Der Zubau bewegt sich damit auf einem fast identischen Niveau wie im Vergleichszeitraum 2021. Eine neue Analyse der Deutschen WindGuard, durchgeführt im Auftrag der Branchenverbände BWE und VDMA Power Systems, beleuchtet die aktuelle Entwicklung.
„Im ersten Halbjahr 2022 hält der Zubau der Windenergie an Land in Deutschland lediglich sein Niveau und geht noch nicht in die zum Erreichen der Ziele notwendige Richtung“, halten die Verbände fest. Dafür werde das fünffache Volumen benötigt. „Die Bundesregierung hat mit den in der vergangenen Woche verabschiedeten Gesetzen das ambitionierteste Paket zur Klimagesetzgebung vorgelegt, das es in Deutschland je gab. Die Ausbauziele für die Erneuerbaren sind ebenso ehrgeizig wie notwendig und bieten der Branche Orientierung und Planungssicherheit.“
Einige der neuen Regelungen seien „in der Tat bahnbrechend“. So gebe es zum ersten Mal ein gesetzlich verankertes Ziel zur Bereitstellung von Flächen. „Um den Ausbau auf das notwendige Niveau anzuheben, kommt es darauf an, dass die beschlossenen Maßnahmen möglichst schnell ihre Wirkung entfalten können.“
Dauer der Genehmigungsverfahren hat sich jüngst um fast 60 Prozent erhöht
„Die durchschnittliche Dauer der Genehmigungsverfahren hat sich in den vergangenen fünf Jahren um fast 60 Prozent erhöht“, verweist BWE-Präsident Hermann Albers auf weiter bestehende Probleme. „Zudem muss die Rechtssicherheit nach Genehmigungserteilung weiter verbessert werden.“ Die „leicht erhöhte Aktivität bei den Genehmigungseinreichungen“ müsse in einen deutlichen Anstieg überführt werden. Die Bereitstellung von Flächen für den Ausbau der Windenergie laufe noch immer nicht mit der gebotenen Dringlichkeit. „Das Flächenziel von mindestens zwei Prozent hat nun zwar eine gesetzliche Grundlage, ist jedoch in der Erreichung auf die nächste Legislaturperiode vertagt.“ Nach BWE-Analysen gebe es in allen Bundesländern ausreichend verfügbare Flächen. Sogar für die Situation in den Stadtstaaten liege ein gangbarer Lösungsvorschlag vor.
Dennis Rendschmidt, Geschäftsführer von VDMA Power Systems, kommt zu einer ähnlichen Gesamtbewertung: „Der politische Wille ist da, die Ausbauziele wurden angepasst, aber es hakt weiterhin an den für den Zubau so wichtigen richtigen Rahmenbedingungen und deren konsequenter Anwendung.“ Man erwarte „dringend“ weitere Gesetzesvorlagen zur Verstärkung und Beschleunigung für mehr Flächen und Genehmigungen. Die europäischen Hersteller von Windenergieanlagen und ihre Zulieferer ständen durch Kostensteigerungen und unzureichende Marktdynamik unter erheblichem wirtschaftlichem Druck. „Bei zu geringem Marktvolumen besteht die Gefahr des Verlusts von Know-how, Wertschöpfung und Beschäftigung. Dies wiederum gefährdet die Energiesouveränität Deutschlands und Europas – ein Aspekt, der im Zusammenhang mit dem Ukraine-Konflikt eine neue Dringlichkeit bekommen hat.“ Es müsse eine langfristige industriepolitische Strategie für die europäische Windindustrie geschaffen werden.
Beim zwei-Prozent-Flächenziel sei der Gesetzgeber deutlich hinter den gestalterischen Möglichkeiten zurückgeblieben. Die Erreichung des Ziels müsse vor dem Jahr 2032 festgelegt werden, „schnellstmögliche Flächenverfügbarkeit ist erforderlich“, heißt es von Seiten der Verbände. Hier bleibe das Flächenbedarfsgesetz hinter seinen Anforderungen zurück. Wie die noch immer bestehenden Konflikte bei Arten- und Naturschutz aufgelöst werden können, hätten BWE und VDMA im gemeinsamen Appell mit den Verbänden BEE, BDEW, BNE und VKU dargelegt. Auch hier seien zwar noch Ansätze wie etwa beim Repowering eingeflossen, eine Entfesslung bedürfe jedoch weiterer Änderungen.
