontraproduktiv, sagt Baumann Aus der Rapsernte entstehe zu etwa 40 Prozent Pflanzenöl, das als Nahrungsmittel verwendet oder zu Biodiesel verarbeitet werden kann, und 60 Prozent eiweißreiches Tierfuttermittel, das Sojaimporte aus Südamerika ersetzt. „Raps wurde bereits angebaut, bevor Biokraftstoffe für den Verkehrssektor eine Rolle gespielt haben.“
Die DUH wolle insbesondere Flächen mit einem besonders großen Kohlenstoff-Speicherpotenzial wie entwässerte Moore renaturieren. Jedoch verbietet die deutsche und europäische Nachhaltigkeitsgesetzgebung, dass Kohlenstoffsenken für den Anbau von Rohstoffen für die Biokraftstoffherstellung genutzt werden. Rohstoffe für Biokraftstoffe dürften nicht auf Flächen angebaut werden, die nach 2007 entwässert worden sind. „Die Umwelthilfe sollte sich mit der geltenden Gesetzgebung auseinandersetzen, bevor sie Forderungen nach der Abschaffung einer der wenigen wirksamen Klimaschutzmaßnahmen im Verkehr aufstellt“, kommentiert Baumann die Eingabe der Umwelthilfe mit spitzen Worten.
UFOP und BDBe erinnern an die aktuelle Situation im Verkehrssektor. Die derzeit im Verkehr verbrauchte Energie bestehe zu 92,5 Prozent aus fossilen Energieträgern. Lediglich 7,5 Prozent sind erneuerbar. An den erneuerbaren Energien wiederum machten biomassebasierte flüssige und gasförmige Kraftstoffe rund 90 Prozent aus, bezogen auf den Straßenverkehr sogar über 98 Prozent. Bis zum Jahr 2030 würden Bioethanol, Biodiesel und Biomethan schätzungsweise rund 120 Mio. Tonnen Treibhausgase im Verkehr eingespart haben.
Die europäische Biokraftstoffproduktion sei strengen Nachhaltigkeitsvorgaben unterworfen ist, die in den vergangenen 15 Jahren „mehrfach verschärft wurden und mit dem Vorschlag der EU-Kommission zur Novellierung der Erneuerbare Energien Richtlinie (2018/2001/EG) noch ambitionierter werden“.