Biomethan statt russischem Erdgas: Debatte über Perspektiven und Risiken


Nach Angaben des Bundesverbands der Energie- und Wasserwirtschaft könnten hierzulande bis zum Jahr 2030 jährlich 100 TWh Biomethan erzeugt und ins Gasnetz eingespeist werden. „Dies entspricht etwa einem Fünftel der Erdgasmenge, die Deutschland im vergangenen Jahr an russischem Erdgas verbraucht hat“, heißt es beim Branchenverband. Eine aktuelle Analyse des Akademienprojekts ESYS sieht dagegen Probleme im Zusammenhang mit einer deutlichen Ausweitung der Biomethanproduktion.


So wäre die auf EU-Ebene im REPowerEU-Paket vorgesehene Auswertung der Biomethanerzeugung auf 35 Mrd. m³ (rund 390 TWh) „nur mit Hilfe von in intensiver Landwirtschaft angebauter Energiepflanzen (v.a. Mais) zu erreichen“, heißt es in einem jetzt veröffentlichten ESYS-Impulspapier.


Der BDEW sieht dagegen jede Menge ungenutzte Potenziale, die zeitnah gehoben werden könnten. Laut BDEW wurden im Jahr 2021 lediglich 10 TWh Biomethan erzeugt. In einem 10-Punkte-Papier fordert der BDEW unter anderem eine verlässliche Bestimmung der zukünftigen Rolle von Biomethan im Rahmen der geplanten nationalen Biomassestrategie. „Dabei sollten ambitionierte jährliche Ausbauziele mit Fokus auf Abfall und Reststoffe sowie fortschrittliche Einsatzstoffe, wie zum Beispiel Stroh, Gülle oder Traubentrester definiert werden“, heißt es beim BDEW.


BDEW: „Alle verfügbaren Abfall- und Reststoffströme nutzen“


Die Potenziale sollen also gerade nicht über den Anbau von Energiepflanzen gehoben werden. Vielmehr gelte es, „alle verfügbaren Abfall- und Reststoffströme zu nutzen“. Für die vom BDEW vorgeschlagenen Maßnahmen würden „nahezu keine weiteren Flächen“ für den Anbau von Lebensmittel und Futterpflanzen benötigt.


„Vor dem Hintergrund des Angriffskrieges von Russland auf die Ukraine und den Auswirkungen auf die Energieversorgung in Deutschland und Europa wird klar, dass eine Beschleunigung der Nutzung erneuerbarer Gase aus verschiedenen Quellen und Orten immer dringlicher wird“, sagt Kerstin Andreae, Vorsitzende der BDEW-Hauptgeschäftsführung. Biomethan stehe als Energiequelle innerhalb Deutschlands „verlässlich und wetterunabhängig“ zur Verfügung. „Die Erhöhung von Erzeugung und Nutzung von Biomethan trägt nicht nur dazu bei, schnell unabhängig von Gasimporten aus Russland zu werden, sondern ist auch ein wesentlicher Baustein zur zügigen Treibhausgas-Minderung.“ Es sei daher wichtig, schnell einen Regulierungsrahmen zu entwickeln, der es ermöglicht, die bislang ungenutzten Potenziale in der Erzeugung von Biomethan zu heben.


Das Akademienprojekt ESYS widmet sich in seinem Impulspapier den Möglichkeiten, die von der EU im Jahr 2021 importierten rund 155 Mrd. m³ (rund 1.720 TWh) Erdgas zu ersetzen. Eine Rolle spielten hier LNG aus den USA sowie Erdgaslieferungen aus Norwegen, Katar oder auch die Ausweitung der Erdgasförderung in der EU. „Auch in der EU erzeugtes Biomethan kann Erdgas substituieren“, heißt es in dem Papier. Mit einer Ausweitung der heimischen Biomethanproduktion auf 390 TWh könnten in etwa 9 Prozent des 2021 in der EU insgesamt verbrauchten Erdgases (ca. 412 Mrd. m³) ersetzt werden.


ESYS sieht Gefahr von „erheblichen negativen Umweltfolgen“


Doch hier sieht ESYS Probleme. „Aufgrund des Düngemittelbedarfs und des Anbaus in Monokultur wären erhebliche negative Umweltfolgen zu erwarten“, heißt es in dem Bericht. Dazu gehörten eine Beeinträchtigung von Artenvielfalt, Böden und Gewässern sowie erhebliche Treibhausgasemissionen. „Vor dem Hintergrund der sich durch den Ukrainekrieg zuspitzenden Krise bei der Nahrungsmittelversorgung ist zudem der hohe Flächenverbrauch für den Anbau von Energiepflanzen problematisch.“ Denkbar wäre aus ESYS-Sicht, die Verstromung von Biogas und Biomethan zugunsten der Erzeugung und Nutzung von Biomethan in der Industrie und zum Heizen zurückzufahren. „Damit allerdings würde weniger Biogas als flexibel einsetzbarer erneuerbarer Energieträger für den Stromsektor bereitstehen.“


Mögliche Umweltfolgen sieht der BDEW auch, hält sie aber durch eine geeignete Rahmensetzung für vermeidbar. Es komme nun darauf an, eine Dynamik in Gang zu setzen, die die Transformation der Gaswirtschaft mit einer Beschleunigung der Biomethaneinspeisung und verstärkten nachhaltigen Nutzung von Biomethanpotenzialen ermöglicht. Grundlegende Prämissen seien der Gewässerschutz und ein effizienter und ressourcenschonender Umgang mit Flächen, betont Andreae.