Mehr Tempo bei Genehmigungen und Repowering wesentlich
Die Genehmigungen der Projekte müssten dringend vereinfacht werden. Auch die im Koalitionsvertrag angekündigten Erleichterungen für das Repowering älterer durch moderne Anlagen gelte es schnellstmöglich durch weitere Maßnahmen umzusetzen. Zur Realisierung der Ziele müssten sich Verfahren nicht nur für die Planung der Projekte verschnellern, auch Schwerlasttransportgenehmigungen müssten in Deutschland massiv beschleunigt werden. „Ohne eine Verbesserung der Transportinfrastruktur und schnellere Schwerlasttransportgenehmigungen sind Lieferketten und Ausbauziele gefährdet“, betonen die Verbände. Mit belastbaren und planbaren Rahmenbedingungen ließen sich die für den Ausbau notwendigen Kapazitäten in der gesamten Wertschöpfungskette schaffen.
Derzeit befinden sich noch Windenergieprojekte mit einer Gesamtleistung von rund 10.000 MW im Genehmigungsverfahren, rund 2.250 MW daraus aus dem ersten Halbjahr 2022. Dies stelle das Potenzial für die hohen Ausschreibungsvolumina des kommenden Jahres dar. Zuschläge in einem Volumen von 6,6 Gigawatt (GW) warten auf die Umsetzung.
Gleichzeitig werden bis zum Jahr 2025 voraussichtlich Windenergieanlagen mit einer kumulierten Leistung von rund 15 GW aus der EEG-Förderung fallen. Repowering biete hier die Chance, kurz- bis mittelfristig einen Zubau von bis zu 45 GW zu erreichen. „Repowering kann damit als wichtige Brücke dienen, bis andere gesetzliche Regelungen aus Osterpaket und ergänzenden Gesetzen ihre Wirkung voll entfalten können“, so die Verbände weiter. Dafür benötigt es deutlicher Vereinfachungen – beispielsweise durch beschleunigte Genehmigungsverfahren für Repowering-Projekte.
Als Folge der „politischen Fehlentscheidungen der vergangenen Jahre“ seien in der Branche über die gesamte Wertschöpfungskette hinweg bis zum Jahr 2020 rund 50.000 Arbeitsplätze verloren gegangen. Jetzt stellten die Unternehmen wieder ein. Neue Beschäftigungsmöglichkeiten könnten bei tatsächlicher Umsetzung der politischen Ziele dauerhaft entstehen und zu einem nachhaltigen Wertschöpfungseffekt führen.
Branche hebt Ausbauprognose für Jahr 2022 leicht auf 2,4 bis 3,0 GW an
Im Januar 2022 hatten die Verbände auf Basis bezuschlagter Projekte einen Ausbau der Windenergiekapazitäten an Land von 2,3 bis 2,7 GW für das Jahr 2022 prognostiziert. Die aktuelle Prognose der WindGuard ergibt bei gleichbleibender durchschnittlicher Realisierungsgeschwindigkeit ein leicht angehobenes Ergebnis von 2,4 bis 3 GW für 2022. In der Vergangenheit gewann der Zubau in der zweiten Jahreshälfte oftmals an Fahrt.
Gemäß dem Global Wind Energy Council (GWEC) liegt die jährliche Wachstumsrate für Onshore-Windenergie in den nächsten fünf Jahren bei 6,1 Prozent. Die erwartete durchschnittliche jährliche Installation beträgt 93,3 GW. Insgesamt werden voraussichtlich 466 GW in den Jahren 2022 bis 2026 errichtet. In diesem Zeitraum wird in China ein Zubau von 249 GW prognostiziert, gefolgt von Europa mit knapp 88 GW, Nordamerika mit rund 47 GW und Lateinamerika mit 27 GW.